Mann nach 16 Monaten in U-Haft frei
Ein 44-jähriger Augsburger wird angeklagt, weil er seine kleine Tochter missbraucht und seine Frau geschlagen haben soll. Doch vor Gericht bleibt von den Vorwürfen nichts übrig
Die Anklageschrift las sich schockierend. Ein Mann, heute 44 Jahre alt, sollte im Zeitraum von 2015 bis 2018 seine Tochter sexuell missbraucht haben, so stand es dort. Das Kind war in dem Zeitraum gerade einmal zwischen einem und drei Jahren alt gewesen. Außerdem habe der Angeklagte seine Frau geschlagen, und das mehrfach, hieß es. Mal mit der Hand, mal mit einem Handtuch oder einem Schuh. Die Vorwürfe hatten es in sich, und die Folgen für den Familienvater hatten es auch in sich.
Er kam Mitte des Jahres 2018 in Untersuchungshaft – und blieb fast eineinhalb Jahre im Gefängnis. Erst 16 Monate später hob das Landgericht Augsburg den Haftbefehl gegen ihn wieder auf. Nun ist der langwierige Prozess vor der Jugendkammer beendet worden. Und von den Vorwürfen gegen Manfred K* blieb am Ende nichts übrig. Wie das Landgericht auf Anfrage mitteilt, ist das Verfahren gegen den Mann zwischenzeitlich eingestellt worden.
Es war der Schlusspunkt eines verworrenen, komplizierten Prozesses vor der Jugendkammer. Bereits im Februar 2019 war er ursprünglich gestartet, also vor mehr als einem Jahr.
Zwischenzeitlich allerdings wurde das Verfahren, für das ursprünglich nur wenige Verhandlungstage angesetzt gewesen waren, ausge
und neu begonnen. Und es wurde so zu einem regelrechten Mammutprozess. Nathalie K., die Ehefrau des Mannes, musste mehrfach aussagen, was ihr sichtlich zu schaffen machte, wie sich bei einem Prozesstag im Januar zeigte. Die Stimmung zwischen allen Beteiligten wirkte frostig bis vergiftet, immer wieder wurde die Verhandlung unterbrochen.
Nathalie K. machte einen angegriffenen Eindruck, sie sagte, sie habe Angst vor Manfred K., ihrem Ehemann. Der machte sich seinerseits umfangreiche Notizen, während seine Frau im Zeugenstand saß.
Im Internet ließen sich bis vor einigen Wochen noch Fotos der beiden Eheleute als glückliches Paar finden; Szenen einer Beziehung, die irgendwann zerbrach. Der Trennung der beiden Eheleute und dem Ermittlungsverfahren müssen bittere Streitigkeiten vorausgegangen sein, wie im Prozess deutlich wurde. Es ging um Entfremdung und ums Geld. Und, nach der Trennung, um Missbrauchsvorwürfe, die Manfred K. als Untersuchungshäftling ins Gablinger Gefängnis brachten, wo er mehr als ein Jahr blieb.
Juristisch gesehen drehte sich der Prozess um sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, um Körperverletzungsdelikte und Nötigung. Manfred K. hatte die Vorwürfe gegenüber der Polizei vehement bestritten und im Prozess geschwiegen. Vieles an dem Verfahsetzt ren war ungewöhnlich, etwa die Tatsache, dass der Ermittlungsrichter am Amtsgericht einen Haftbefehl gegen Manfred K. abgelehnt hatte, das Landgericht ihn aber nach einer Beschwerde der Augsburger Staatsanwaltschaft doch erließ. Eine eher seltene Abfolge.
Manfred K. wurde im Gerichtssaal von drei Anwälten vertreten, den Verteidigern Thorsten Junker, Michael Baitinger und Felix Dimpfl. Als die Verteidiger einen juristischen Teilerfolg errangen,
Der Angeklagte verzichtet auf eine Entschädigung
ihr Mandant aus der U-Haft kam und Teile der Vorwürfe eingestellt wurden, zeichnete sich ab, dass Manfred K., wenn überhaupt, nur noch mit einer relativ milden Strafe zu rechnen hatte.
Letztlich wurde das Verfahren ohne Auflagen eingestellt, das heißt: Er bleibt juristisch ein unbeschriebenes Blatt, gilt weiterhin als unschuldig und erhält auch keine Eintragung im Strafregister. Nicht nur dafür sind 16 Monate U-Haft eine sehr lange Zeit, von der früheren Existenz des Angeklagten dürfte nur noch wenig übrig sein. Eigentlich stehen ihm finanzielle Entschädigungsansprüche zu, auf die der Mann aber offenbar verzichtete. Das war Teil einer Verfahrensabsprache zwischen den Prozessbeteiligten.