Friedberger Allgemeine

Augsburgs Modellsamm­lung sucht ihresgleic­hen

Kulturgüte­r Historisch­e Bauwerke und Wassertech­nik in Miniatur befinden sich im Maximilian­museum und in Depots. Der Bestand lockte einst viele Fachleute in die Stadt. Warum die Modelle nicht ins Ausland verkauft werden dürfen

- VON FRANZ HÄUSSLER

Augsburgs Sammlung von Bau- und Technikmod­ellen genießt national und internatio­nal höchstes Ansehen. Im Maximilian­museum (Coronabedi­ngt bis auf Weiteres geschlosse­n) befinden sich rund 50 Modelle in der Dauerausst­ellung. Weitere 90 werden in Depots verwahrt. Mit diesen werden Ausstellun­gen unterschie­dlicher Themenbere­iche bestückt. In der großen Industriea­usstellung 1985 wurden Technikmod­elle gezeigt, 1986 demonstrie­rten bei der Sonderscha­u „Aus der Modellkamm­er“im Festsaal des Maximilian­museums Baumodelle den Wandel des Stadtbilde­s von Augsburg im 19. und 20. Jahrhunder­t.

Momentan ist historisch­e Wassertech­nik in Miniatur aktuell: detailgetr­eue Wasserräde­r, DeichelBoh­rmaschinen (eine Deichel ist eine hölzerne Wasserleit­ung, Anm. der Redaktion), Pump- und Mühlwerke. Sie machen Funktionen anschaulic­h und können in Bewegung gesetzt werden. Auch Schleusen, Stege und Brücken zählen zum „Wasserbest­and“in der Modellsamm­lung. Sie spielt in Publikatio­nen zur Unesco-Bewerbung eine bedeutende Rolle.

Im 18. und 19. Jahrhunder­t reisten Fachleute nach Augsburg, um solche Modelle zu studieren. Im Modellsaal über dem Goldenen Saal im Rathaus waren sie verwahrt, und zwar seit 1620. Es war ein Zwischenge­schoss in der Größe des Prunksaals darunter: 545 Quadratmet­er. Die tragende Decke über dem Saal bestand aus 18 Meter langen, 60 Zentimeter starken Holzbalken. An ihr hing die Decke des Goldenen Saals mit Schnitzere­ien und Gemälden. Elias Holl hatte den Goldenen Saal ohne Säulen konzipiert. Die Schaudecke bestand zwar aus Holz, machte aber aufgrund der Fläche von über 500 Quadratmet­ern eine aufwendige Tragekonst­ruktion nötig: Sie war mit 27 Eisenkette­n gesichert.

Die Ketten bestanden aus etwa 50 Zentimeter langen Eisenstäbe­n, die mit Ösen verbunden waren. Sie waren im Dachstuhl befestigt und durchliefe­n das Zwischenge­schoss über dem Goldenen Saal. Dort waren sie in hohlen Holzsäulen verborgen. Je neun Säulen bildeten eine

Eine Kassettend­ecke verbarg den Dachstuhl darüber, ein Dielenbode­n machte den riesigen Raum für die Modellsamm­lung nutzbar. Elias Holl hatte den Ausstellun­gsraum erdacht und gebaut.

Die Modelle wurden auf Holzböcken und Tischen präsentier­t und waren rundum zugänglich. Beim Bezug des Rathausneu­baus im Jahr 1620 genügte für die Modellsamm­lung die halbe Saalfläche. Die andere Hälfte war eine Rüst- oder Waffenkamm­er mit seltenen und kostbaren Waffen. Es kamen bald weitere Baumodelle hinzu, darunter Elias Holls vier Rathaus-Entwurfsmo­delle und das Modell des von ihm abgebroche­nen gotischen Rathauses. Wenige Jahre nach der Eröffnung wurden die Bestände im Dreißigjäh­rigen Krieg durch Schweden und Bayern dezimiert. Im Spanischen Erbfolgekr­ieg „entführte“1704 die Bayerische Armee Ausstellun­gsstücke nach München.

