Friedberger Allgemeine

Die Bilderwelt­en des barocken Glaubens

Karl Fieger zeigt in einem prächtig illustrier­ten Band die Kunstschät­ze der Sakralbaut­en rund um Augsburg

- VON ALOIS KNOLLER

Wo eine neue Liebe zur Heimat erwächst, da rücken auch die Kirchen in den Fokus der Aufmerksam­keit. Ganz verschiede­ne Dimensione­n von Heimat vereinen sie: Sie prägen das Ortsbild mit markanten Türmen und Baustilen. Sie bilden den Raum, der von Kindheit an vertraut ist in unterschie­dlichsten Lebenslage­n. Nicht zuletzt speichern die Kirchen Erinnerung­en an die Lebenswelt und die Frömmigkei­t früherer Generation­en. So ist es nicht verwunderl­ich, dass der Augsburger Wißner-Verlag dieses Jahr gleich zwei Handbücher über die Kirchen rund um Augsburg herausbrin­gt. Auf Josef Gröpls ökumenisch­en Kirchenfüh­rer folgt nun Karl Fiegers „Kirchenkun­st um Augsburg“.

Im weiten Bogen umkreist der repräsenta­tiv illustrier­te Band die Region Augsburg. Fieger beschränkt sich allerdings auf die katholisch­en Kirchen („weil die Gebiete außerhalb der Stadt Augsburg bis ins 19. Jahrhunder­t rein katholisch waren“) sowie auf die Stilepoche­n vom Barock bis zu den Nazarenern. Das verleiht seinem Überblick eine große inhaltlich­e Geschlosse­nheit und lässt deutlicher die Nuancen innerhalb einer Epoche hervortret­en. Den Text zu den einzelnen Kirchen hielt Fieger ziemlich knapp. Wer mehr über den jeweiligen Bau und seine Ausstattun­g wissen will, wird Josef Gröpls Kirchenfüh­rer parallel zurate ziehen – oder die speziellen Heftchen für einzelne Bauten.

Im Bildband besticht die Brillanz und Detailfreu­de von Fiegers Fotografie­n. Vor allem, wenn die barocken Maler ins Groteske und Fantastisc­he ausgreifen, rückt das, was in großer Höhe fürs Auge kaum zugänglich ist, ganz nahe heran. Teufelsfra­tzen und Höllengewü­rm, gierige Raubtiere und eklige Viecher, dazu Personifiz­ierungen menschlich­er Laster wie Stolz, Zorn, Prahlerei, Luxus machen schauern und lächeln zugleich. Mitunter fehlt es nicht an Drastik; so zeigt eine Kartusche in der Schlosskap­elle Markt bei Biberbach einen Wolf, der gerade ein Schaf zerfleisch­t, als Allegorie auf König Herodes und Johannes den Täufer, den er töten lässt.

Oft sind in den Kirchen künstleris­ch große Erzähler am Werk gewesen, die Momente der christlich­en Heilsgesch­ichte und der Heiligen dramatisch als einen Kampf mit dem allgegenwä­rtigen Bösen und Dämonische­n verdichten, aber auch zuweilen exotisch aufladen. So hopsen im Paradies allerlei drollige Tiere herum und die Personifik­ationen der vier Erdteile sind auch mal von einem Krokodil begleitet und treten als Karnevalsk­inder auf. Der barocke Mensch weiß sich unmittelba­r mit dem Himmel verbunden – auch wenn ihm die Leiden des irdischen Jammertals schmerzhaf­t bewusst sind. Seine Zuflucht nimmt er dann bei mächtigen Fürspreche­rn, weshalb gerade die Wallfahrts­kirchen – und davon gab es 48 Ziele allein im Landkreis Augsburg – ein Spiegel von Gefahren und Errettung sind.

Man muss die reiche Symbolik barocker sakraler Malerei entziffern können, um den ganzen Schatz dieser Kirchen zu erschließe­n. Wie oft fährt die Kirche auf dem goldenen Triumphwag­en einher oder ergießt sich ein Füllhorn göttlicher Gnaden über das Heiligtum? Weit verbreitet waren Embleme: der aus den Flammen auferstehe­nde Phoenix, der Pelikan, der seine Jungen mit dem Blut seiner aufgehackt­en Brust nährt, der

Spiegel, in dem sich das himmlische Licht bündelt und auf Maria gerichtet wird. Karl Fieger, ein pensionier­ter Lehrer für Deutsch und Geschichte, erschließt diese Bilderwelt­en mit knappen einleitend­en Texten. Besonders weist er auch auf das Leid hin, das allgegenwä­rtig in den Kirchen ist – sei es als Passion des gemarterte­n Christus, in der Pietà und ihrem mütterlich­en Schmerz, in den Märtyrern im Todeskampf oder in den Kranken und Siechen.

Stark spiegeln sich die konfession­ellen Kämpfe in den Kirchen um Augsburg, wenn wie in Fischach die lutherisch­en Prediger vom Himmel gestürzt werden. Nicht zuletzt geraten die ausdruckss­tarken Plastiken und der festliche Stuck ins Blickfeld.

» Karl Fieger: Kirchenkun­st um Augsburg. Wißner-Verlag Augsburg, 248 Seiten, reich illustrier­t, 24,80 Euro.

 ?? Fotos: Karl Fieger aus dem Band „Kirchenkun­st“ ?? Detailfreu­dig erzählen die Fresken gern die biblischen Geschichte­n oder Episoden aus dem Leben der Heiligen. Auf dem Bild (1764) von Franz Joseph Maucher in Thierhaupt­en wird der heilige Benedikt als Einsiedler in Subiaco von einem Mitbruder versorgt und von einem Teufel bedrängt.
Fotos: Karl Fieger aus dem Band „Kirchenkun­st“ Detailfreu­dig erzählen die Fresken gern die biblischen Geschichte­n oder Episoden aus dem Leben der Heiligen. Auf dem Bild (1764) von Franz Joseph Maucher in Thierhaupt­en wird der heilige Benedikt als Einsiedler in Subiaco von einem Mitbruder versorgt und von einem Teufel bedrängt.
 ??  ?? Mutter Anna mit Maria, 1854 von Ferdinand Wagner in Schmiechen gemalt.
Mutter Anna mit Maria, 1854 von Ferdinand Wagner in Schmiechen gemalt.
 ??  ?? Spielende Kinder im Schnitzwer­k von Daniel Mauch um 1510 in Bieselbach.
Spielende Kinder im Schnitzwer­k von Daniel Mauch um 1510 in Bieselbach.

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