Verliebtheit ist ein wildes Tier
Rafik Schami stellt neue Geschichten vor
Er ist ein wunderbarer Erzähler. Einer, der sich einfach vor sein Publikum hinstellt, ohne Buch, ohne Notizen. Der den Faden seiner Geschichte aufnimmt und ihn nicht mehr loslässt, über eineinhalb Stunden lang. Rafik Schami, der syrischdeutsche Schriftsteller, der in Damaskus geboren wurde und seit den 70er-Jahren in Deutschland lebt, war wieder einmal in Augsburg zu Gast. Bücher Pustet hat ihn zu einer Lesung aus seinem neuesten Buch „Die geheime Mission des Kardinals“ins total ausverkaufte Mephisto Kino eingeladen. Rafik Schami hatte noch gar nicht zu erzählen begonnen – von einer „Lesung“konnte man ja nicht sprechen – schon standen Leser Schlange, um sich ihr Buch von ihm signieren zu lassen.
In bester orientalischer Erzählkunst, der es gelingt, immer wieder von einer Geschichte in eine andere abzubiegen und dabei so spannend zu bleiben, dass man am liebsten jedem dieser Erzählstränge weiter folgen mochte, entfaltet Rafik Schami den Roman. Er beginnt damit, dass im Jahr 2010 in der italienischen Botschaft von Damaskus ein Fass mit Olivenöl angeliefert wird. Darin, zum Entsetzen nicht nur des Kochs, die Leiche eines Kardinals. „Ich könnte diese Geschichte auch in einem Satz zusammenfassen: Es geht um einen Kommissar, der versucht, aufrecht zu sein, und der in einer modernen Diktatur auf der Suche nach der Wahrheit ist.“Der Kommissar heißt Barudi.
An dieser Suche nach der Wahrheit ließ Rafik Schami seine Zuhörer teilhaben, schilderte die Figuren, die Stimmungen, die Schauplätze seines Romans so farbig, dass man meinen konnte, selbst mitten im Geschehen zu sein. Wunderbar bildreich seine Sprache. Wie er beschreibt, wie Barudi seine Frau kennenlernte: „Wissen Sie“, so der Autor, „Verliebtheit ist wie ein wildes Tier, sie stürmt das Herz und setzt sich dort in den Schaukelstuhl.“
„Wir legen viel Macht in unsere Worte“, streute Rafik Schami ein. Mit dieser Kraft seiner Worte erzählte er von Glaube und Liebe, von Aberglaube und Mord, und auch dem Leiden des syrischen Volkes unter einem diktatorischen System, das Fanatismus und Terror gebiert. Wunderbar schilderte er den Kult um einen muslimischen Bergheiligen, der Jesus Christus als Vorbild nimmt. Der Bergheilige residiert in einer Felsenhöhle, vollbringt Heilungswunder und verkauft gewinnbringend seine Fürze. Zu ihm führen die Spuren des Kriminalfalls. Ganz nebenbei erwähnte Rafik Schami, dass dies die Höhle des heiligen Paulus auf der Flucht vor seinen Häschern in Damaskus gewesen sei. „Ob Sie es glauben oder nicht.“
Mochte die Erzählung auch noch so abstruse Wendungen genommen haben, an diesem Abend glaubte man ihm alles. „Die vielen Gesichter lachen mich an wie glückliche Kinder. Was will ein Autor mehr?“, sagte Schami zum Abschluss. »Rafik Schami: Die geheime Mission des Kardinals“, Hanser-Verlag, 26 Euro.