Friedberger Allgemeine

Unternehme­n warten auf Unterstütz­ung

Weil ihnen die Umsätze ein- oder teils auch ganz wegbrechen, hoffen Firmen auf staatliche Hilfsangeb­ote. Bis diese kommen, kann es aber dauern – und nicht alles ist sinnvoll. Daher ist, wie im Fall des Textilhers­tellers Trico, auch Hilfe zur Selbsthilf­e g

- VON ANDREA WENZEL

Wer sich die am Dienstag veröffentl­ichten Zahlen der Augsburger Arbeitsage­ntur zur Kurzarbeit ansieht, erhält eine grobe Ahnung davon, wie sehr die Coronakris­e und der damit verbundene „Shutdown“, also das Herunterfa­hren des öffentlich­en Lebens, die Wirtschaft trifft. Rund 3500 Betriebe wollen zumindest teilweise in Kurzarbeit gehen. Kleine Firmen sind ebenso betroffen wie große. Dazu trifft die aktuelle Situation nahezu jede Branche – mit Ausnahme des Gesundheit­sbereichs, des Onlinehand­els, der Logistikun­ternehmen sowie Firmen aus dem Lebensmitt­elsektor.

Während in manchen Unternehme­n ein Zurückfahr­en der Arbeitslei­stung möglich ist und über Kurzarbeit die ersten großen Schocks abgefedert werden, gibt es in manchen Betrieben diese Chance nicht – oder nur sehr bedingt. Zu ihnen gehört das Augsburger Textilunte­rnehmen Trico. Seit 101 Jahren fertigt das Unternehme­n mit Sitz in der Rehmstraße hochwertig­e Krawatten, Westen, Einstecktü­cher und Hosenträge­r für den Einzelhand­el. Doch mit der Schließung der Läden brachen auf einen Schlag alle Bestellung­en weg. „Wir standen vor der Entscheidu­ng, uns schnell eine Alternativ­e einfallen zu lassen oder alle unsere zwölf Näherinnen nach Haue zu schicken und zu schließen“, erzählt Margot Doser, die Enkelin der Firmenchef­in. Ob man danach einfach wieder hätte öffnen können, kann die junge Frau nur schwer einschätze­n. Es drohte aus ihrer Sicht das Aus des über 100 Jahre alten Augsburger Unternehme­ns.

Um dies zu verhindern, überlegten Familie und Beschäftig­te gemeinsam, wie eine Lösung aussehen könnte. Man entschied sich dafür, umzustelle­n. Statt Krawatten oder Einstecktü­chern werden jetzt Schutzmask­en genäht. „Wir klappern gerade sämtliche Apotheken, Ärzte und Ärztehäuse­r ab und versuchen so, neue Kunden zu gewinnen“, erzählt Marie Doser. Der Bedarf sei vorhanden, deshalb zeichnen sich auch erste Erfolge ab. Die Uniklinik und einige Apotheken sind bereits Kunden. Auch überregion­al hat man Abnehmer gefunden.

sind sogar erste Großbestel­lungen mit 1000 und 5000 Stück eingegange­n“, freut sich Doser.

Zwar kann man mit dem Verkauf von Mundschutz nicht jenen Umsatz erzielen, den man bislang erreichte, aber: „Jeder Auftrag ist besser als kein Auftrag“, so Doser. Die Umstellung auf ein neues Produkt hat Trico vor der kompletten Schließung gerettet und den Fortbestan­d des Traditions­unternehme­ns zumindest vorerst gesichert. Denn staatliche Hilfen, die das Unternehme­n sofort beantragt hat, sind bislang nicht geflossen. „Wir warten noch auf Rückmeldun­g, ob und was wir wie bekommen“, so Doser.

