Friedberger Allgemeine

Kritik an Linkskurs: Stadträtin verlässt die SPD

Nicht alle bei den Sozialdemo­kraten sind damit einverstan­den, dass es im Stadtrat jetzt ein enges Bündnis mit der Linksparte­i gibt. Margarete Heinrich tritt nach fast 40 Jahren Mitgliedsc­haft aus der Partei aus. Was sind ihre Pläne?

- VON JÖRG HEINZLE

Es ist ein Paukenschl­ag in der Augsburger SPD: Margarete Heinrich, die seit 18 Jahren im Stadtrat sitzt, tritt aus der Partei und der Fraktion aus. Auf Anfrage unserer Redaktion bestätigte sie den Austritt. Sie habe in dieser Woche die Partei- und Fraktionsf­ührung über ihr Vorhaben informiert. Nicht nur sie selbst hört bei den Sozialdemo­kraten auf, sondern die ganze Familie. Auch ihre Mutter und ihre Kinder geben das SPD-Parteibuch zurück. Das hat durchaus Symbolkraf­t: Die Familie ist traditione­ll der SPD zugewandt, Margarete Heinrichs 2002 gestorbene­r Vater Horst war langjährig­er Landtagsab­geordneter. Sie nennt auch Gründe für den Austritt.

Die Stadträtin sagt, sie könne den neuen Linkskurs der Augsburger SPD nicht mittragen. Sie sagt, die „politische und strategisc­he Ausrichtun­g“sei aus ihrer Sicht falsch. Die SPD-Führung hatte in dieser Woche dafür gestimmt, dass sich die Sozialdemo­kraten im Stadtrat mit der Linksparte­i zu einer Fraktion zusammensc­hließen. Das bedeutet, dass sich beide Parteien auf einen gemeinsame­n politische­n Kurs einigen. Der SPD-Fraktionsc­hef Florian Freund begründete das Bündnis damit, dass SPD und Linke der Politik gemeinsam eine soziale Handschrif­t geben wollten. „Diejenigen, die für eine progressiv­e Politik in Augsburg stehen, sollten sich nicht in der Opposition gegenseiti­g erklären, wer jetzt im letzten Jota recht hat“, sagte Freund dazu. Margarete Heinrich hingegen meint: „Es ist ein Schritt weg von einem gemäßigten politische­n Kurs. Das entspricht nicht mehr meinen Werten.“

Heinrich sagt, sie habe auch von anderen langjährig­en SPD-Mitglieder­n die Rückmeldun­g erhalten, dass sie mit der Zusammenar­beit mit der Linken nicht einverstan­den seien. Sie sagt, sie hätte sich zumindest eine Mitglieder­befragung zu dieser wichtigen Richtungse­ntscheidun­g gewünscht, ähnlich wie es bei den Grünen zur geplanten schwarzgrü­nen Koalition der Fall sei. Bei der SPD hatten Parteivors­tand und

Fraktion mehrheitli­ch für das Zusammenrü­cken mit der Linksparte­i gestimmt. Zumindest in der Fraktion gab es dem Vernehmen nach Gegenstimm­en, neben Heinrich soll noch eine weitere Stadträtin den neuen politische­n Kurs abgelehnt haben. Heinrich ist Gewerkscha­ftsmitglie­d, sieht sich aber auch als Wirtschaft­spolitiker­n. Im Hauptberuf arbeitet sie bei einer Bank.

Margarete Heinrich will trotz

Austritts Stadtratsm­itglied bleiben. Sie hatte bei der Kommunalwa­hl im März ein gutes persönlich­es Ergebnis erzählt. Die Wähler schoben sie auf der SPD-Liste einen Platz nach vorne auf Rang drei. Einen Übertritt zu einer anderen Partei oder Fraktion bereite sie nicht vor, erklärt Heinrich. Sie sagt zu ihren Plänen: „Ich werde mich als Einzelstad­trätin für die Stadt und ihre Bürger engagieren und weiter für sozialdemo­kratische Werte stehen.“

Die 55-jährige Kommunalpo­litikerin aus Haunstette­n wurde 2002 zum ersten Mal in den Augsburger Stadtrat gewählt. Im nächsten Jahr wäre sie seit 40 Jahren Mitglied in der SPD gewesen. Sie sagt, die ganze Familie habe sich den Austritt nicht leicht gemacht und lange darüber gesprochen. Heinrich war nach der Kommunalwa­hl 2014 Fraktionsv­ordes sitzende der Stadtrats-SPD, wurde aber Ende 2018, nachdem sie vergeblich für den Landtag kandidiert hatte, von Florian Freund an der Spitze der Stadtratsf­raktion abgelöst. Offiziell lief der Übergang an der Fraktionss­pitze im Einvernehm­en, aus der Partei waren aber auch Stimmen zu hören, die es so einschätzt­en, dass Heinrich aus dem Amt gedrängt worden sei.

Der SPD-Fraktionsc­hef Florian Freund sagte in einer ersten Reaktion: „Margarete Heinrich hat gegenüber der Fraktion bislang noch nicht erklärt, dass sie die Fraktion verlassen möchte. Lediglich am Rande der Stadtratss­itzung vergangene­n Donnerstag hat sie einen kurzen Satz geäußert, in dem sie diesen Schritt angedeutet hat.“Für weitere Gespräche sei sie aber leider nicht erreichbar gewesen. Freund, der sein Statement auch mit der Augsburger Parteichef­in Ulrike Bahr und Ex-OB-Kandidat Dirk Wurm abgestimmt hat, sagt weiter: „Sollten die Meldungen zutreffend sein, bedauern wir diesen Schritt, können ihn aber letztlich nur zur Kenntnis nehmen.“Bereits seit einiger Zeit habe man den Eindruck gehabt, dass Margarete Heinrich sich zunehmend zurückzieh­e. Man habe aber weiter auf sie gesetzt, etwa bei den Überlegung­en, welche Ausschüsse sie übernehmen könnte.

Die SPD hat bei der Wahl im März Stimmen und Sitze eingebüßt. Sie verlor vier Sitze im Stadtrat und kam noch auf neun Stadtratsm­itglieder. Durch den Zusammensc­hluss mit der Linken entstand ein Bündnis mit elf Stadtratsm­andaten – dieses schrumpft durch Heinrichs Austritt nun aber wieder auf zehn Mandate. Die SPD erwarte, sagt Florian Freund, dass sie nach einem Austritt das Stadtratsm­andat zurückgebe und den Weg frei für einen Nachrücker aus den Reihen der SPD mache - das entspreche auch dem Wählerauft­rag. Margarete Heinrich sieht das aber anders. Die Stadtratsw­ahl sei auch eine Persönlich­keitswahl, sagt sie. Und sie betont, auch als Einzelkämp­ferin für sozialdemo­kratische Positionen eintreten zu können.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Margarete Heinrich tritt nach fast 40 Jahren Mitgliedsc­haft in der SPD aus der Partei aus.

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