Entlassener Mitarbeiter in den Betriebsrat gewählt
Bei den Betriebsratswahlen im Lidl-Logistikzentrum in Graben wurde 2018 die Gewerkschaftsliste nicht zugelassen. Nun fanden die Neuwahlen statt – mit einem teils überraschenden Ergebnis
Das kommt nicht alle Tage vor: Bei den Betriebsratswahlen im LidlLogistikzentrum in Graben wurde 2018 die Gewerkschaftsliste nicht zugelassen. Nun fanden die Neuwahlen statt – und das Ergebnis hat Überraschungen parat. Wie es weitergeht.
Graben Mit Spannung wurden die Ergebnisse für die Wahl des Betriebsrats im Lidl-Logistikzentrum in Graben erwartet. Denn die Abstimmung beschäftigte in den vergangenen Monaten sogar das Arbeitsgericht. 290 Mitarbeiter konnten vor Kurzem abstimmen. Nun liegen die Ergebnisse vor – mit einer spannenden Personalie.
Vier Listen gingen an den Start, darunter auch die gewerkschaftsnahe Kandidatenliste „Wir für alle“. Diese erhielt 65 der abgegebenen 199 Stimmen und landete damit auf Platz zwei. Die anderen drei Listen erhielten 73 Stimmen, das entspricht vier Sitzen für „Supergeil“sowie jeweils 30 Stimmen und folglich jeweils einem Sitz für „Wir sind Lidl“und „Smart“. Die gewerkschaftsnahe Liste hat drei der neun Sitze, das Besondere an dieser: Auf ihr steht Aytekin Erayabakan. Der
ist in der Gewerkschaft Verdi aktiv und seit acht Jahren bei Lidl in Graben tätig. Vor sieben Wochen wurde ihm fristlos gekündigt, dagegen klagt der gebürtige Augsburger am Arbeitsgericht (wir berichteten). Erayabakan ist nun zwar in den Betriebsrat gewählt, kann aufgrund der Kündigung dieses Amt aber nicht ausfüllen. An seine Stelle rückt der nächstplatzierte Listenkandidat nach. Sollte Erayabakans Kündigung vor Gericht Ende Februar als nichtig erklärt werden, würde er seine Tätigkeit im Betriebsrat aufnehmen können.
Das Wahlergebnis ist für Erayabakan enttäuschend: „Wir haben zwar Leute von uns im Betriebsrat, aber mit drei Stimmen können wir nichts Grundlegendes bewegen und verändern. Das ist eine unglückliche Geschichte momentan.“Der 44-Jährige vermutet, dass seine Liste rund 30 Stimmen mehr haben könnte. Doch diese fehlen seiner nach unter anderem deshalb, da er aufgrund seiner Kündigung in den vergangenen Wochen nicht vor Ort sein konnte. Die Enttäuschung über das erzielte Ergebnis sei aber nur von kurzer Dauer gewesen: „Der Arbeitgeber hat die Schlacht gewonnen, aber den Krieg noch nicht“, sagt Erayabakan.
Sylwia Lech ist Gewerkschaftssekretärin bei Verdi und war bei der Wahl in Graben selbst vor Ort. Eine Stellungnahme wollte sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeben. Sie möchte erst Einsicht in die Wahlakten haben und kontrollieren, ob die Abstimmung gemäß der Wahlordnung abgelaufen ist.
Christian Layer war seit 2016 Be44-Jährige triebsratsvorsitzender bei Lidl und im jetzigen Wahlvorstand. Er und seine beiden Kollegen gehen davon aus, dass die Gewerkschaft mit dem Ergebnis nicht zufrieden sei, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Wahlvorstand vermutet, dass Verdi die Wahl erneut anfechten und deshalb Einsicht in die Wahlakten möchte – so wie bereits im vergangenen Jahr. „Die Einsicht bekommen sie natürlich, das ist ihr gutes Recht“, sagt Layer.
Zur Erinnerung: Die 2018 durchgeführte Betriebsratswahl bei Lidl in Graben wurde nach Auffassung von Verdi nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Die Vorwürfe der Gewerkschaft: nicht ordentliche Bestellung des Wahlvorstands, Nichteinhaltung von gesetzlichen Bestimmungen, Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl, Ausgrenzung von ausländischen Beschäftigten und die Ablehnung einer gewerkschaftsnahen Kandidatenliste. Deshalb wurMeinung de die Wahl am Arbeitsgericht Augsburg angefochten – mit dem Ergebnis, dass die Betriebsratswahl wiederholt werden muss. Doch damit war der Fall noch nicht erledigt. Der Betriebsrat wollte das Ergebnis vor dem Landesarbeitsgericht in München prüfen lassen – am 9. Dezember sollte dort verhandelt werden. Doch dazu kam es nicht. Der Betriebsrat trat geschlossen zurück, woraufhin Neuwahlen stattfinden mussten. Das geschah vor wenigen Tagen. Am Mittwochmorgen sollen der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter gewählt werden. Christian Layer verrät, dass er sich wieder als Vorsitzender aufstellen lassen möchte.
Das erste Mal wurde im Gräbinger Lidl-Logistikzentrum im Sommer 2016 ein Betriebsrat gewählt. Dafür eingesetzt hat sich damals unter anderem Aytekin Erayabakan. Der Angestellte, der vor Kurzem entlassen wurde.