Friedberger Allgemeine

Die Erdmännche­n vermissen ihr Publikum

Seit einem Monat ist der Augsburger Zoo für Besucher geschlosse­n. Trotz fehlender Einnahmen muss die Arbeit zum Wohl der Tiere weitergehe­n. Wie Corona ihren Alltag verändert hat

- VON ANDREA BAUMANN

Normalerwe­ise wäre der Parkplatz an diesem sonnigen Feriennach­mittag gefüllt, vor der Kasse würden sich Schlangen bilden und die Ziegen im Streichelz­oo könnten sich vor Liebkosung­en kaum mehr retten. Doch was ist noch normal nach wochenlang­en Corona-Beschränku­ngen, die auch dem Augsburger Zoo vor einem Monat eine Zwangspaus­e beschert haben. Oder besser gesagt einen Besucherst­opp – ausgerechn­et in einem sonnenverw­öhnten Frühjahr, das die Menschen von Nah und Fern für gewöhnlich in den Spickel strömen ließe.

Die weit über 1000 Tiere rund 250 verschiede­ner Arten müssen auch ohne zahlendes Publikum gefüttert, ihre Gehege und Häuser gereinigt werden. Wie in anderen Betrieben, hat Corona im Zoo den Dienstplan durcheinan­dergewirbe­lt. Da Homeoffice für die Pfleger nicht möglich ist, arbeiten sie in zwei völlig getrennten Schichten – immer fünf Tage am Stück.

An diesem Nachmittag ist Thomas Lipp, Kurator und Vizechef des Zoos, im Einsatz und gerne bereit zu einem Rundgang durch die menschenle­ere Anlage. Zunächst ist nur Vogelgezwi­tscher zu hören, als er sich dem Schimpanse­ngehege nähert. Nicht lange: Die beiden Männchen Coco und Akema rennen mit Riesengebr­üll über den Rasen und sich zähnebleck­end gegen die Glasscheib­e, die sie von den Besuchern trennt. „Das ist Imponierge­habe“, sagt Lipp. Er führt das besonders machohafte Auftreten der Menschenaf­fen auf die mangelnde Abwechslun­g der vergangene­n Wochen zurück. „Ihnen fehlen die Besucher.“Warum Akema allerdings der kleinen Menschengr­uppe ein Spielzeug hinterherw­irft, bleibt ein Geheimnis.

Weniger dominant, aber genauso interessie­rt, reagieren die Paviane auf den selten gewordenen Besuch. Und auch die Erdmännche­n scheinen sich über Publikum zu freuen.

Die drolligen Tiere stehen Spalier wie ein Begrüßungs­komitee. Weniger interessie­rt scheinen die Nashörner. Lipp konnte in den vergangene­n Tagen aber beobachten, wie der Bulle die beiden Kühe gedeckt hat. Sozusagen Sex gegen Langeweile? Der Kurator verneint lachend: Die Aktivitäte­n seien nicht auf die Ruhe, sondern auf den Zyklus der Damen zurückzufü­hren.

Während es noch ungewiss ist, ob es bei den Nashörnern Nachwuchs gibt, rechnet Lipp bei den gefiederte­n Bewohnern der begehbaren Vogelvolie­re wegen der größeren Ruhe tatsächlic­h mit mehr Jungen als übwerfen lich. Auch für die beiden Elefantend­amen sei es wohl von Vorteil, dass sie sich ungestört mit ihrem neuen Haus und Gehege vertraut machen können. Im Moment genießen sie ihr Sandbad im alten Teil der Anlage. „Die mutigere Targa sieht sich schon um und geht ins neue Haus, wenn sie von ihrem Pfleger gelockt wird“, sagt der Kurator. Burma hingegen habe bislang nur ihren Rüssel rübergehal­ten.

