Don Quijote zieht wieder hinaus
Das Figurentheater feiert zum Festivalauftakt Triumphe der Fantasie. Ein federleichtes Traumspiel erweckt den verrückten Ritter. Berliner Schnauze erzählt Krimi
Don Quijote, der verträumte Ritter von La Mancha, lebt in einer Welt der Einbildung. Die geliebten Ritter-Romane haben ihm den Kopf verdreht. Ein Bauernmädel verwandelt seine Fantasie in die holde Dulcinea, sein alter Klepper soll als stolzes Schlachtross Rosinante mit ihm ausreiten und der lebenslustige Dorftölpel Sancho als Stallmeister ihm dienen. Beim „Theater des Lachens“aus Frankfurt an der Oder wird die Geschichte zu einem federleichten Traumspiel und dank seiner schauspielerischen Raffinesse zu einem bejubelten Auftakt der Augsburger Puppenspieltage im frisch renovierten Abraxas-Theatersaal.
Gar nicht viel ist nötig, um diesen Don Quijote zum Leben zu erwecken. Ein paar lange weiße Tuchbahnen, eine mächtige Truhe und eine lebensgroße filigrane Gliederpuppe genügen den drei Spielern, um die perfekte Illusion hervorzurufen. Wie aus einem Gemälde entsteigt der hagere Señor zu den herben frühbarocken Klängen Georg Philipp Telemanns der Kulisse. In hochtrabendem Spanisch zitiert er den berühmten Schelmenroman von Cervantes und huldigt der Magie seiner inneren Bilder.
Wunderliches geschieht auf der Bühne. Die gestiefelten Beine des Señors machen sich selbstständig. Ein Besen, ein Eimer und die Tücher lassen Rosinante galoppieren, ein blechernes Becken dient als scheppernder Helm. Sancho Pansa trägt sein Wams als Wanst, vollführt ein Tänzchen mit seinen auf die Spitze gestellten Tretern, eine Obstkiste auf Rädern mit einem Eimer verwandelt sich wie im Kinderspiel in seinen Esel. Und beim wackeren Kampf gegen die Lichtbild-Windmühlen erzeugt ein Ventilator Sturmesbrausen in den Tüchern. Mag’s auch mit ihm scheinbar zu Ende gehen: Don Quijote ist unsterblich.
Den traditionsreichen Augsburger Puppenspieltagen läutet ebenso wenig ein Sterbeglöckchen. Fürs Jahr 2021 sind sie schon gesichert. Dafür setzte Kulturreferent Thomas Weitzel zusammen mit Christoph Mayer, der Vorsitzende des Vereins der Freunde des Augsburger Puppenspiels, bevor sich der Vorhang hob, gern seine Unterschrift unter den Anschlussvertrag. Die Veranstaltung sei „jedes Mal ein Highlight“und „ein tolles Fest der so vielfältigen Formen des Puppenspiels“, sagte der Kulturreferent.
Alles lässt sich auf der Puppenbühne spielen, auch ein so unverschämt witziger wie atemberaubend spannender Krimi von den Berliner Stadtmusikanten, den am Samstagabend das Theater auf der Zitadelle mit Berliner Schnauze inszenierte. Was für eine skurrile Gesellschaft findet da im Seniorenheim Sonnenschein zusammen! Die zackig kommandierende Katze, einst eine gefürchtete Gangsterbraut; der Wolf, der selbst den Mordanschlag des fiesen Fuchses überstanden hat; die blasierte Kuh und der geschäftige Spatz mit Helikopter, der am Telefon ein Finanzimperium dirigiert.
Gemeinsam hatten sie den wertvollsten Diamanten der Welt geklaut, hinter dem nicht nur die bekloppten Pfleger Gisela und Eugen her sind. Inzwischen ist er zu Geld gemacht – oder wo liegt der Zaster? Kann das süße Findelkind die Bande sprengen? List und Tücke kommen ins Spiel, man durchschaut die Finten, verrät es aber nicht und lässt die Verfolger auflaufen. Ein knochenharter Hund wie Don die Dogge wird plötzlich weich.
Die beiden Berliner Puppenspieler plündern munter das einschlägige Repertoire klassischer Gangsterklamotten aus dem Kino. Natürlich ist Don mit dem Polizeichef befreundet, natürlich hat die Katze mehr lichte Momente als Demenz. Alles scharf gewürzt mit trockenen Humorkrachern und so verrückten Einfällen wie einer Head-Bang-Einlage der vier Senioren zu Heavy Metal oder dem DDR-Sandmännchen.