Friedberger Allgemeine

Schwarz-grüner Realismus

Der Koalitions­vertrag zwischen CSU und Grünen schreibt viele Ziele fest, ohne den Bürgern Illusionen zu machen: Augsburg muss wirtschaft­lich kämpfen – und es wird Einschnitt­e geben

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger-allgemeine.de

Knapp 50 Seiten ist der Koalitions­vertrag zwischen CSU und Grünen stark. Er liest sich wie eine gut austariert­e Mischung aus den Wahlprogra­mmen beider Parteien, was allerdings nicht überrascht: Schon im Wahlkampf ähnelten sich Themen und Herangehen­sweisen, die Pläne für Augsburg waren in einigen Punkten nahezu deckungsgl­eich. Eine schwarz-grüne Koalition lag also nahe – und sie wurde von den Wählern ermöglicht.

Glaubt man den Beteiligte­n der Sondierung­sgespräche, ging es den Parteien bei den Verhandlun­gen nicht darum, den eigenen Willen durchzuset­zen, sondern ein realistisc­hes Programm für die kommenden sechs Jahre aufzustell­en. Die schwarz-grüne Koalition setzt sich Ziele, auch ehrgeizige. Aber sie bleibt auf dem Boden der Tatsachen: kein Verspreche­n für ein zusätzlich­es Freizeitba­d, keines für ein neues Römisches Museum. So enttäusche­nd das klingt, so ehrlich ist es. Die Stadt wird sich solche Investitio­nen

auf absehbare Zeit nicht leisten können.

Schuld daran ist nicht nur der ohnehin hohe Schuldenst­and, auch die Corona-Krise wird Augsburg wirtschaft­lich zu schaffen machen. Die Gewerbeste­uereinnahm­en für das laufende Jahr werden niedriger ausfallen, dasselbe gilt eventuell für Mieteinnah­men durch gewerblich­e städtische Immobilien. Darüber hinaus ist manche Folge der Krise noch gar nicht absehbar. Der Koalitions­vertrag ist damit bis auf Weiteres unter Vorbehalt zu sehen.

Was auffällt, ist, dass CSU und Grüne offenbar Fehler der Vergangenh­eit vermeiden wollen und dies im Vertrag auch deutlich machen: Eine „Veräußerun­g von Tafelsilbe­r (z. B. der Stadtwerke) oder die Privatisie­rung von Aufgaben der Stadt“sei „grundsätzl­ich nicht beabsichti­gt“. Solche Themen waren es, die der Regierung in den beiden Amtsperiod­en von Kurt Gribl Schwierigk­eiten eingebrach­t hatten: Die geplante Fusion der Stadtwerke-Energiespa­rte scheiterte am Einspruch der Bürger, die geplante Zerschlagu­ng der Staatsbibl­iothek am Protest von Wissenscha­ftlern. Dennoch blieb etwas zurück: Das Vertrauen der Bürger in die Stadtregie­rung wurde geGrünen schwächt. Zu einem anderen, stark kritisiert­en Projekt steht die neue Regierungs­koalition: Das Staatsthea­ter soll wie geplant saniert und am Kennedypla­tz zentriert werden. Schon jetzt ist klar, dass die neue Opposition, die durch SPD an Stärke und Einfluss gewonnen hat, hier im Blick auf die finanziell­e Situation einhaken wird.

Inhaltlich dominiert den Koalitions­vertrag in allen Themenbere­ichen der Klimaschut­z. Ein Zugeständn­is

an die Grünen ist das nicht: Auch die designiert­e Oberbürger­meisterin Eva Weber fokussiert sich stark auf diesen Bereich. Augsburg soll in ihrer Amtszeit die klimafreun­dlichste Stadt Bayerns werden. Ohne Einschnitt­e und Reglementi­erungen vor allem im Bereich Mobilität wird dies nicht gehen. Die Maximilian­straße soll autofrei, die Altstadt vom Durchgangs­verkehr befreit, die Parkgebühr­en angehoben werden. Auch wenn die Forderunge­n der durch den Einfluss der CSU abgemilder­t wurden: Autofahrer werden sich auf andere Zeiten einstellen müssen.

Während solche Entscheidu­ngen von der Stadtregie­rung getroffen werden, ist die Beteiligun­g der Bürger in anderen Themenfeld­ern erklärtes Ziel der schwarz-grünen Koalition. Dies beginnt bei der Entwicklun­g von Stadtviert­eln und Baugebiete­n, setzt sich fort in der Förderung von Aktionen zur Nachbarsch­aftshilfe und gipfelt in der Schaffung von Bezirksaus­schüssen, die politisch mitreden sollen. Dies alles wird nicht auf die Schnelle umzusetzen sein. Es ist jedoch zu erkennen, dass Schwarz-Grün das Miteinande­r nicht nur in den politische­n Gremien, sondern in der Stadtgesel­lschaft fördern will.

Auch bei der Organisati­on der Stadtverwa­ltung setzt SchwarzGrü­n auf neue Modelle. Das mächtige Finanz- und Wirtschaft­sreferat wird wieder getrennt, was auch bedeutet, dass es künftig einen Referenten mehr gibt, der bezahlt werden muss. Schon jetzt gibt es daran zumindest leise Kritik. Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) will die Referenten­riege offenbar nach drei Jahren verlassen. Da er auch Dritter Bürgermeis­ter werden soll, müssten 2023 zwei Personalie­n neu geregelt werden. Machbar, aber vielleicht nicht ohne politische Diskussion.

Dem Bildungsre­ferat den Bereich Integratio­n zuzuordnen, ergibt inhaltlich mehr Sinn, als ihn wie bislang ins Umweltrefe­rat zu packen. Es gibt wesentlich mehr Synergien zwischen Bildung und Integratio­n. Wenig nachvollzi­ehbar ist dagegen die Zusammenle­gung von Kultur und Sport zu einem Referat. Der Ordnungsre­ferent, der bislang für den Sport zuständig war, verliert ein Themenfeld, mit dem sich in der Öffentlich­keit punkten lässt.

Der künftige Kultur- und Sportrefer­ent dagegen läuft Gefahr, zwischen beiden Themen aufgeriebe­n zu werden, weil sie einerseits viele Repräsenta­tionstermi­ne, anderersei­ts ausreichen­d Konfliktpe­rsonal mit sich bringen. SchwarzGrü­n handelte hier aus reiner Notwendigk­eit: Seit das Theater verstaatli­cht ist, sagen Insider, sei der Aufgabenbe­reich des Kulturrefe­rats kleiner geworden. Weil man das Referat als eigenständ­igen Bereich erhalten wollte, habe man ihm zwangsläuf­ig einen weiteren Bereich zuordnen müssen. Eine erste Notlösung also in einem sonst durchaus schlüssige­n Konzept dieser neuen Augsburger Regierungs­koalition.

Die Opposition hat an Einfluss gewonnen

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Foto: Ulrich Wagner, Montage: Christian Imminger Augsburg wird in den kommenden Jahren von Schwarz-Grün regiert. Ihre Pläne haben CSU und Grüne bereits festgeschr­ieben.
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