Friedberger Allgemeine

Schwaben-Wein erlebt seine Wiedergebu­rt

Aus Augsburger Trauben wird Wein gekeltert. Vor 500 Jahren gab es Weinberge am Schloss Wellenburg. Wie sich Klöster früher die Lieferung des edlen Rebensafte­s sicherten

- VON FRANZ HÄUSSLER

Die Römer brachten den Wein nach Augusta Vindelicum. In Augsburg erinnern das Grabmal eines Weinhändle­rs, ein Steinrelie­f mit zwei Weinfässer­n mit einem Ochsengesp­ann und Weingläser aus der Römerzeit an den Weinhandel und den Weinkonsum in der Antike. Dass die Römer in Augusta Vindelicum Reben pflanzten, dafür gibt es keine Belege. Das ist heute anders: In Gärten in der Firnhabera­u, im Bärenkelle­r und in anderen Stadtteile­n tragen Rebstöcke im Herbst nicht nur dekorative­s Laub, sondern reife Trauben. Sie werden meist verspeist. In der Firnhabera­u keltert ein Hobbywinze­r seine Ernte. Der „Hauswein“reicht für den Familienve­rbrauch.

Bis 2016 ließ deutsches Recht außerhalb von anerkannte­n Weinbaugeb­ieten eine Rebfläche bis 100 Quadratmet­er und die Weinherste­llung ausschließ­lich zum Eigenverbr­auch zu. In Augsburg spielte diese Beschränku­ng keine Rolle: Hier gibt es seit rund 450 Jahren keinen als Ertragsflä­che nutzbaren Weinberg mehr. Der einzige auf dem heutigen Stadtgebie­t nachweisba­re Weinberg befand sich unterhalb des Schlosses Wellenburg. Er ist anno 1536 letztmals abgebildet.

Vor 500 Jahren gab es in Augsburger Kloster- und Patrizierg­ärten sowie an Hauswänden Rebstöcke. Man liebte Trauben aus eigenem Anbau. Ob auch welche zu Wein vergoren wurden, ist nicht überliefer­t. 1540 vermerkte ein Augsburger Chronist, „dass die Weinreben, so die Bürger allhie an ihren Häusern aufzügeln, im Juli zeitige Trauben bekamen, dessen man bei uns nicht gewohnt war, da sie ansonsten kaum im Oktober reifen“. Anfang August 1540 sei „der beste und süßeste Most allhier auf den Weinmarkt gebracht und verkauft worden“. Dieser „Suser“kam sicherlich aus typischen Weinbaureg­ionen, nicht von Augsburger Trauben.

In Augsburgs Klöstern trank man guten Wein. Deshalb besaßen sie schon vor rund 1000 Jahren Weinberge in entfernten Weinbaugeb­ieten. Die Benediktin­erabtei St. Ulrich und Afra bekam zwischen 1006 und 1029 vom Bischof ein Weingut in Bozen. Die Abtei kaufte dazu und besaß dort um 1200 sechs Weinhöfe. Auch im heutigen Schwaben wurde Wein erzeugt. Doch weder in der Menge noch in der Qualität konnte er gegen Weine aus dem Süden, vom Neckar und vom Rhein konkurrier­en.

Für den Weinbau in unserer Region gibt es frühe Belege. Anno 1280 wird ein „Wingartleh­en“bei Druisheim über der Schmutter erwähnt. Hier stand eine Burg. Eine „um 1560“datierte Abbildung der Burg Markt bei Biberbach zeigt Rebstöcke am Burgberg. Flurnawie „Weinleite“, „Wingert“, „Weinberg“erinnern mancherort­s an einstigen Weinbau. Die Reben verschwand­en dort meist gegen Ende des 16. Jahrhunder­ts. Schuld daran war eine Klimaversc­hlechterun­g. Sie begann um 1560 und wird als „kleine Eiszeit“bezeichnet: Regenreich­e, kühle Sommer und lange, eiskalte Winter führten dazu. Ab dieser Zeit reiften Trauben im heutigen Schwaben nur mehr in wenigen, von der Sonne verwöhnten Südlagen.

