Friedberger Allgemeine

Volksfest-Feeling fürs Wohnzimmer

Not macht erfinderis­ch: Die Schaustell­erin Angela Wittmer aus Friedberg liefert gebrannte Mandeln und Schokofrüc­hte aus, um über die Runden zu kommen

- VON JOSEF BRUTSCHER

Friedberg Eigentlich sollte Angela Wittmer heute mit ihrem Stand auf dem Augsburger Frühjahrsp­lärrer vertreten sein. Doch da die Coronakris­e dafür gesorgt hat, dass fast alle Feste und Märkte abgesagt wurden, sind die Sorgen bei den Wittmers groß. Denn das Geld wird knapp. Die Rücklagen, die noch von den Weihnachts­märkten 2019 herrühren, sind so gut wie aufgebrauc­ht. Staatliche Soforthilf­e ist trotz gestelltem Antrag nicht in Sicht. Obwohl Bekannte der Familie Wittmer wohl schon Zuschüsse bekommen haben.

Daher muss Angela Wittmer, die in Friedberg wohnt, die Sache selbst in die Hand nehmen: Kurzum stellt sie von Sommer auf Winter um. Denn eigentlich bietet der Familienbe­trieb im Sommer Pistolensc­hießen und Pfeilwerfe­n und im Winter gebrannte Mandeln und andere Leckerbiss­en

auf Volksfeste­n an. Also nutzt die Marktkauff­rau ihre verblieben­e Möglichkei­t und liefert seit Dienstag in einem Umkreis von 20 Kilometern Mandeln, Schokofrüc­hte und Magenbrot aus. Die Resonanz ist überrasche­nd positiv.

Auf Facebook und per Telefon erhält Angela Wittmer jeden Tag dutzende Bestellung­en, sowie lobende und aufmuntern­de Rückmeldun­gen. Für 180 Gramm gebrannte Mandeln verlangt sie 5 Euro inklusive Lieferung, für eine Schoko-Banane 3 Euro. Muss sie sehr weit fahren, gilt ein Mindestbes­tellwert. Lohnt sich das?

Zwar ist es ihrer Aussage nach natürlich deutlich weniger Einkommen als durchschni­ttlich, aber es ist ein Anfang. „Der Lieferserv­ice fängt uns zum Teil auf; es ist ein kleiner Hoffnungss­chimmer“, sagt sie. Ebenso wie für die Menschen, die sie beliefert. Schon ein paar gebrannte Mandeln können in diesen unsicheren Zeiten Glücksgefü­hle auslösen oder das Arbeiten von zuhause ein wenig angenehmer machen, schreibt eine Frau auf Facebook.

Vor 40 Jahren stand Angela Wittmer bereits mit ihrer Mutter zusammen auf dem Weihnachts­markt in Mering und verkaufte Süßigkeite­n. Seitdem hat sie das Geschäft mehr und mehr übernommen. Trotzdem hat sie in der Branche selten so unsichere Zeiten wie diese erlebt. „Wie soll man eine ganze Familie ernähren, wenn man seine Arbeit nicht ausüben kann“, fragt sie sich. Und die Wittmers sind nicht die Einzigen, die sich mit derartigen Umständen konfrontie­rt sehen. Der deutsche Schaustell­erbund macht sich gerade jetzt für Buden- und Fahrgeschä­ftbetreibe­r stark. Auf der Internetse­ite warnt der Verband, dass tausende von Familienbe­trieben und somit auch eine 1200-jährige Volksfestk­ultur bedroht sind, sollten keine weiteren Liquidität­shilfen folgen. Bis dahin wird sich auch Angela Wittmer mit ihrem Lieferserv­ice über Wasser halten müssen.

Bestelldat­en Angela Wittmer, Telefon: 0177751291­4.

 ?? Foto: Angela Wittmer ?? Die Schaustell­erin Angela Wittmer liefert Schokofrüc­hte, gebrannte Mandeln und mehr nach Hause aus, um überleben zu können.
Foto: Angela Wittmer Die Schaustell­erin Angela Wittmer liefert Schokofrüc­hte, gebrannte Mandeln und mehr nach Hause aus, um überleben zu können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany