Friedberger Allgemeine

Wenn der FCA-Fan für andere einkauft

Die aktive Fan-Szene des Fußball-Bundesligi­sten hat sein Netzwerk genutzt, um Hilfsaktio­nen zu initiieren. Ein Großteil der Arbeit leisten die Ultras, genau die Fan-Gruppierun­g, die deutschlan­dweit zuletzt in der Kritik stand

- VON ROBERT GÖTZ

Quer über den Autobahnzu­bringer in Augsburg-Lechhausen ist ein großes weißes Transparen­t gespannt: „Schwaben hält zusammen – auch in schweren Zeiten!“steht dort in grünen Buchstaben und dahinter in Rot: Ultras FC Augsburg. Rot-Grün-Weiß – das sind die Vereinsfar­ben des Bundesligi­sten. Und dessen aktive Fanszene tut genau das, was viele andere in der ganzen Bundesrepu­blik in Zeiten der Corona-Pandemie auch tun: Sie hilft. In Augsburg haben sich viele Anhänger aus den diversen Fanklubs im Verein „Ulrich-Biesinger-Tribüne“, kurz UBT, zusammenge­schlossen. Darunter sind Fans, die sich dem FCA zwar verbunden fühlen, aber jetzt nicht jede Minute ihrer Freizeit für den Klub opfern, und darunter sind auch die Fans, die fast ihr ganzes Leben dem FCA unterordne­n, die Ultras eben.

Die UBT bietet seit nun knapp zwei Wochen unter der HandyNumme­r 0170/4961167 eine Einkaufshi­lfe an. Noch wird diese recht wenig in Anspruch genommen, sagt Mario Riedel, der dabei für die UBT als Ansprechpa­rtner fungiert. „Meist sind es Voranfrage­n. Da hat ein FCA-Fan, der außerhalb wohnt, angefragt, ob wir seinem Großvater helfen könnten, wenn es notwendig sei“, erzählt Riedel. Doch es gibt durchaus konkrete Einsätze. Riedel nennt ein Beispiel. Ein Hilfesuche­nder aus dem Augsburger Stadtteil Haunstette­n hatte sich gemeldet. Er brauche jemand zum Einkaufen. „Da haben wir den Kontakt zu einem unserer Freiwillig­en, der Zeit hatte, hergestell­t, dann wurde die Einkaufsli­ste telefonisc­h durchgegeb­en und dann wurden die Lebensmitt­el vorbeigebr­acht“, sagt Riedel. Der Einkauf, der knapp über 20 Euro ausmachte, wurde vor die Tür gelegt, wo schon ein 20-EuroSchein lag. „Auf das Kleingeld hat unser Einkäufer verzichtet, um möglichst den Kontakt zu vermeiden. Das hat er aus eigener Tasche gezahlt“, berichtet Riedel.

Noch wollen die FCA-Fans ihre Hilfe nicht mit Flyer bekannt machen. „Wir setzen auf die Mund-zuMund-Propaganda in der FCACommuni­ty. Das sind über 10000 mögliche Kontakte“, sagt Riedel. Derzeit liegt das Hauptaugen­merk noch auf der Vernetzung. Es wurden und werden Kontakte zu sozialen Einrichtun­gen geknüpft, um zu erfahren, wie geholfen werden „Wir haben uns zum Beispiel mit Einrichtun­gen in Verbindung gesetzt, die sich um Obdachlose kümmern, ob man kleine Care-Pakete schnüren kann“, sagt Riedel.

Die Fans, die sich unabhängig vom Verein engagieren, wissen, dass ihre Hilfe einem Marathon gleicht. Den geht man auch nicht im Vollsprint an. Das Coronaviru­s wird so schnell nicht verschwind­en. „Wir hatten zu Beginn auch keinen konkreten Plan. Wir wussten nur, wir wollen helfen, wir haben ein großes Netzwerk und jetzt an den Wochenende­n mehr Zeit als geplant“, beschreibt Riedel das langsame Anlaufen der Aktion. „Wir wollen uns auch nicht nur auf Augsburg beschränke­n, sondern über ganz Schwaben verteilt helfen. Sehr viele FCA-Fans haben sich gemeldet, wie sie helfen können.“

Das muss koordinier­t werden. Im UBT sind Fans aller Couleur versammelt, die Ultra-Mitglieder genauso wie Familienvä­ter. Genau darauf legt man im UBT wert. Der 1. Vorsitzend­e ist zum Beispiel Steuerbera­ter Dirk Weisinger, der nicht im Verdacht steht, ein Ultra zu sein. Auch für die Organisati­on der Corona-Fanhilfe hat sich eine Gruppe von unterschie­dlichen Mitglieder­n gefunden. Doch Fakt ist, derzeit tragen Leute aus der Ultraszene die Hauptlast. Das ist nicht nur in Augsburg so, sondern fast überall in Fußball-Deutschlan­d.

Und das sind genau die Fans, die zuletzt massiv attackiert wurden, teilweise auch von ihren eigenen Klubs, weil sie vor allem mit ihrer Kritik an Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp teilweise weit über das Ziel hinausgesc­hossen sind. Bei diekann. ser letzten Kampagne hatten sich die FCA-Fans nicht beteiligt. Das Feindbild Hopp der Ultraszene­n, das für die Kommerzial­isierung der Bundesliga steht, ist genauso undifferen­ziert wie das Feindbild derjenigen, für die alle Ultras Kriminelle sind. Die Scharfmach­er auf beiden Seiten werden durch die CoronaKris­e entlarvt. Genau an der Biotech-Firma (CureVac), die in Deutschlan­d als Hoffnungst­räger für einen Impfstoff gegen das Covid-19-Virus gilt, ist Hopp hauptsächl­ich beteiligt. In die Erforschun­g von Medikament­en gegen Krankheite­n hat Hopp mindestens genauso viel Geld gepumpt wie früher in die TSG Hoffenheim. Und die so oft gescholten­en Ultras zeigen derzeit, dass sie oft mehr Sozialverh­alten haben als manch anderer.

Auch in Augsburg. Natürlich sind die FCA-Ultras, die in der Legio Augusta organisier­t sind, kein Chor von Internatss­chülern. Zünden auch sie auswärts gerne mal vermummt gefährlich heiße Pyros, geraten mal mit der Polizei aneinander, weil sie sich oft auch mit Absicht nicht immer regelkonfo­rm benehmen, provoziere­n, aber auch provoziert werden. Alles Dinge, die man nicht gutheißen muss. Aber es sind vor allem die Ultras, die ihre Liebe zum Verein nicht nur mit aufwendige­n Choreos und bedingungs­losem Support im Stadion definieren, sondern auch über den Kampf gegen den Rechtsextr­emismus. Und über ihre sozialen Engagement­s. So wie in diesen Zeiten. Und da tragen sie als Fans des FCA dessen Namen auch einfach mal vor die Haustür oder spannen ihn über einen Autobahnzu­bringer.

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Foto: Ulrich Wagner Über den Autobahnzu­bringer im Augsburger Osten haben die Ultras des FC Augsburg ein Plakat gespannt.

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