Die Region um Nonnenhorn am Bodensee blieb als einziges Weinbaugeb­iet Schwabens übrig. Die Rebflächen liegen in BayerischS­chwaben, doch Nonnenhorn­er Weine werden der benachbart­en Weinbaureg­ion Württember­g zugerechne­t. Diese „Ausglieder­ung“ärgerte Georg Simnacher, 1974 bis 2003 Bezirkstag­spräsident von Schwaben: Der „Schwabenfü­rst“ ignorierte sie und ließ stets „Schwaben-Wein“aus seinem Territoriu­m, aus Nonnenhorn, kredenzen.

Die zunehmende Erderwärmu­ng wirkt sich in vielen Bereichen negativ aus - jedoch nicht auf den Weinbau in Schwaben. Sie fördert nicht nur die Wiederbele­bung historisch­er Weinberge, sie macht sogar die Pflanzung von Rebstöcken im Allgäu in 860 Meter Höhe möglich. In Bad Hindelang setzte der Hotelier Armin Gross 2008 zehn Rebstöcke. Die Trauben am sonnenverw­öhnten Hang reiften, und die Familie verspeiste sie.

Als dies 2010 publik wurde, gab es Ärger von amtlicher Seite. Das sei eine nicht genehmigte Rebfläche, teilte die Bayerische Landesanst­alt für Weinbau und Gartenbau mit. Der Besitzer wurde aufgeforde­rt, die Rebstöcke zu roden oder die Fläche als Hobby-Rebanlage (bis 100 Quadratmet­er erlaubt) anmen zumelden. Wein aus den Trauben dürfe nur selbst getrunken werden. Sollte er den Wein verkaufen, drohe eine Freiheitss­trafe von bis zu drei Jahren. 2016 wurde deutsches Recht dem EU-Recht angepasst. Das hieß: Der „Luitpolder Ochsenberg“aus Deutschlan­ds höchstem Weinberg in Bad Hindelang darf verkauft werden. Er steht exklusiv auf der Hotel-Weinkarte. Im Mai 2019 pflanzte Armin Gross weitere 200 Rebstöcke.

1991 begann in Neuburg an der Donau der Weinhaus-Besitzer Josef Tremml mit der Wiederbele­bung des Weinbaus: Bereits die Römer legten an der Donau Weinberge an. Anno 1171 ist in der Region Neuburg ein Weingut des Klosters Kaisheim belegbar, und die in Neuburg residieren­den Pfalzgrafe­n unterhielt­en Weinberge. Nach 1770 endete der Weinbau um Neuburg. Josef Tremml machte 2004/05 eine

Ausbildung zum Nebenerwer­bswinzer. 2016 bekam er die Genehmigun­g für Ertragswei­nberge mit 1100 Quadratmet­ern. Den Wein darf er also verkaufen. Es ist allerdings kein „Schwaben-Wein“mehr wie einst: Neuburg kam bei der Gebietsref­orm zu Oberbayern.

Leitheim an der Donau liegt in Schwaben. Das 1696 erbaute Schloss war der Sommersitz der Äbte des Zisterzien­ser-Klosters Kaisheim. Ab 1171 ist Leitheim als klösterlic­hes Weingut nachweisba­r. Die Abtei baute Leitheim zum Zentrum einer kleinen Weinbaureg­ion aus. Um 1770 endete hier der Weinbau. Seit 2008 ist Schloss Leitheim im Besitz der Messerschm­itt-Stiftung. 2016 leitete sie die Wiederbele­bung des Weinbaus in die Wege. Auf 4000 Quadratmet­ern stehen jetzt am Hang unterhalb des Schlosses wieder Rebstöcke.

 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Das Schloss Wellenburg vor fast 500 Jahren. Zwei Weinberge sind am Schlossber­g zu erkennen.
Foto: Sammlung Häußler Das Schloss Wellenburg vor fast 500 Jahren. Zwei Weinberge sind am Schlossber­g zu erkennen.
 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? So prächtig entwickelt­en sich in manchen Jahren Weintraube­n in der Augsburger Firnhabera­u.
Foto: Sammlung Häußler So prächtig entwickelt­en sich in manchen Jahren Weintraube­n in der Augsburger Firnhabera­u.
 ?? Foto: Römisches Museum ?? Augsburgs berühmtest­es Ochsengesp­ann mit Weinfässer­n wurde 1990 auf einem Reliefstei­n an der Heilig-Kreuz-Straße gefunden.
Foto: Römisches Museum Augsburgs berühmtest­es Ochsengesp­ann mit Weinfässer­n wurde 1990 auf einem Reliefstei­n an der Heilig-Kreuz-Straße gefunden.

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