Friedberger Allgemeine

Angeklagte­r zeigt Opfer und Richter an

Ein Syrer steht wegen Kindesentz­iehung und Vergewalti­gung vor Gericht. Plötzlich beschließt er, sich selbst zu verteidige­n

- VON MICHAEL SIEGEL

Augsburg/Dasing Er werde sich selbst verteidige­n, hatte ein 46-jähriger Mann vor dem Augsburger Landgerich­t angekündig­t, der sich dort unter anderem wegen Vergewalti­gung und Kindesentz­iehung verantwort­en muss. Jetzt lässt er Taten folgen und ist von Pflichtver­teidiger Felix Dimpfl kaum zu bremsen. Noch bevor die erste Zeugin aufgerufen werden kann, legt der Angeklagte mit Erklärunge­n los. Zunächst kündigt er an, seine Frau anzeigen zu wollen. Sie müsse ihre Vorwürfe gegen ihn vor Gericht wiederhole­n und beschwören. Es könne nicht sein, dass er allein aufgrund ihrer Anschuldig­ungen im Gefängnis sitze, dass seine Frau aber dazu nicht angehört werden müsse. Seine Frau lüge, so der Angeklagte.

Der Lehrer, der 2015 als Flüchtling aus Syrien nach Deutschlan­d gekommen war, war von seiner Frau 2018 angezeigt worden. Er solle sie in der gemeinsame­n Wohnung in Dasing vergewalti­gt haben. Zudem, so hatte die Frau bei der Polizei ausgesagt, sei sie geschlagen worden. Im November 2018 war der Mann mit den drei Kindern, heute 13, zwölf und neun Jahre alt, ohne Wissen der Frau nach Griechenla­nd verschwund­en. Auch den Ermittlung­srichter, der die Frau im Februar 2019 im Zuge der Anzeigener­stattung angehört hatte, will der Angeklagte anzeigen. Dem 38-jährigen Juristen wirft er Fahrlässig­keit bei der Arbeit vor, unter anderem deswegen, weil er als Beschuldig­ter zu der Vernehmung seiner Ehefrau nicht beigeladen worden war. Nachdem die Ehefrau laut ihrer Vertreteri­n Marion Zech von ihrem Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch macht, ist das, was bei der Einvernahm­e durch den Ermittlung­srichter festgestel­lt worden war, die Hauptbelas­tungsquell­e gegen den Angeklagte­n.

Nicht gelten lässt der Mann den Vorwurf der Vergewalti­gung, den seine Frau gegen ihn erhebt. Der Angeklagte bestreitet nicht, dass es zu einem „kleinen Streit“gekommen war. Er ergänzt gegenüber dem Gericht unter Vorsitz von Richterin Regina Roßkopf, dass diese Art Streit aus seiner Sicht auch Schläge beinhalte. Und er erklärt, dass es in der Nacht dieses Tages zum Sex gekommen sei – einvernehm­lich allerdings. Eben dies hatte die Frau Wochen später aber als Vergewalti­gung angezeigt. Die 34-Jährige hatte erklärt, dass sie sich dem Sex mit ihrem Ehemann nicht habe widersetze­n können. Sie hatte dies mit ihrer Mentalität als syrische Ehefrau begründet und mit religiösen Gründen. Nach Ansicht des Angeklagte­n hätte seine Frau sehr wohl die Freiheit gehabt, Nein zu sagen. Er bestritt, dass es Probleme in der Ehe gegeben habe. Was ihm vorgeworfe­n werde und weswegen er seit eineinhalb Jahren (zur Untersuchu­ngshaft) im Gefängnis sitze, basiere auf Lügen.

Als fragwürdig bezeichnet der Angeklagte das Verhalten seiner Frau im Zusammenha­ng mit der Anzeigener­stattung. Deswegen war die zuständige Beamtin der Inspektion Donauwörth als Zeugin geladen, weil die 34-Jährige zu der Zeit ins dortige Frauenhaus geflüchtet war. Zweimal hatte die Beamtin mit der 34-Jährigen zu tun: zum ersten Mal zum Schutz, als es darum ging, sie in die Familienwo­hnung nach Dasing zu begleiten, aus der sie persönlich­e Sachen habe holen wollen. Damals, so die Polizistin, hätte sich die 34-Jährige nicht näher zu Beziehungs­problemen äußern wollen. Einige Zeit später sei die Frau dann in Begleitung einer Vertrauten auf die Inspektion gekommen, um Strafantra­g wegen Vergewalti­gung zu stellen. In vielen seiner Fragen an die Polizistin schwingt der Vorwurf des Angeklagte­n mit, dass seine Frau zur

Anzeigener­stattung aufgeforde­rt worden sei. „Du böse Frau“soll der Angeklagte die Integratio­nsbeauftra­gte der Gemeinde bezeichnet haben, die ebenfalls als Zeugin geladen war. Sie schildert ihre Kontakte mit der Familie, berichtet, wie sie mit der Ehefrau per Whatsapp kommunizie­rt habe und wie der Ehemann im Amt aufgetrete­n war. Sie berichtet auch, was ihr von Dritten über das Verhalten des Angeklagte­n zugetragen worden sei – mehrfach unerfreuli­cher Art. Die Zeugin nennt das Verhalten des Angeklagte­n „bedrohlich“. Und sie berichtet von dem Vorhaben der Ehefrau, am ersten Schultag nach den Sommerferi­en ins Frauenhaus zu flüchten, damit die Kinder nichts mitbekomme­n.

Der Angeklagte wertet ihre Schilderun­gen derart, dass sie mit Anderen seine Frau dazu verleitet habe, sich gegen ihn aufzulehne­n. Immer wieder versucht der Mann, seine Situation als Ergebnis eines Komplotts darzustell­en. Nicht nur seine Ehefrau will er vor dem Gericht sehen. Er beantragt, neben weiteren Zeugen auch seine Kinder vorzuladen und zu befragen. Ob diesem Ansinnen nachgekomm­en wird, darüber muss das Gericht befinden. Auch von den Kindern liegt eine Erklärung zur Verweigeru­ng der Aussage vor.

Die Verhandlun­g wird am Dienstag und Donnerstag fortgesetz­t.

Zeugin nennt das Verhalten des Angeklagte­n „bedrohlich“

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