Friedberger Allgemeine

Graffiti-Sprüher fordern die Polizei heraus

Eine ungewöhnli­ch große Schmierere­i in der Innenstadt sorgt für Ärger. Die illegalen Sprayer machen auch vor Kirchen keinen Halt. Ein Experte der Polizei sagt, es gebe durchaus Erfolge im Kampf gegen die Sachbeschä­digungen

- VON EVA MARIA KNAB Foto. Silvio Wyszengrad

Er ist groß und grell. Und er soll eine Provokatio­n sein – der GraffitiSc­hriftzug, den ein Unbekannte­r kürzlich an den Pfarrhof von St. Moritz mitten in der Innenstadt gesprüht hat. Die illegale Schmierere­i entstand während der Corona-Krise wohl in einer aufwendige­n nächtliche­n Aktion. „Graffiti in dieser Größe haben wir selten im Zentrum“, sagt ein Spezialist der Augsburger Polizei. Der Täter hat sein Werk datiert und mit einem Schmähgruß an die Sicherheit­skräfte versehen.

Gerhard Hildmann kann das Graffiti von St. Moritz genauer erklären und einordnen. Er ist in der Arbeitsgru­ppe Graffiti der Augsburger Polizei tätig und täglich auf den Straßen unterwegs, um die Aktivitäte­n der Szene im Blick zu behalten und bei einschlägi­gen Straftaten zu ermitteln. Hildmann sagt, der Schriftzug von St. Moritz stehe für zwei verschiede­ne Sprayer-Gruppen. Das Schriftbil­d spreche für einen Täter, der vielleicht beiden Gruppen angehört. Der Unbekannte beschäftig­t die Polizei schon länger, weil er an vielen Stellen seine typischen Zeichen hinterlass­en hat. Der Polizeiexp­erte vermutet, dass er mit dem neuen Graffiti ein Ausrufezei­chen in der Szene setzen wollte. Schließlic­h geht es den illegalen Sprayern vor allem darum, öffentlich­e Aufmerksam­keit zu bekommen.

Grundsätzl­ich kann Graffiti schön sein. Es gibt legale Werke von Künstlern, die hoch bezahlt werden. In Augsburg geht es aber sehr oft um Schmierere­ien, und diese sind fast im gesamten Stadtgebie­t verbreitet. Augsburgs Innenstadt ist besonders betroffen. Was die Sprayer anspornt: Ihre großen Schriftzüg­e (Pieces) und kleineren Zeichen (Tags) werden im Zentrum von vielen Menschen wahrgenomm­en.

Die Illegalen machen mit ihren Aktionen nicht einmal vor Kirchengeb­äuden halt. Eine große Wand bei St. Anna in der Fußgängerz­one ist besonders schlimm betroffen. In den vergangene­n drei Jahren haben sich dort an die 20 Sprayer verewigt – nicht nur mit Graffiti im engeren Sinn, auch mit politische­n Parolen, gesprühten Sprüchen von Fußballfan­s und sogar Liebeserkl­ärungen. Der Schaden, den die Täter anrichten, ist enorm. Pfarrer Helmut

Haug von St. Moritz schätzt, dass es rund 3000 Euro kosten wird, das große Graffito von der Fassade zu entfernen. Der Auftrag an einen Maler wurde bereits erteilt. Bei der Polizei wurde Anzeige erstattet. Ärgerlich findet Pfarrer Haug die Schmierere­i vor allem auch deshalb, weil der Informatio­nsbereich beim Pfarrhof erst vor Kurzem neu gestaltet wurde.

Bei St. Anna werden die Kosten noch wesentlich höher ausfallen, um die beschmiert­e Wand wieder herzuricht­en. Dort rechnet Pfarrer Thomas Hegner mit einem mittleren fünfstelli­gen Betrag für eine umfassende Renovierun­g. Sie soll in den kommenden Wochen beginnen. „Unsere Sorge ist, dass es nicht lange vorhalten wird“, sagt der Geistliche. Er will ein paar Farbkübel in Reserve halten, um neue Schmiere

schnell übertünche­n zu können – auch wenn er betont, es gebe für ihn noch wichtigere Dinge als die Probleme mit Graffiti.

Andere Augsburger haben den Eindruck, dass dieses Problem in der Innenstadt aktuell wieder größer wird. Mit den Ausgangsbe­schränkung­en wegen der CoronaPand­emie

hätten die Schmierere­ien an Häusern zugenommen – möglicherw­eise auch deshalb, weil weniger Menschen unterwegs sind, und das Risiko einer Entdeckung für illegale Sprayer damit geringer sein könnte, so die Vermutung. Fragt man die Polizei, gibt es keine Zunahme von Graffiti-Straftaten seit der Pandemie. Hildmann sagt: „Seit der Corona-Krise gibt es einen Rückgang wie bei fast allen Straftaten im öffentlich­en Raum.“Ein Rundgang durch die Innenstadt zeigt aber auch, dass die illegalen Sprayer weiter aktiv sind.

Am Schwall gegenüber der Tankstelle für Elektroaut­os ist ein großes neues gespraytes Strichmänn­chen zu sehen, ein zweites an einer Mauer am Vorderen Lech. An einer Hausmauer Ecke Findelgäßc­hen/Vorderer Lech sind fünf „Tags“auf eine bereits überstrich­ene Stelle gesprüht. Besonders schlimm: Ein Anwohner hatte sich genau an dieser Wand monatelang über ein überdimens­ionales Penis-Graffito geärgert und es irgendwann einfach selbst rot übermalt. Dieses Vorgehen allerdings galt als Sachbeschä­digung. In der Altstadt und in Richtung Cityreien

Galerie gibt es noch mehr neuere Beispiele von illegalen Schmierere­ien, und das, obwohl gleich um die Ecke eine „Schwaben-Wand“ausgeschil­dert ist, wo jeder legal sprühen darf.

Hildmann sagt, 2016 habe es einen sprunghaft­en Anstieg von Graffiti in Augsburg gegeben. Er betont aber auch, die Polizei habe in den vergangene­n Jahren Erfolge vorzuweise­n. Jährlich würden 20 bis 25 Graffiti-Täter ermittelt. Aktuell sitze ein Täter ein, gegen zwei weitere lägen Haftbefehl­e vor. Auch der neue Fall von St. Moritz wird auf Hochdruck bearbeitet, wie er sagt. Generell betrachte die Polizei Graffiti-Straftaten nicht als Kavaliersd­elikt. „Wenn wir nicht so dahinter her wären, würde es in Augsburg noch viel schlimmer aussehen“, sagt Hildmann.

20 bis 25 Täter werden pro Jahr ermittelt

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Der Pfarrhof von St. Moritz wurde in den vergangene­n Wochen mit einem großen Graffito beschmiert.

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