Mit einem der letzten Flüge zurück
Italien und Spanien sind besonders heftig von der Corona-Krise betroffen. Zwei Spanier und zwei Italiener aus Augsburg erzählen, wie sie derzeit auf ihre Heimat blicken – und was ihre Familien und Freunde dort erleben
Mamma mia!, ¡Dios mío!, Oh mein Gott. In Italien und Spanien sind jeweils deutlich mehr als 20 000 Menschen aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Zum Vergleich: In Deutschland starben gut 5000 Menschen an den Folgen von Covid-19. Besorgt blicken Italiener und Spanier, die in Augsburg leben, auf ihr Heimatland. 4300 Italiener und 700 Spanier sind unter den 300000 Einwohnern Augsburgs. Wir haben zwei Italiener und zwei Spanier gefragt, wie es ihnen und ihren Angehörigen geht.
● Livia Arena-Schönberger „Mein Name ist Livia Arena-Schönberger. Ich lebe seit knapp 35 Jahren in Augsburg, aber ich bin in Palermo geboren und habe noch Familie dort. Die Geschwister meiner Eltern haben sich nach dem Studium in ganz Italien verteilt, wo heute auch noch ihre Kinder leben: Von Mailand, Rom, Abruzzen bis Sizilien habe ich Verwandte. Sie erleben im Augenblick eine ganz schlimme Zeit, weil in Italien die Maßnahmen viel restriktiver sind als in Deutschland. Die Menschen dürfen ohne triftigen Grund nicht aus dem Haus. Das heißt, sie dürfen nur zum Einkaufen gehen und nur innerhalb von 200 Metern einen kleinen Spaziergang machen und den Hund ausführen. Sonst müssen sie aber komplett daheim leben. Zum Glück leben die meisten mit der Familie zusammen, nur mein Cousin in Mailand lebt alleine. Er arbeitet an der Börse und
seine Arbeit schon immer online erledigen. Aber ein Teil meiner Familie kann aktuell nicht richtig arbeiten. Mein Bruder ist Journalist und muss daher viel draußen arbeiten, wenn er zum Beispiel im Gericht ist. Dabei trägt er eine Maske.
Allerdings ist es in Italien nicht leicht, eine zu bekommen. Ostern, das normalerweise ein Familienfest ist, feierten viele im kleinsten Kreis und ohne Kirche. Das trifft die älteren Leute ganz hart. Zumindest habe ich meine Familie vor Kurzem noch sehen können. Anfang März war ich eine Woche in Italien und bin mit einem der letzten Flüge wieder zurück nach Deutschland gekommen. Da war die Situation schon schwierig, aber noch nicht so wie jetzt. Man durfte noch raus und dann ist es Tag für Tag schlimmer geworden. Besonders in Mailand haben die Leute richtig Angst gehabt, weil die Region Lombardei die meisten Toten beklagt.“
● Davide Alfinito „Mein Name ist Davide Alfinito und ich wohne seit etwa acht Jahren in Augsburg. Meine Familie kommt ursprünglich aus Süditalien. Dort leben noch meine Eltern und mein Bruder. Wir sind insgesamt fünf Brüder und wohnen sehr verteilt: Einer lebt in der Stadt, in der meine Eltern leben, einer in Venedig, der andere in der Nähe von München und der „Kleine“lebt in Paris. Normalerweise sehen wir uns zweimal im Jahr: im Sommer und an Weihnachten. Da habe ich meine Familie das letzte Mal gesehen. Mit meinem Bruder, der in Bayern lebt, hätte ich normalerweise Ostern zusammen gefeiert. Aber das ging dieses Jahr nicht. Mit meiner Familie skypen meine Brüder und ich deshalb zurzeit viel. Das haben wir früher schon gemacht, da wir so verstreut wohnen. Aber inzwischen versuchen wir, öfter in Kontakt zu sein, weil wir wissen, dass die Situation sich schnell ändern kann.
