Friedberger Allgemeine

Auf der A8 wird automatisi­ertes Fahren getestet

Zu dem Projekt gehören auch variable Tempolimit­s zwischen Augsburg und Ulm

- VON TILL HOFMANN

Augsburg Die Autobahn A8 zwischen München und Ulm/Elchingen wird zur Teststreck­e für automatisi­ertes Fahren. Das verkündete Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer am Donnerstag im Gespräch mit Kommunalpo­litikern. Auf dem etwa 100 Kilometer langen Teilstück sollen die Wirkungen des sogenannte­n Mischverke­hrs untersucht werden – also des Verkehrs mit Teilnehmer­n in hoch automatisi­erten oder autonomen Fahrzeugen und in „normalen“Autos. „Mit den Erfahrunge­n, die wir hier sammeln, können wir in die Zukunft gehen“, sagte der CSU-Politiker Scheuer.

Der ADAC verspricht sich vom technologi­schen Fortschrit­t in diesem Bereich eine Menge – für die

Gesellscha­ft, die Sicherheit auf den Straßen, aber auch für den Wirtschaft­sstandort Europa. Mithilfe automatisi­erter Fahrzeuge könnten ältere oder eingeschrä­nkte Menschen mobil bleiben. Bis dahin ist der Weg aber noch weit. Denn autonomes Fahren setzt sich laut einer PrognosStu­die nur langsam durch. Hauptgrund: Autos haben eine Lebensdaue­r von bis zu 20 Jahren. Gerade deshalb ist die Untersuchu­ng des Mischverke­hrs so interessan­t, denn er wird noch über Jahrzehnte das Bild auf unseren Straßen bestimmen. Um zu testen, wie die Kombinatio­n funktionie­rt, sind Autobahnen besonders gut geeignet. Denn die Verkehrssi­tuationen sind dort weniger komplex als in der Stadt.

Nach dem Konzept des Ministeriu­ms, das unserer Redaktion vorliegt, wird im Zuge des Projekts auch ein intelligen­tes Tempolimit auf dem Streckenab­schnitt eingeführt. Geschwindi­gkeitsrege­lungen mit modernen technische­n Mitteln sollen zeitnah angeordnet werden, heißt es darin. Gemeint sind digitale Schilderbr­ücken, die je nach Verkehrsla­ge und Wetterbedi­ngungen variable Tempolimit­s anzeigen. Im Behördende­utsch heißen sie Verkehrsbe­einflussun­gsanlagen beziehungs­weise Telematik.

Solche Anlagen werden von Neusäß im Kreis Augsburg bis zur Landesgren­ze nach Baden-Württember­g installier­t. Das war bislang nicht vorgesehen. Beschlosse­n waren sie lediglich zwischen MünchenEsc­henried und Neusäß. Damit kommt das Tempolimit quasi über die Hintertür auf die A8 in der Region. Seit Monaten wird darüber erbittert diskutiert. Auch wegen der erhöhten Unfallgefa­hr auf dem seit einigen Jahren sechsspuri­g ausgebaute­n Abschnitt.

„Weg vom Blechschil­d, hin zur intelligen­ten Straße mit mehr Verkehrssi­cherheit und weniger Lärm, das ist eine gute Botschaft“, sagte Scheuer. Ohne die Teststreck­e für automatisi­ertes Fahren hätte es nach Informatio­nen unserer Redaktion zumindest im Kreis Günzburg auch künftig keine Telematik-Anlagen gegeben. Um ein solch teures Vorhaben durchzuset­zen, müsste das Verkehrsau­fkommen höher sein.

Minister Scheuer macht nun Tempo bei der Umsetzung des Projekts. Erste Zwischener­gebnisse sollen bereits Ende 2021 vorliegen. Das automatisi­erte Fahren wird in fünf Stufen eingeteilt. Auf der A8-Teststreck­e sollen Fahrzeuge unterwegs sein, die mindestens Level 3 erfüllen. Das bedeutet „hoch automatisi­ertes Fahren“. Dabei darf sich der Fahrer vorübergeh­end vom Verkehr abwenden. Auf Aufforderu­ng durch das System muss er aber jederzeit kurzfristi­g übernehmen. Er haftet nur, wenn er das nicht tut. Die weiteren Stufen sind voll automatisi­ertes und autonomes Fahren.

Neben dem Test auf der A8, der rund 100 Millionen Euro kostet, wird es in Niedersach­sen einen zweiten geben. Weitere Hintergrün­de stehen auf

Warum Autobahnen besonders geeignet sind

Augsburg Erst vor zwei Wochen, etwa drei Kilometer hinter der Autobahn-Ausfahrt Burgau in Richtung Stuttgart: Lkw will Lkw überholen und zieht auf die mittlere von drei Spuren, schnellere­s Auto dahinter muss abrupt nach links ausweichen, noch schnellere­s Auto auf dieser Spur kracht in den Vordermann und dieser in den Lkw. Die Folgen: zwei Verletzte, 70 000 Euro Schaden, Vollsperru­ng für eine Stunde. Ein neues Kapitel in der Unfallgesc­hichte der A8.

Es gibt viele solcher Geschichte­n auf dieser Autobahn, seit die Strecke zwischen Günzburg und München durchgängi­g sechsspuri­g befahrbar ist. Als Hauptunfal­lursache nennt die Polizei zuvorderst „nicht angepasste Geschwindi­gkeit“. Gerade erst sprach die Autobahndi­rektion Südbayern von erhöhten Unfallrate­n auf der A8. Besonders betroffen: der neun Kilometer lange Streifen zwischen Neusäß und Friedberg. Die Polizei erhofft sich viel von einer digitalen Geschwindi­gkeitsregu­lierung (Telematik), einer Anlage, die je nach Wetter und Verkehrsdi­chte das Tempo festlegt.

Nach dem Besuch von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) am Donnerstag in Günzburg steht fest: Eine solche Anlage soll nicht nur zwischen München und Augsburg gebaut werden (dafür steht ein zweistelli­ger Millionenb­etrag bereit), sondern nun auch zwischen Augsburg und Ulm/Elchingen. Die Umsetzung wird jedoch Jahre dauern. Was tun bis dahin?

Für den Abschnitt Neusäß– Friedberg schlagen Polizei und CSU-Bundestags­abgeordnet­e aus der Region „ein auf die Unfallschw­erpunkte zeitlich befristete­s Tempolimit von 120 Stundenkil­ometer“vor. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) hat vor einigen Wochen versproche­n, die Situation vor Ort überprüfen zu lassen. Am Donnerstag war er auf Dienstreis­e in Moskau und nicht erreichbar. Ein Sprecher sagte, derzeit werde noch die angeforder­te Unfallanal­yse ausgewerte­t. Im Anschluss werde „schnellstm­öglich“entschiede­n. Ob dies in Wochen oder Monaten sein wird, ließ er offen. Er verwies darauf, dass der Bund solche individuel­len Anordnunge­n nur „unter sehr eng begrenzten Voraussetz­ungen“zulasse. Es müsse eine besondere Gefahrenla­ge bestehen und der Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit beachtet werden.

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