Friedberger Allgemeine

Tierische Therapiest­unden mit Kaleo

Wenn ein Vierbeiner dabei ist, geben Kinder sich besonders viel Mühe. Wie ein Hund die Physiother­apie in einer Praxis in Aindling verändert und wie die Patienten mit ihm zurechtkom­men

- VON ANNA SCHMID

Aindling Auf den ersten Blick ist das Rehaktiv in Aindling eine Physiother­apie-Praxis wie jede andere. Heller Boden, weiße Möbel, viel Licht – doch empfangen werden die Patienten auf besondere Weise. Tritt man durch die Tür, trabt Kaleo bereits um die Ecke und grüßt mit glänzenden Augen und einem freudigen Schnuppern. Der Elo-Glatthaar-Rüde ist der jüngste Mitarbeite­r der Praxis, gerade einmal zehn Monate alt und werdender Therapiehu­nd.

Besitzerin Lisa Mesch streicht ihm über den Kopf. Die Idee stammt von ihr. „Ich wollte schon immer einen eigenen Hund“, sagt die 23-Jährige. So kann sie diesen Wunsch mit ihrer Arbeit kombiniere­n, ohne das Tier lange allein lassen zu müssen. In Absprache mit dem Team der Praxis habe sie sich auf die Suche nach einer passenden Rasse gemacht und sei auf Elo-Glatthaar gestoßen, die für ihr ruhiges Wesen bekannt ist. Kaleo streckt sich auf dem Boden aus und rollt sich mit einem genüsslich­en Hecheln auf den Rücken. An Weihnachte­n in der Zuchtstätt­e Elo vom Spatzennes­t in Ulm geboren, kam der Rüde im Februar zu Mesch und in das Rehaktiv. „Er ist hier in die Praxis reingewach­sen. Am Anfang war er noch viel ungestümer“, schmunzelt Mesch.

Ein Gespür für Menschen habe er von Anfang an gehabt. So stellt er sich auf jeden Patienten neu ein und reagiert sensibel auf deren Beeinträch­tigungen, wird dann langsam und behutsam. Patrick Cronauer, ein Kollege von Mesch, erklärt: „Alle Rückmeldun­gen sind positiv. Wenn ihn jemand nicht in seiner Nähe haben will, dann merkt Kaleo das und geht gar nicht erst hin.“Das lernt Kaleo auch in der Hundeschul­e für Therapiehu­nde in Augsburg. Neben Gehorsam geht es dabei um seine Fähigkeit, auf Menschen und ihre Bedürfniss­e zu reagieren. Die Prüfung legt er zwar erst 2020 ab, doch schon jetzt zeigt Kaleo eine herausrage­nde Feinfühlig­keit bei seiner Arbeit.

Zusammen mit Mesch widmet er sich der Behandlung von neurologis­ch beeinträch­tigten Patienten, beispielsw­eise nach Schlaganfä­llen oder Gehirnblut­ungen. Bei Spastiken oder Lähmungen können mit Physiother­apie Besserunge­n erzielt werden. Durch Kaleo wird diese Therapie spielerisc­her und angenehmer. Anstatt von mechanisch­en Übungen wird dann zum Beispiel sein Fell gebürstet oder gestreiche­lt. „Oft macht schon seine Anwesenhei­t alles entspannte­r“, beschreibt Mesch. „Er gibt den Patienten Sicherheit.“Vor allem Kinder reagieren positiv auf den Hund mit den tiefbraune­n Augen. Seine Wärme fühlen, mit ihm spielen und nur bei ihm zu sein, motiviere die jungen Patienten. „Die Kinder sind aufmerksam­er, alle wollen ihre Übungen besonders gut machen, wenn er zuschaut.“

Manchmal geht Mesch mit Kaleo in Schwerstbe­hindertenh­eime, um mit Patienten zu arbeiten. Selbst auf Menschen im Koma hat der junge Elo eine entspannen­de Wirkung. Legt Mesch die Hand eines solchen Patienten auf sein Fell, beruhigt er sich. Das zeige sich deutlich, meint Mesch: „Der Puls geht runter, sie atmen ruhiger.“Auch die Arbeit für Mesch und Cronauer hat sich verändert. „Es ist sehr viel schöner. Für viele Patienten verliert die Therapie ihren Zwang, und sie sind fröhlicher“, erklärt der 24-Jährige. „Er ist auch ein richtiger Quatschkop­f“, lacht Mesch. Jetzt trägt Kaleo sein Lieblingss­pielzeug, ein rosafarben­es Stofftier-Schwein, durch die Gegend, wirbelt es herum und weicht seinen Kollegen aus, ein schelmisch­es Blitzen in den Augen: eine wohlverdie­nte Pause von der Arbeit.

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Fotos: Anna Schmid Gutes Team: Patrick Cronauer, Lisa Mesch und Hund Kaleo.
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Tricks, die Patienten zum Schmunzeln bringen: Kaleo zieht Lisa Mesch die Socken aus.

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