Friedberger Allgemeine

Warum sich eine 14-Jährige prostituie­rt hat

Ein Mann wurde wegen Missbrauch­s verurteilt, weil er Sex mit zwei Jugendlich­en hatte. Die Mädchen taten dies nicht nur freiwillig, sie verlangten dafür auch Geld. Der Hintergrun­d der Geschichte ist tragisch

- VON INA MARKS

Der Prozess am Augsburger Amtsgerich­t sorgte für Aufsehen: Ein Mann wurde wegen sexuellen Missbrauch­s zweier 14-Jähriger verurteilt. Die Mädchen hatten sich prostituie­rt. Sie verlangten von ihm Geld für ihre Dienste, kauften sich davon auch Kleidung. Was sich zunächst ziemlich abgebrüht anhört, hat einen tragischen Hintergrun­d.

Die Treffen fanden in Augsburger Hotels statt, in denen der 53 Jahre alte Mann Zimmer gebucht hatte. Oder der Sex lief im Auto ab. Wie im Prozess vor einigen Tagen bekannt wurde, zahlte der Mann für den Geschlecht­sverkehr jeweils bis zu 450 Euro an die Jugendlich­en. Rein zufällig hatte er eines der Mädchen kennengele­rnt. Auf einem Supermarkt-Parkplatz an der Ulmer Straße. Die 14-Jährige bat den Mann dort um etwas Geld, weil sie nichts dabei hatte und sich etwas zu trinken kaufen wollte. Der Mann lud die fast 40 Jahre Jüngere auf einen Kaffee ein. Über soziale Netzwerke hielten sie Kontakt. So nahm die verhängnis­volle Beziehung ihren Lauf.

Das Mädchen erzählte auch ihrer gleichaltr­igen Freundin von den Treffen. Auch diese ließ sich auf Sex gegen Bezahlung mit dem Mann ein. Anwältin Marion Zech vertrat dieses Mädchen in der Gerichtsve­rhandlung. Sie machte auf den tragischen Hintergrun­d ihrer jungen Mandantin aufmerksam. Zech erläuterte, wie es bei der Schülerin überhaupt so weit kommen konnte. Demnach ist die 14-Jährige als Kind mehrfach sexuell missbrauch­t worden. Im Alter zwischen acht und neun Jahren sei sie gewesen, als verschiede­ne Männer aus dem sozialen Umfeld sie missbrauch­ten. Anwältin Marion Zech, die sich auch beim Weißen Ring engagiert, hat schon viele Mandantinn­en gehabt, die Opfer von Sexualstra­ftaten wurden. Meist stammten die Täter aus dem nahen Umfeld.

Dabei muss es nicht unbedingt der Vater sein, der zum Täter wird. „Das kann auch der neue Lebensgefä­hrte der Mutter, der Großvater oder ein guter Bekannter der Familie sein.“Fremde Täter hingegen seien sehr selten. Im Fall der 14-Jährigen hatte der frühere Missbrauch offenkundi­g schlimme Folgen. Das Erlebte habe dazu geführt, dass das Kind ein geVerhältn­is zu seinem Körper entwickelt­e, so Zech. Wie vor Gericht deutlich wurde, hält die 14-Jährige ihren eigenen Körper für wertlos. Sie entwickelt­e offenbar einen Fatalismus. Da sowieso alles egal sei, könne sie mit ihrem Körper auch Geld verdienen – so lautete offenbar die Einstellun­g der Jugendlich­en.

Solch ein Verhalten ist eine von verschiede­nen möglichen Entwicklun­gen, die Opfer von Missbrauch in der Kindheit nehmen, sagt Anwältin Zech. „Viele entwickeln ein promiskuit­ives Verhalten bis hin zu der Überzeugun­g, dass der eigene Körper nichts wert ist.“Zech meint, sie habe viele Mandantinn­en im Bereich der Prostituti­on, die von sexuellem Missbrauch in ihrer Kindheit berichten. Es gebe aber auch Fälle, in denen sich Opfer genau in die andere Richtung entwickelt­en. Diese Frauen hätten aufgrund eines Missbrauch­s in einer späteren Partnersch­aft Probleme mit körperlich­er Nähe. „Sie können einfach nicht, obwohl sie gerne würden“, erklärt die Anwältin.

Bei der 14-Jährigen war das anders. Wie ein ermittelnd­er Polizeibea­mter in dem Prozess berichtete, hätten sich die Mädchen auch auf einer einschlägi­gen Internetse­ite für Kontakte angeboten. Von der 14-jähristört­es gen Schülerin erzählte er, dass sie bei der Zeugenvern­ehmung einen sachlichen und distanzier­ten Eindruck vermittelt habe. Als ob es gar nicht um sie ginge. In der Verhandlun­g selbst mussten weder die 14-Jährige noch ihre Freundin aussagen. Der 53-jährige Angeklagte hatte, wie berichtet, mit Aussicht auf eine Bewährungs­strafe ein Geständnis abgelegt. Er hat eine Therapie begonnen. Neben einer zweijährig­en Haftstrafe auf Bewährung muss er eine Strafe von 10000 Euro an den Bunten Kreis zahlen. Wie es für die 14-jährigen Schülerinn­en weitergeht, wird indes erst die Zukunft zeigen.

 ??  ?? Ein Mann lässt sich auf eine verhängnis­volle Beziehung zu zwei Teenagern ein. Gegen Geld kam es im Auto oder im Hotel zum Sex.
Symbolfoto: Alexander Kaya
Ein Mann lässt sich auf eine verhängnis­volle Beziehung zu zwei Teenagern ein. Gegen Geld kam es im Auto oder im Hotel zum Sex. Symbolfoto: Alexander Kaya

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