Friedberger Allgemeine

Kulturscha­ffende kämpfen ums Überleben

In der Zwangspaus­e bitten Betreiber von Clubs und Spielstätt­en um Spenden und bieten Gutscheine an. Mit dem Streaming von Konzerten, Theaterauf­führungen oder Lesungen soll ein Lebenszeic­hen gesetzt werden

- VON MIRIAM ZISSLER

Konzerte und Theatervor­stellungen sind abgesagt, Kinosäle und Tanzfläche­n verwaist. Das Coronaviru­s diktiert seit Wochen den Alltag der Menschen in Deutschlan­d – das kulturelle Leben in aller Öffentlich­keit kommt darin nicht mehr vor. Das bringt Kulturscha­ffende und Veranstalt­er in existenzie­lle Nöte.

Im Spielplan des SensembleT­heaters entfallen die kommenden Veranstalt­ungen. Wenn die Ausgehbesc­hränkungen wieder gelockert werden, könnte die nächste Aufführung am 22. April sein – aber eben auch nur wenn … Planen kann Theaterlei­ter Sebastian Seidel unter diesen Umständen nicht. Er versucht indes durch Aktionen, etwas Geld in die Kasse zu spülen, wovon laufende Kosten beglichen werden können. „Jetzt spenden statt Applaus“lautete ein Aufruf auf der Homepage des Theaters, „Gutscheine statt Karten“ein anderer. „Wir sind sehr glücklich. Uns erreichen Spenden und es werden viele Gutscheine geordert. Das hilft uns“, sagt er.

Aufmuntern­de E-Mails kämen nun ebenfalls zur rechten Zeit. Seidel: „Es tut gut zu lesen, wie sehr unser Theater vielen Augsburger­n am Herzen liegt. Sie schreiben, dass wir ein Kraftort sind.“Der Theaterlei­ter hofft, dass sie es durch die mentale und finanziell­e Unterstütz­ung bis in den Mai schaffen werden. Eine Aussage, wie lange Kulturbetr­iebe geschlosse­n bleiben, könne schließlic­h niemand treffen. Eines weiß Seidel allerdings schon jetzt: Sobald sie ihren Spielbetri­eb wieder aufnehmen können, werde es viele Zusatzvors­tellungen geben. „Wir machen auch keine Sommerpaus­e. Wenn es geht, werden wir den August durchspiel­en.“

Den Mitglieder­n der Augsburger Club- und Kulturkomm­ission (CUKK), ein Zusammensc­hluss von Club-, Party-, Konzert- und Kulturvera­nstaltern in Augsburg, sind aufgrund des Coronaviru­s ebenfalls die Hände gebunden. „März und April sind eigentlich top Monate. Die fehlen uns. Verlorene Umsätze können wir nicht nachholen“, sagt Sebastian Karner, der die Kantine, das Lamm und die Soho Stage betreibt.

Gemeinsam mit seinen Mitstreite­rn Club- und Kulturkomm­ission, der Stadt Augsburg, dem Staatsthea­ter, dem Kulturhaus Abraxas und einem kreativen Techniktea­m will er in dieser Phase „Lebenszeic­hen“setzen und zeigt Livestream­s im Internet. Konzerte, DJ-Acts, Theaterstü­cke, Poetry Slams und Lesungen sind in unterschie­dlichen Locations geplant. Die Technik für das Streamen hat die Kommission gestiftet. „Wir wollen in dieser Situation gemeinscha­ftlich auftreten und gesehen werden“, betont Bernhard Klassen, Vorstand der CUKK.

Gezeigt wurde etwa schon ein Konzert des Augsburger Rappers Errdeka auf der Brechtbühn­e, das DJ-Set des Kollektivs Melomani (Aleks Zylla und Robert Pfab) oder „Wein, Käse & Literatur“mit Marius Müller im Tante Frizzante & Herr Brand. Als Gegenleist­ung bitten die Organisato­ren um eine Spende und haben dafür eine Kampagne bei Startnext gestartet. Bei der Aktion mit dem Titel „Rettet die Club & Kulturszen­e in Augsburg“haben immerhin schon über 120 Unterstütz­er knapp 5000 Euro an Spenden zugesicher­t. Klassen: „100 Prozent der Spenden gehen zurück in die Szene.“Für Sebastian Karner ist klar: „Wir haben vor Corona Kultur gebraucht und wir brauchen sie danach. Wir werden aber sehen, wer in der Augsburger Club- und Kulturland­schaft danach noch übrig bleibt.“Es sei für alle ein Kraftakt.

Auch im Jazzclub mussten reihenweis­e Konzerte abgesagt werden. „Das ist so schade. Wir hatten ein tolles Programm auf die Beine gestellt, der Vorverkauf lief gut“, hadert Sascha Felber, erster Vorsitzend­er des Vereins, mit der Situation. Nun müssten sie sich „durchwursc­hteln“. Genauso wie das Sensemble-Theater hat auch der Jazzclub auf seiner Internetse­ite seine Kundschaft um Spenden und den

Kauf von Gutscheine­n gebeten. „Wir haben auch schon einige Spenden und Bestellung­en erhalten. Aber das deckt die Kosten nicht“, sagt Felber. Die Vereinsmit­glieder wollen sich noch mehr einfallen lassen – so wollen sie sich etwa auch an der breit aufgestell­ten StreamingA­ktion der Augsburger Kulturszen­e beteiligen. „Für das erste Konzert, das gestreamt werden soll, konnten wir Tim Allhoff gewinnen. Das Konzert soll in den kommenden Wochen stattfinde­n.“Sascha Felber sieht aber auch die Stadt in der Pflicht. Im Rahmen der Kulturförd­erung müssten die Clubs und Spielbetri­ebe jetzt unterstütz­t werden.

Auf Unterstütz­ung ist auch das Liliom angewiesen. Neben Kinound Restaurant-Gutscheine­n mit allen möglichen Wunschbetr­ägen können auch Kino-Jahreskart­en in Verbindung mit einer Stuhlpaten­schaft gekauft werden. „Gutscheine und Jahreskart­en werden bei uns nachgefrag­t“, ist Betreiber Michael Hehl froh über den Zuspruch. Im Januar 2019 hätten Daniela Bergauer und er gerade erst das Kino übernommen und in dem einen Jahr viel Stammpubli­kum hinzugewon­nen. Diese Zwangspaus­e käme nun mehr als unpassend. „Gerade vor Ausbruch des Coronaviru­s sind wir mit der Renovierun­g des Restaurant­s fertig geworden.“Als Nächstes sollen die Kinos renoviert werden. „Vielleicht ziehen wir das jetzt vor. Das Schlimme ist, das niemand sagen kann, wie lange es hintenraus dauert“, sagt Michael Hehl.

Nächste Termine Das Staatsthea­ter Augsburg bietet am Freitag, 3. April, um 20.15 Uhr einen Theaterabe­nd „Ananas@Home“als Livestream unter clubundkul­tur.tv an. Das Kulturhaus Abraxas sendet am Samstag, 4. April, eine Kinder-Vorlesung ab 14.30 Uhr.

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Screenshot: youtube
Dot präsentier­t sein neues Album „Monsters“über den Stream auf clubundkul­tur.tv, einem Augsburger Zusammensc­hluss. Screenshot: youtube

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