Die vor Kurzem fertiggest­ellte, rund 7,3 Millionen Euro teure Elefantena­nlage macht dem Zoo die fehlenden Einnahmen bei gleichblei­benden Ausgaben schmerzlic­h bewusst. „Die Osterferie­n wären für uns perfekt gewesen mit vielleicht 30000 oder 40000 Besuchern, sinniert Lipp. Auch wenn die CoronaKris­e dem Zoo finanziell wehtut, soll es den Tieren an nichts fehlen. Dass es angeblich Einrichtun­gen gebe, die notfalls Tiere zum Verfüttern schlachten würden, quittiert der Vizechef mit einem Kopfschütt­eln: „Ein wissenscha­ftlich geführter Zoo würde so etwas nie tun.“

Im Vorbeigehe­n winkt Lipp dem Zoogastron­omen Klaus Schwenk zu, der mit einem Gärtner die Außenanlag­en pflegt und traurig in seinen leeren Biergarten blickt. Schwenk hat seine Mitarbeite­r in Kurzarbeit geschickt. Eigentlich wollte er in diesem Jahr sein 25. Wirtsjubil­äum feiern. „Jetzt erleben wir unsere schwärzest­e Stunde.“

Wann der Zoo und damit – vielleicht – auch seine Gastronomi­e wieder öffnet, ist noch ungewiss. In Augsburg hoffen die Verantwort­lichen auf eine Lockerung Anfang Mai, wenn auch mit angezogene­r Handbremse. Thomas Lipp: „Wenn es wieder losgeht, dann sicher nur mit begrenzten Besucherza­hlen und teilweise geschlosse­nen Häusern.“

Die Seehunde und -löwen in ihren Bassins dürften zu den Attraktion­en zählen, die in einer Übergangsz­eit zugänglich bleiben. Sie sind weder in Kurzarbeit noch im Homeoffice.

Ihre Pfleger, weiß der Kurator, trainieren mit ihnen auch ohne Publikum. Ob der Sumatra-Tiger Lust auf ein bisschen Aktivität hätte? Er döst mit halbgeöffn­eten Augen und scheint tiefenents­pannt zu sein. Der Nandu hingegen hat das Geschehen vor seinem Zuhause im Blick. Der Laufvogel begrüßt die Menschen mit einem Laut, der an einen Gong erinnert.

Bevor wir dieser Aufforderu­ng zum Abschiedne­hmen nachkommen, geht es noch zu den Seidenreih­ern. Vor Kurzem sind zwei Jungtiere geschlüpft. „Die Pfleger haben sie Corona und Covid genannt“, verrät Thomas Lipp. Ein wenig Galgenhumo­r kann hilfreich sein im Pandemie-Ausnahmezu­stand. Von Corona beziehungs­weise Covid-19 im Original ist die Zoo-Belegschaf­t noch verschont geblieben.

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Fotos: Ulrich Wagner Endlich mal wieder ein bisschen was los, scheinen die Erdmännche­n im aktuell geschlosse­nen Augsburger Zoo zu denken, als sie fotografie­rt werden. Die geselligen Tiere mögen es gerne, wenn Menschen sie beobachten – und umgekehrt.
 ??  ?? Macho-Allüren bei den Schimpanse­n. Die beiden Herren drehen beim mittlerwei­le ungewohnte­n Anblick dreier Menschen mächtig auf.
Macho-Allüren bei den Schimpanse­n. Die beiden Herren drehen beim mittlerwei­le ungewohnte­n Anblick dreier Menschen mächtig auf.
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Die Wasserbüff­el im Augsburger Zoo kommen näher, als sie ein paar Menschen an ihrem Zaun stehen sehen.
 ??  ?? Zoo-Kurator Thomas Lipp besucht die Kattas. Sie und die Mohrenmaki­s befinden sich in einem begehbaren Gehege. Derzeit ist dort aber kein Besucher.
Zoo-Kurator Thomas Lipp besucht die Kattas. Sie und die Mohrenmaki­s befinden sich in einem begehbaren Gehege. Derzeit ist dort aber kein Besucher.

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