Graffiti-Sprüher fordern die Polizei heraus
Eine ungewöhnlich große Schmiererei in der Innenstadt sorgt für Ärger. Die illegalen Sprayer machen auch vor Kirchen keinen Halt. Ein Experte der Polizei sagt, es gebe durchaus Erfolge im Kampf gegen die Sachbeschädigungen
Er ist groß und grell. Und er soll eine Provokation sein – der GraffitiSchriftzug, den ein Unbekannter kürzlich an den Pfarrhof von St. Moritz mitten in der Innenstadt gesprüht hat. Die illegale Schmiererei entstand während der Corona-Krise wohl in einer aufwendigen nächtlichen Aktion. „Graffiti in dieser Größe haben wir selten im Zentrum“, sagt ein Spezialist der Augsburger Polizei. Der Täter hat sein Werk datiert und mit einem Schmähgruß an die Sicherheitskräfte versehen.
Gerhard Hildmann kann das Graffiti von St. Moritz genauer erklären und einordnen. Er ist in der Arbeitsgruppe Graffiti der Augsburger Polizei tätig und täglich auf den Straßen unterwegs, um die Aktivitäten der Szene im Blick zu behalten und bei einschlägigen Straftaten zu ermitteln. Hildmann sagt, der Schriftzug von St. Moritz stehe für zwei verschiedene Sprayer-Gruppen. Das Schriftbild spreche für einen Täter, der vielleicht beiden Gruppen angehört. Der Unbekannte beschäftigt die Polizei schon länger, weil er an vielen Stellen seine typischen Zeichen hinterlassen hat. Der Polizeiexperte vermutet, dass er mit dem neuen Graffiti ein Ausrufezeichen in der Szene setzen wollte. Schließlich geht es den illegalen Sprayern vor allem darum, öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen.
Grundsätzlich kann Graffiti schön sein. Es gibt legale Werke von Künstlern, die hoch bezahlt werden. In Augsburg geht es aber sehr oft um Schmierereien, und diese sind fast im gesamten Stadtgebiet verbreitet. Augsburgs Innenstadt ist besonders betroffen. Was die Sprayer anspornt: Ihre großen Schriftzüge (Pieces) und kleineren Zeichen (Tags) werden im Zentrum von vielen Menschen wahrgenommen.
Die Illegalen machen mit ihren Aktionen nicht einmal vor Kirchengebäuden halt. Eine große Wand bei St. Anna in der Fußgängerzone ist besonders schlimm betroffen. In den vergangenen drei Jahren haben sich dort an die 20 Sprayer verewigt – nicht nur mit Graffiti im engeren Sinn, auch mit politischen Parolen, gesprühten Sprüchen von Fußballfans und sogar Liebeserklärungen. Der Schaden, den die Täter anrichten, ist enorm. Pfarrer Helmut
Haug von St. Moritz schätzt, dass es rund 3000 Euro kosten wird, das große Graffito von der Fassade zu entfernen. Der Auftrag an einen Maler wurde bereits erteilt. Bei der Polizei wurde Anzeige erstattet. Ärgerlich findet Pfarrer Haug die Schmiererei vor allem auch deshalb, weil der Informationsbereich beim Pfarrhof erst vor Kurzem neu gestaltet wurde.
Bei St. Anna werden die Kosten noch wesentlich höher ausfallen, um die beschmierte Wand wieder herzurichten. Dort rechnet Pfarrer Thomas Hegner mit einem mittleren fünfstelligen Betrag für eine umfassende Renovierung. Sie soll in den kommenden Wochen beginnen. „Unsere Sorge ist, dass es nicht lange vorhalten wird“, sagt der Geistliche. Er will ein paar Farbkübel in Reserve halten, um neue Schmiere
schnell übertünchen zu können – auch wenn er betont, es gebe für ihn noch wichtigere Dinge als die Probleme mit Graffiti.
Andere Augsburger haben den Eindruck, dass dieses Problem in der Innenstadt aktuell wieder größer wird. Mit den Ausgangsbeschränkungen wegen der CoronaPandemie
hätten die Schmierereien an Häusern zugenommen – möglicherweise auch deshalb, weil weniger Menschen unterwegs sind, und das Risiko einer Entdeckung für illegale Sprayer damit geringer sein könnte, so die Vermutung. Fragt man die Polizei, gibt es keine Zunahme von Graffiti-Straftaten seit der Pandemie. Hildmann sagt: „Seit der Corona-Krise gibt es einen Rückgang wie bei fast allen Straftaten im öffentlichen Raum.“Ein Rundgang durch die Innenstadt zeigt aber auch, dass die illegalen Sprayer weiter aktiv sind.
Am Schwall gegenüber der Tankstelle für Elektroautos ist ein großes neues gespraytes Strichmännchen zu sehen, ein zweites an einer Mauer am Vorderen Lech. An einer Hausmauer Ecke Findelgäßchen/Vorderer Lech sind fünf „Tags“auf eine bereits überstrichene Stelle gesprüht. Besonders schlimm: Ein Anwohner hatte sich genau an dieser Wand monatelang über ein überdimensionales Penis-Graffito geärgert und es irgendwann einfach selbst rot übermalt. Dieses Vorgehen allerdings galt als Sachbeschädigung. In der Altstadt und in Richtung Cityreien
Galerie gibt es noch mehr neuere Beispiele von illegalen Schmierereien, und das, obwohl gleich um die Ecke eine „Schwaben-Wand“ausgeschildert ist, wo jeder legal sprühen darf.
Hildmann sagt, 2016 habe es einen sprunghaften Anstieg von Graffiti in Augsburg gegeben. Er betont aber auch, die Polizei habe in den vergangenen Jahren Erfolge vorzuweisen. Jährlich würden 20 bis 25 Graffiti-Täter ermittelt. Aktuell sitze ein Täter ein, gegen zwei weitere lägen Haftbefehle vor. Auch der neue Fall von St. Moritz wird auf Hochdruck bearbeitet, wie er sagt. Generell betrachte die Polizei Graffiti-Straftaten nicht als Kavaliersdelikt. „Wenn wir nicht so dahinter her wären, würde es in Augsburg noch viel schlimmer aussehen“, sagt Hildmann.
20 bis 25 Täter werden pro Jahr ermittelt