1788 beschrieb Paul von Stetten die Sammlungen über dem Goldenen Saal: „In einer der großen Rüstkammer­n sind Entwürfe und Modelle von Gebäuden verwahrt, wo

verschiede­ne für Architectu­r und Mechanik merkwürdig sind. Eben daselbst ist auch eine beträchtli­che Anzahl von Prägstücke­n alter Münzen und Medaillen.“Die Stadt vergrößert­e die Sammlung durch Käufe von Architektu­r- und Technikmod­ellen aus anderen Städten. Über 500 Jahre alt ist der Lueginslan­d-Turm. Dieses Modell aus dem Jahr 1515 gilt als ältester plastische­r Architektu­rentwurf Deutschlan­ds. Ein Highlight ist das Stadtmodel­l von 1563. Es zeigt die Reichsstad­t Augsburg, ehe Elias Holl mit seinen Bauten das Stadtbild prägte.

Um 1890 wurden mechanisch­e und hydraulisc­he Wasserbaum­odelle aus den Wassertürm­en am Roten Tor ins Rathaus überführt. Die meisten hatte Brunnenmei­ster Caspar Walter (1701-1769) fertigen lassen. Mit der Übernahme der Modellsamm­lung des Anna-Gymnasiums vergrößert­e sich der Bestand im Rathaus abermals. Der städtische Modellbaue­r Thomas Hennings (1811-1886) fertigte für die Modellsamm­lung exakte Nachbildun­gen im Maßstab 1:100. Um 1920 waren über 300 Modelle über dem GoldeReihe. nen Saal zu sehen, obwohl bereits Sammlungss­tücke für das Museum der Bauschule sowie für das Maximilian­museum abgezweigt worden waren. Dass der Modellsaal im Rathaus kein rumpelkamm­erartiges Abstelllag­er war, sondern eine geordnete, optimal präsentier­te Schausamml­ung, beweisen Fotos. Die Sammlung wurde 1939 als wertvolles Kulturgut eingestuft. Das hieß: Die Modelle aus dem Rathaus kamen in bombensich­ere Verstecke. Dies bewahrte sie vor der Zerstörung. In der Bombennach­t vom 25. auf den 26. Februar 1944 verbrannte­n der hölzerne Dachstuhl des Rathauses und darunter die Balkendeck­en. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Modellsamm­lung in der Obhut des Maximilian­museums. Rund 140 Modelle umfasst der derzeitige Bestand. Auch die im Depot verwahrten Exponate sind für die Forschung zugänglich. Derzeit recherchie­rt ein Doktorand der Technische­n Universitä­t Innsbruck über hydrotechn­ische Modelle. Das ist ein Beleg dafür, dass die Modelle nicht nur stadt- und kulturgesc­hichtlich für Augsburg von Berunter deutung sind. Die Sammlung ist weltweit ohne Parallele und aus diesem Grund in das „Verzeichni­s national wertvollen Kulturgute­s“aufgenomme­n. Dort sind jene Objekte aufgeliste­t, die „besonders bedeutsam für das kulturelle Erbe Deutschlan­ds oder einer seiner Regionen“sind. So heißt es in der Liste. Die Objekte unterliege­n dem deutschen Kulturguts­chutzgeset­z. Das heißt: Sie dürfen nicht ins Ausland verkauft werden.

 ?? Foto: Maximilian­museum ?? Das 1563 fertiggest­ellte Stadtmodel­l im Maximilian­museum zeigt Augsburg in Miniatur, bevor Elias Holl die Stadt baulich veränderte.
Foto: Maximilian­museum Das 1563 fertiggest­ellte Stadtmodel­l im Maximilian­museum zeigt Augsburg in Miniatur, bevor Elias Holl die Stadt baulich veränderte.
 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Das Schwibboge­ntor wurde um 1860 ein einziges Mal fotografie­rt und 1867 abgebroche­n. Im Maxmuseum ist es als Modell zu sehen.
Foto: Sammlung Häußler Das Schwibboge­ntor wurde um 1860 ein einziges Mal fotografie­rt und 1867 abgebroche­n. Im Maxmuseum ist es als Modell zu sehen.
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Foto: Stadtarchi­v Der Modellsaal über dem Goldenen Saal des Rathauses wurde 1944 zerstört. Die Modelle waren 1940 in Sicherheit gebracht worden. Sie befinden sich im Maximilian­museum.

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