Ostern haben meine Familie und ich zum Beispiel zusammen über eine Skype-Konferenz gefeiert. Momentan ist es in Süditalien etwas ruhiger als in der Lombardei und in Venetien. Das heißt aber nicht, dass wir uns keine Sorgen machen. Die Lage kann sich schnell ändern und das Virus sich weiter verbreiten. Ich habe aber auch Freunde in der Lombardei, die ich kurz vor der Krise besucht habe. Sie bleiben immer zu Hause und machen Homeoffice – in Italien nennt man das „smartworking“. Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen hat sich eine Freundin von mir, die in Bologna lebt, am Coronavirus angesteckt und ist deshalb momentan im Krankenhaus. Inzwischen geht es ihr besser und wir hoffen, dass sie bald wieder nach Hause darf. Die Situation in vielen Ländern ist ganz unterschiedlich: Man denkt, dass die Zahlen nicht so hoch sind, aber in Italien ist es fast eine Katastrophe.“
● Marta Gomis „Ich heiße Marta Gomis, bin 49 Jahre alt und komme aus Barcelona. Seit 28 Jahren lebe ich in Deutschland und führe gelegentlich Spanier durch Augsburg. In Spanien sind die Menschen normalerweise oft in den Straßen, in Bars, auf Terrassen von Restaurants. Das ist derzeit aber wegen der Corona-Pankann demie verboten. Das ist schwer auszuhalten für meine Landsleute. Die Ausgangsbeschränkungen sind strenger als in Deutschland: Nur wer zum Supermarkt, Arzt oder zur Arbeit geht, darf das Haus verlassen. Die Krise ist eine sehr harte Probe. Es gibt in Spanien viel mehr mit dem Virus infizierte Menschen und Tote als in Deutschland. Jeder kennt jemanden, der infiziert ist. Das ist ganz anders als in Deutschland, hier kenne ich zum Beispiel keinen Infizierten. Meine Cousine schickt mir Fotos aus Spanien, wie Menschen mit Masken und Handschuhen einkaufen. Besonders in Großstädten fragen Polizisten, wohin man unterwegs ist. Aber meine Cousine ist trotzdem glücklich.
Sie trifft sich mit ihren Freunden in Videokonferenzen und sitzt mit dem Laptop, einem Bier und Oliven auf dem Balkon. Falls man einen hat. Diejenigen, die einen haben, nutzen ihn auch dafür, andere zu fragen, warum sie auf der Straße sind. Auch nur, wenn jemand den Müll runterbringt. Ich glaube, dass manche Leute das aus Langeweile machen. Viele Spanier fühlen sich eingesperrt. Sie zählen die Tage. Die Ausgangssperre bleibt noch bis Anfang Mai bestehen. Doch die Spanier kämpfen und sollten sich darauf konzentrieren, das Land zu stärken. Das heißt: Einheimische Produkte kaufen und nicht mehr darüber diskutieren, ob sich Katalonien abspaltet. Die Corona-Krise ist eine andere als die Wirtschaftskrise vor einigen Jahren. Es werden vermutlich nicht so viele Menschen wie damals das Land verlassen. In anderen Ländern sieht es nicht viel besser aus.“● Raul Herrero „Mein Name ist Raul Herrero, ich bin 48 Jahre alt und Paketzusteller. Vor zweieinhalb Jahren bin ich nach Augsburg gekommen. Meine Heimatstadt ist
León im Nordwesten Spaniens. Diese Region ist nicht so sehr von dem Coronavirus betroffen wie Barcelona oder Madrid. Die Zahlen sind insgesamt zum Glück zurückgegangen. Trotzdem sterben immer noch Hunderte Menschen und ich finde es wenig sensibel, wie die Regierung mit sterbenden Infizierten umgeht. Manchmal ist es Angehörigen verwehrt, Abschied zu nehmen. Die Menschen sind oft so stark isoliert, dass Familienmitglieder noch nicht einmal anrufen können. Beide Seiten wissen nicht, ob sie sich wiedersehen. Die Politiker hätten das Gesundheitssystem kontinuierlich verbessern sollen.
Wer sich in Spanien nicht an die Ausgangssperre hält, dem droht eine Strafe von bis zu 6000 Euro. Das ist sehr streng. Meine Eltern sind in Rente und sie hoffen, dass sie bald wieder nach draußen gehen dürfen. Sie haben keinen Garten und laufen seit fünf Wochen nur von der Küche in den „salón“, das Wohnzimmer. Vor Corona sind sie jeden Tag spazieren gegangen. Zum Glück gibt es viele Freiwillige, die für meine Eltern einkaufen. Über das, was in meinem Heimatland los ist, informiere ich mich über die App des Fernsehsenders Antena 3. Ich glaube nicht, dass dieses Jahr Urlauber nach Spanien kommen. Das ist zu riskant. Diese Krise ist heftiger als die Wirtschaftskrise vor zwölf Jahren. Wie lange sie dauert, hängt davon ab, ob es irgendwann einen Impfstoff gibt.“