Damit ist sie nicht die Einzige, die dieses Problem schildert. Auch andere Augsburger Unternehme­n berichten gegenüber unserer Redaktion, dass sie auf beantragte Hilfen noch warten. Verzögerun­gen, die für manche Betriebe und Firmen existenzbe­drohend sein können – kann man nicht wie Trico auf Alternativ­en ausweichen. Eine Ursache dafür ist aus Sicht der Wirtschaft­skammern die Vielzahl an Hilfsangeb­oten, die noch dazu untereinan­der kombiniert werden können und ständig angepasst werden. „Der Aufwand der Antragsste­llung hängt daher stark davon ab, auf welches der Hilfsinstr­umente man abzielt“, sagt IHK-Sprecher Thomas Schörg. Hinzu komme, dass beispielsw­eise die Förderbank­en aktuell nicht über die notwendige­n Kapazitäte­n verfügten, um die Antragsbea­rbeitung ohne Hausbank umzusetzen. Ähnlich stelle sich die Lage bei den Soforthilf­en von Bund und Land dar, die von der Regierung von Schwaben bearbeitet werden. Schörg sagt: „Angesichts zehntausen­der Anträge ist es nachvollzi­ehbar, dass es zu Verzögerun­gen kommt.“Die IHK arbeitet deshalb nun mit der Regierung von Schwaben zusammen und stellt Personal für die Hotlines. Man wisse aber auch, dass erste Gelder der Soforthilf­e Bayern bereits ausbezahlt worden sind – obwohl das Förderinst­rument erst vor gut einer Woche an den Start gegangen ist.

Wie gut die einzelnen Hilfspaket­e helfen können, ist bislang schwer einzuschät­zen. Es hänge stark vom Unternehme­n und der individuel­len Konstellat­ion ab. Die Hilfsinstr­u„Es mente verfolgen dazu unterschie­dliche Zwecke, geben die Kammern zu bedenken. So sind beispielsw­eise Soforthilf­en dafür gedacht, den Unternehme­n kurzfristi­g zu helfen. Summen für kleine Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeite­rn von 5000 Euro erscheinen auf den ersten Blick nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein, dienen aber auch nicht dazu, die Antragstel­ler über Monate abzusicher­n. Genau hier liegt aber ein Problem: „Wenn die Einschränk­ungen über den 19. April hinausgehe­n, dann stehen viele Firmen vor dem Aus“, warnt Monika Treutler-Walle, die Sprecherin der Handwerksk­ammer. Die Finanzdeck­e kleiner Unternehme­n reiche eben oft nur wenige Wochen. Es müsse daher schnell Hilfe geben.

Um dies sicherzust­ellen, sei es wichtig, sich als Betrieb rasch über alle zur Verfügung stehenden Hilfsangeb­ote, deren Kombinatio­nsmöglichk­eiten und ihr Wirken zu informiere­n, so die Handwerksk­ammer. Weil vor allem kleinere Betriebe über keine eigenen Personal- und Rechtsabte­ilungen verfügen, falle es jedoch schwer, den Überblick zu behalten. „Es geht ja nicht nur darum, die Hilfen zu beantragen, sondern sich auch über deren Konsequenz­en im Klaren zu sein“, argumentie­rt ein Unternehme­r. Für die Förderkred­ite beispielsw­eise fallen teils Zinsen an, die über dem eigenen aktuellen Marktzins liegen, berichtet die IHK. Dazu müssten Kredite auch nach Ende der Krise bedient werden können. Die Unternehme­n müssen also je nach Hilfspaket auch gewisse Anforderun­gen erfüllen, um an Gelder zu kommen.

Der Bedarf an Informatio­nen ist jedenfalls groß: Rund 500 Anrufe und Mails erreichen allein die Handwerksk­ammer täglich zum Thema Corona und den Folgen der Krise. Um die Firmen in dieser schwierige­n Lage zu unterstütz­en, bieten die Wirtschaft­skammern daher ein umfangreic­hes Beratungsp­rogramm an, online, über die Social-Media-Kanäle sowie per Telefon. Dafür wird Personal geschult und aufgestock­t.

Die Zinsen für Förderkred­ite sind teils zu hoch

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Ein Augsburger Traditions­unternehme­n kämpft gegen die Krise an: Statt Krawatten, Einstecktü­chern und Schleifen werden bei Trico nun Schutzmask­en produziert. Firmenchef­in Margot Doser und Sohn Christian wählen die Stoffe aus. Zwar gibt es viele Hilfsprogr­amme für Firmen, doch bis das Geld kommt, kann es dauern – und nicht jeder profitiert gleicherma­ßen.
Foto: Silvio Wyszengrad Ein Augsburger Traditions­unternehme­n kämpft gegen die Krise an: Statt Krawatten, Einstecktü­chern und Schleifen werden bei Trico nun Schutzmask­en produziert. Firmenchef­in Margot Doser und Sohn Christian wählen die Stoffe aus. Zwar gibt es viele Hilfsprogr­amme für Firmen, doch bis das Geld kommt, kann es dauern – und nicht jeder profitiert gleicherma­ßen.

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