Nur Tokio oder geht es um mehr?
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sommerspiele exakt ein Jahr später stattfinden werden, ist groß. Kritiker wollen die Verschiebung nutzen, um Allgemeines im IOC zu ändern
New York/Tokio Die Olympischen Spiele in Tokio werden wohl zur gleichen Zeit im Sommer nächsten Jahres ausgetragen. Nach Berichten aus Japan und den USA könnte der Neustart mit einer Eröffnungsfeier am 23. Juli 2021 erfolgen. Die Schlussfeier wäre demnach am 8. August. Die wegen der Corona-Krise abgesagten Spiele waren ursprünglich für den 24. Juli bis 9. August 2020 geplant.
Für den Deutschen Olympischen Sportbund wäre ein Sommer-Termin willkommen. „Die Verschiebung um genau ein Jahr wäre eine sehr gut nachvollziehbare Entscheidung“, sagte DOSB-Chef Alfons Hörmann. Auch Tischtennis-Weltverbandspräsident Thomas Weikert hält den Sommer-Zeitpunkt für annehmbar. „Es ist aber alles andere als ideal“, sagte er. Weikert hatte das Frühjahr 2021 präferiert, da vom 17. bis 26. Juni die WM im Tischtennis-Einzel nach Houston/ USA vergeben wurden. „An diesem Termin werden wir nichts mehr ändern“, sagte er.
Das Internationale Olympische Komitee und die Organisatoren in
„Man sollte überlegen, ob man diesen Gigantismus herunterfährt.“
Olympiasiegerin Heide Ecker-Rosendahl
Tokio hätten sich auf den Termin im nächsten Sommer geeinigt, berichtete die New York Times. Die Paralympics würden demnach vom 24. August bis zum 5. September stattfinden. Eine Bestätigung dafür gab es nicht. Das IOC teilte am Sonntag mit, dass dies „Spekulationen“seien.
Allerdings deuten die Äußerungen des Präsidenten des japanischen Organisationskomitees darauf hin, dass ein von IOC-Präsident Thomas Bach nicht ausgeschlossener Austragungszeitraum im Frühjahr 2021 – wegen der weitaus kürzeren Vorbereitungszeit – wohl keine Rolle mehr spielt. „Die Spiele sollen im Sommer stattfinden, daher sollten wir an eine Zeit zwischen Juni und September denken“, zitierte die japanische Nachrichtenagentur Kyodo den OK-Chef Yoshiro Mori.
Die japanischen Organisatoren hoffen zusammen mit dem IOC und der Metropol-Regierung in Tokio, bis Ende der Woche eine Entscheidung treffen zu können. Das Exekutivkomitee des Tokio-OK trifft sich am Montag zu einer Sitzung. Das IOC hatte am Donnerstag bei einer Telefonkonferenz mit den 33 internationalen Sportverbänden über einen neuen Termin beraten.
Einige Sportverbände hatten Olympia im Frühling vorgeschlagen, auch um der Sommerhitze aus dem Weg zu gehen. Die Kritik an der Austragung der Spiele in den extrem heißen Monaten Juli und August hätte bereits Konsequenzen für die in diesem Jahr vorgesehenen Spiele gehabt. Die Marathon-Rennen der Männer und Frauen wären in Sapporo, wo milderes Klima herrscht, gelaufen worden.
Unterdessen dürften die zusätzlichen Kosten für die Verschiebung zum Streitthema werden. In einem Schreiben an die 33 Weltverbände hat Mori ausdrücklich auf die finanziellen Auswirkungen hingewiesen. „Die Entscheidung, wer diese Kosten tragen wird und wie dies geschehen soll, wird eine große Herausforderung sein“, schrieb er. Die Zusatzkosten werden auf zwei bis drei Milliarden Dollar geschätzt. Eine Beteiligung der Weltverbände lehnt Weikert strikt ab: „Das sehe ich überhaupt nicht. Wir sind Teilnehmer der Spiele.“
Bei der Kritik am Krisenmanagement des IOC und seines Präsidenten im Zuge der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Sommerspiele dürfte es nicht bleiben. Inzwischen werden immer mehr Forderungen nach Reformen und Strukturänderungen im IOC und in Bezug auf das Format Olympischer Spiele laut. So forderten die Athletensprecher Hayley Wickenheiser und Max Hartung Veränderungen im IOC und zugleich mehr Mitspracherecht der Sportler. „Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem wir unser Business verändern können“, sagte die viermalige Eishockey-Olympiasiegerin Wickenheiser aus Kanada. Auch Säbelfechter und AthletenAktivist Hartung sieht Handlungsbedarf. „Ich glaube, dass das IOC sich verändern sollte und dass man auch die Struktur verändern sollte“, meinte der 30-Jährige.
Dies wünscht sich auch die einstige Weltklasse-Leichtathletin Heide Ecker-Rosendahl. „Ich sehe eine Chance, das Konzept der Olympischen Spiele zu überarbeiten und zu verändern“, sagte die DoppelOlympiasiegerin von 1972. „Man sollte überlegen, ob man diesen Gigantismus herunterfährt.“