Schwaben-Wein erlebt seine Wiedergeburt
Aus Augsburger Trauben wird Wein gekeltert. Vor 500 Jahren gab es Weinberge am Schloss Wellenburg. Wie sich Klöster früher die Lieferung des edlen Rebensaftes sicherten
Die Römer brachten den Wein nach Augusta Vindelicum. In Augsburg erinnern das Grabmal eines Weinhändlers, ein Steinrelief mit zwei Weinfässern mit einem Ochsengespann und Weingläser aus der Römerzeit an den Weinhandel und den Weinkonsum in der Antike. Dass die Römer in Augusta Vindelicum Reben pflanzten, dafür gibt es keine Belege. Das ist heute anders: In Gärten in der Firnhaberau, im Bärenkeller und in anderen Stadtteilen tragen Rebstöcke im Herbst nicht nur dekoratives Laub, sondern reife Trauben. Sie werden meist verspeist. In der Firnhaberau keltert ein Hobbywinzer seine Ernte. Der „Hauswein“reicht für den Familienverbrauch.
Bis 2016 ließ deutsches Recht außerhalb von anerkannten Weinbaugebieten eine Rebfläche bis 100 Quadratmeter und die Weinherstellung ausschließlich zum Eigenverbrauch zu. In Augsburg spielte diese Beschränkung keine Rolle: Hier gibt es seit rund 450 Jahren keinen als Ertragsfläche nutzbaren Weinberg mehr. Der einzige auf dem heutigen Stadtgebiet nachweisbare Weinberg befand sich unterhalb des Schlosses Wellenburg. Er ist anno 1536 letztmals abgebildet.
Vor 500 Jahren gab es in Augsburger Kloster- und Patriziergärten sowie an Hauswänden Rebstöcke. Man liebte Trauben aus eigenem Anbau. Ob auch welche zu Wein vergoren wurden, ist nicht überliefert. 1540 vermerkte ein Augsburger Chronist, „dass die Weinreben, so die Bürger allhie an ihren Häusern aufzügeln, im Juli zeitige Trauben bekamen, dessen man bei uns nicht gewohnt war, da sie ansonsten kaum im Oktober reifen“. Anfang August 1540 sei „der beste und süßeste Most allhier auf den Weinmarkt gebracht und verkauft worden“. Dieser „Suser“kam sicherlich aus typischen Weinbauregionen, nicht von Augsburger Trauben.
In Augsburgs Klöstern trank man guten Wein. Deshalb besaßen sie schon vor rund 1000 Jahren Weinberge in entfernten Weinbaugebieten. Die Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra bekam zwischen 1006 und 1029 vom Bischof ein Weingut in Bozen. Die Abtei kaufte dazu und besaß dort um 1200 sechs Weinhöfe. Auch im heutigen Schwaben wurde Wein erzeugt. Doch weder in der Menge noch in der Qualität konnte er gegen Weine aus dem Süden, vom Neckar und vom Rhein konkurrieren.
Für den Weinbau in unserer Region gibt es frühe Belege. Anno 1280 wird ein „Wingartlehen“bei Druisheim über der Schmutter erwähnt. Hier stand eine Burg. Eine „um 1560“datierte Abbildung der Burg Markt bei Biberbach zeigt Rebstöcke am Burgberg. Flurnawie „Weinleite“, „Wingert“, „Weinberg“erinnern mancherorts an einstigen Weinbau. Die Reben verschwanden dort meist gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Schuld daran war eine Klimaverschlechterung. Sie begann um 1560 und wird als „kleine Eiszeit“bezeichnet: Regenreiche, kühle Sommer und lange, eiskalte Winter führten dazu. Ab dieser Zeit reiften Trauben im heutigen Schwaben nur mehr in wenigen, von der Sonne verwöhnten Südlagen.
Die Region um Nonnenhorn am Bodensee blieb als einziges Weinbaugebiet Schwabens übrig. Die Rebflächen liegen in BayerischSchwaben, doch Nonnenhorner Weine werden der benachbarten Weinbauregion Württemberg zugerechnet. Diese „Ausgliederung“ärgerte Georg Simnacher, 1974 bis 2003 Bezirkstagspräsident von Schwaben: Der „Schwabenfürst“ ignorierte sie und ließ stets „Schwaben-Wein“aus seinem Territorium, aus Nonnenhorn, kredenzen.
Die zunehmende Erderwärmung wirkt sich in vielen Bereichen negativ aus - jedoch nicht auf den Weinbau in Schwaben. Sie fördert nicht nur die Wiederbelebung historischer Weinberge, sie macht sogar die Pflanzung von Rebstöcken im Allgäu in 860 Meter Höhe möglich. In Bad Hindelang setzte der Hotelier Armin Gross 2008 zehn Rebstöcke. Die Trauben am sonnenverwöhnten Hang reiften, und die Familie verspeiste sie.
Als dies 2010 publik wurde, gab es Ärger von amtlicher Seite. Das sei eine nicht genehmigte Rebfläche, teilte die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau mit. Der Besitzer wurde aufgefordert, die Rebstöcke zu roden oder die Fläche als Hobby-Rebanlage (bis 100 Quadratmeter erlaubt) anmen zumelden. Wein aus den Trauben dürfe nur selbst getrunken werden. Sollte er den Wein verkaufen, drohe eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. 2016 wurde deutsches Recht dem EU-Recht angepasst. Das hieß: Der „Luitpolder Ochsenberg“aus Deutschlands höchstem Weinberg in Bad Hindelang darf verkauft werden. Er steht exklusiv auf der Hotel-Weinkarte. Im Mai 2019 pflanzte Armin Gross weitere 200 Rebstöcke.
1991 begann in Neuburg an der Donau der Weinhaus-Besitzer Josef Tremml mit der Wiederbelebung des Weinbaus: Bereits die Römer legten an der Donau Weinberge an. Anno 1171 ist in der Region Neuburg ein Weingut des Klosters Kaisheim belegbar, und die in Neuburg residierenden Pfalzgrafen unterhielten Weinberge. Nach 1770 endete der Weinbau um Neuburg. Josef Tremml machte 2004/05 eine
Ausbildung zum Nebenerwerbswinzer. 2016 bekam er die Genehmigung für Ertragsweinberge mit 1100 Quadratmetern. Den Wein darf er also verkaufen. Es ist allerdings kein „Schwaben-Wein“mehr wie einst: Neuburg kam bei der Gebietsreform zu Oberbayern.
Leitheim an der Donau liegt in Schwaben. Das 1696 erbaute Schloss war der Sommersitz der Äbte des Zisterzienser-Klosters Kaisheim. Ab 1171 ist Leitheim als klösterliches Weingut nachweisbar. Die Abtei baute Leitheim zum Zentrum einer kleinen Weinbauregion aus. Um 1770 endete hier der Weinbau. Seit 2008 ist Schloss Leitheim im Besitz der Messerschmitt-Stiftung. 2016 leitete sie die Wiederbelebung des Weinbaus in die Wege. Auf 4000 Quadratmetern stehen jetzt am Hang unterhalb des Schlosses wieder Rebstöcke.