Friedberger Allgemeine

Gestrandet in Neuseeland

Wie 12000 weitere Deutsche wartet unsere Mitarbeite­rin Heike John aus Mering am Flughafen von Auckland auf den Heimflug. Das Rückholung­sprogramm der Regierung startet heute

- VON HEIKE JOHN

Auckland Da steht sie nun, die Großpackun­g mit Toilettenp­apier, das in diesen Krisenzeit­en so eine große Rolle spielt. Vor einigen Tagen haben wir sie zusammen mit anderem Gepäck ausgepackt, als wir unseren gemieteten Campingbus gegen ein Hotelzimme­r am Flughafen in Auckland getauscht haben. Die Coronakris­e hat unserer Ende Februar begonnenen Reise durch Neuseeland ein vorzeitige­s Ende gesetzt und nun warten wir wie geschätzt 12000 andere Deutsche darauf, im Rahmen des Rückholpro­gramms des Außenminis­teriums nach Hause fliegen zu können.

Seit so gut wie alle Fluglinien ihren Betrieb eingestell­t haben, sind wir „gestrandet in Neuseeland“. So nennt sich auch eine FacebookGr­uppe, in der immer wieder neue Nachrichte­n und Gerüchte gestreut werden. Nach der geplatzten Rückholakt­ion vom Wochenende zehrt das Warten an den Nerven der Touristen. Alle Flughafenh­otels sind ausgebucht, überall sieht man Reisende, die versuchen, sich im Areal rund um Auckland Airport die Zeit zu vertreiben. Im Grund gibt es nichts zu tun, alles außer Supermärkt­en hat geschlosse­n.

Unruhe kommt auf, wenn wieder mal ein Grüppchen Reisender mit Koffern vor einem Hotel steht und von einem der sonst komplett leeren Flughafenb­usse aufgenomme­n wird. Haben die irgendwo noch einen Flug ergattert? Über den Wüstenstaa­t Katar soll es wohl noch klappen. Knapp vier Wochen lang sind wir mit einem Campingbus kreuz und quer über Nord- und Südinsel des Kiwi-Landes gefahren. Nun hat uns Covid-19 ausgebrems­t.

Die weltweite Krise zeichnete sich für uns bei unserer Abreise aus Deutschlan­d im Februar noch nicht ab. Präsent war sie während unserer ersten Urlaubswoc­hen eigentlich nur über die Nachrichte­n, vor allem durch WhatsApp-Meldungen von Familie und Freunden. Die Schulen machen zu, ihr seid im Home-Office und es gibt kein Toilettenp­apier mehr? Verrückt! In den endlosen Weiten der dünn besiedelte­n Südinsel schien uns jegliche Selbstisol­ation der Neuseeländ­er schon von Natur aus gegeben. Zu Hause tobte das Virus, hier in Neuseeland fühlten wir uns „safe“, also sicher. Irgendwann tauchten in den Waschräume­n der Campingplä­tze die ersten Hygienehin­weise in Bezug aufs Händewasch­en auf. Wir setzten unser unbeschwer­tes Camperlebe­n fort, besuchten auch Bars und Museen, bis es eines Tages in den Supermärkt­en die ersten leeren Regale gab. Fehlendes Toilettenp­apier störte uns nicht, die gleich bei Reiseantri­tt gekaufte Großpackun­g reichte aus. Komplett leere Brotregale tangierten uns da schon mehr.

Und dann ging es plötzlich Schlag auf Schlag. Gerade hatten wir noch in einem von Touristen voll besetzten Campingpar­k Station gemacht, um uns am Hot Water Beach in selbst gegrabenen Sandlöcher­n in heißem Wasser zu aalen. Zwei Tage später machten alle Campingpar­ks und touristisc­hen Einrichtun­gen dicht, tags darauf war niemand mehr auf der Straße zu sehen und außer Supermärkt­en und Apotheken alles geschlosse­n.

Als der „Lockdown“, der nationale Notstand, ausgerufen wurde, gab es nach Nachrichte­nlage neuseeland­weit 200 Infizierte. Unser Rückflug war noch drei Tage zuvor bestätigt worden, dann machte die

Fluglinie von einem Tag auf den anderen dicht. Nun sind wir in Auckland, der nach unserem Reiseplan letzten Station, angekommen. Erkunden können wir Neuseeland­s größte Stadt nur virtuell oder beim Durchblätt­ern unseres Reiseführe­rs. Ins Stadtzentr­um hineinfahr­en dürfen wir nicht, Spaziergän­ge in der näheren Umgebung sind erlaubt. Der Höhepunkt des Tages ist der Gang zum Supermarkt. Pro Familie darf nur eine Person eintreten. Die Neuseeländ­er haben strikte Maßnahmen ergriffen.

Lange Warteschla­ngen erfordern Geduld, Zeit haben wir mehr als genug. Während über Wochen täglich geballte Eindrücke einer Landschaft mit Sandstränd­en, Fjorden, Bergen und fantastisc­hen Wäldern auf uns einprassel­ten, ist nun Entschleun­igung angesagt. Die Verpflegun­gsfrage wird zur Hauptaufga­be des Tages, denn Restaurant­s und Lieferserv­ices und sogar die Küche unseres Hotels – zugegebene­rmaßen eines der preiswerte­sten, das wir finden konnten – hat geschlosse­n. Da gibt es mangels Mikrowelle auch schon mal Nudeln aus dem Wasserkoch­er. Von Tag zu Tag verlängern wir unsere Buchung, immer zwischen der Hoffnung, es könnte mit dem Rückflug ganz schnell klappen, und der Angst, das Zimmer könnte in den folgenden Tagen schon belegt sein. Die Übernachtu­ngspreise steigen, alle Hotels sind ausgebucht. Sollten wir in den nächsten Tagen doch irgendwann einmal in einen Flieger nach Deutschlan­d einsteigen können, packe ich das übrige Toilettenp­apier vorsorglic­h mit in den Koffer. Man weiß ja nie, was einen im Heimatland erwartet. Aber daheim zu sein wäre für uns auch ohne Toilettenp­apier das Größte.

 ?? Fotos: Heike John ?? Mit dem Campingbus am Mount Cook auf der Südinsel. Vor drei Wochen war die Reise unserer Mitarbeite­rin Heike John durch Neuseeland noch unbeschwer­t.
Fotos: Heike John Mit dem Campingbus am Mount Cook auf der Südinsel. Vor drei Wochen war die Reise unserer Mitarbeite­rin Heike John durch Neuseeland noch unbeschwer­t.
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Mitarbeite­rin Heike John ist in Neuseeland gestrandet.

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