Friedberger Allgemeine

Airbus-Chef schreibt Brandbrief

Guillaume Faury wendet sich direkt an die Beschäftig­ten des Konzerns. Der Franzose zeichnet ein dramatisch­es Bild des europäisch­en Flugzeugba­uers und stimmt die Belegschaf­ten auf härtere Zeiten ein

- VON STEFAN STAHL

Toulouse Guillaume Faury ist ein besonnener Mensch. Der Airbus-Chef neigt als Ingenieur nicht dazu, Dinge zuzuspitze­n. Doch in außergewöh­nlichen Zeiten hat sich die Tonlage des 52-Jährigen dramatisch verändert. In seinem Schreiben an alle rund 135000 Mitarbeite­r des deutsch-französisc­h-spanischen Konzerns, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „In der Tat überlegen bereits viele Regierunge­n, wie sie die von ihnen eingericht­eten Restriktio­nen aufheben können – so wie auch Unternehme­n über die unmittelba­re Krise hinaus auf die Welt von morgen blicken.“Doch leider werde die Luftfahrti­ndustrie sehr viel schwächer und verletzlic­her in dieser neuen Welt ankommen.

Faury – das wird in dem Brief deutlich – arbeitet nun mit seinem Team intensiv daran, „das Ausmaß des Schadens zu begrenzen“. Die wirtschaft­liche Lage stellt sich demnach für das Unternehme­n als sehr ernst dar. Denn der Airbus-Konzern, der in unserer Region direkt und indirekt an den Standorten in Manching bei Ingolstadt und Augsburg insgesamt knapp 16000 Frauen und Männer beschäftig­t, musste auf die Fertigungs­bremse drücken. So liegen die Produktion­sraten 30 bis 35 Prozent unter den bisherigen Plänen. Faury lässt deshalb die Mitarbeite­r unverblümt wissen: „Mit anderen Worten, in nur wenigen Wochen haben wir rund ein Drittel unseres Geschäfts verloren. Ja, ein Drittel.“Und der Manager fügt hinzu: „Ehrlich gesagt ist dies nicht einmal das schlimmste Szenario, mit dem wir konfrontie­rt sein könnten.“

Faury stimmt die Mitarbeite­r also auf noch schwierige­re Zeiten für das Unternehme­n als heute ein. Bisher müssen sich erst tausende AirbusBesc­häftigte mit Kurzarbeit anfreunden. In Frankreich sind davon rund 3000 Frauen und Männer in einer ersten Welle betroffen. Auch deutsche Standorte bleiben nicht verschont. Noch nennt das Unternehme­n hier keine konkreten Zahlen. Was aber interessan­t ist: Faury räumt ein, dass der Konzern Mitarbeite­r in einigen Ländern gebeten habe, bis Mitte Mai bis zu zehn Tage An keiner Stelle des Briefs ist jedoch konkret von einem geplanten Abbau von Arbeitsplä­tzen die Rede, auch wenn das Schreiben in Beschäftig­tenkreisen schon so interpreti­ert wird, dass Faury die Mitarbeite­r auf drohende Stellenstr­eichungen einstimmen wolle. So schreibt er, aber nur allgemein: „Möglicherw­eise müssen wir jetzt jedoch noch weitreiche­ndere Maßnahmen vorbereite­n. Dies liegt an der Größe dieser Krise und ihrer wahrschein­lichen Dauer. Wir müssen daher alle Optionen in Betracht ziehen.“Der Manager richtet einen Appell an die Beschäftig­ten: „Wenn wir nicht jetzt agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich.“

Das massive Zurückfahr­en der Produktion wirkt sich natürlich negativ auf den Konzern aus. Faury wirkt besorgt. „Wir sehen uns einem gravierend­en und unmittelba­ren Ungleichge­wicht zwischen unseren Einnahmen und Kosten gegenüber.“Dann fällt der dramatisch klingende Satz: „Der Abfluss an Liquidität erfolgt in einem so hohen Tempo, dass dies die Existenz unseres Unternehme­ns gefährden könnDonauw­örth, te. Deshalb habe sich Airbus schnell bemüht, zusätzlich­e Kreditlini­en von rund 15 Milliarden Euro zu sichern. Dazu notiert Faury: „Sie geben uns die Flexibilit­ät und Zeit, Anpassunge­n an unserem Geschäft und unserer Größe vorzunehme­n.“Doch Kredite allein – auch das ist die Botschaft an die Beschäftig­ten – reichen für den Flugzeugba­uer nicht allein, um die Krise zu überwinden. Der Airbus-Chef verspricht auch, „umgehend zu handeln und die Ausgaben zu reduzieren, um so letztendli­ch Herr über unser Schicksal zu werden“.

Faury gewährt auch einen Einblick in die unmittelba­ren Auswirkung­en der Pandemie auf die Gesundheit der Mitarbeite­r. Er wirkt tief betroffen. Demnach sind hunderte Airbus-Beschäftig­te positiv auf das Virus getestet worden. Und er schreibt: „Mit tiefer Trauer muss ich Sie leider darüber informiere­n, dass einige unserer Kolleginne­n und Kollegen infolge des Virus verstorben sind.“Der Manager nennt jedoch keine Zahlen. Inmitten der Finsternis gebe es aber Licht, sei die Zahl der bestätigte­n Infektione­n infreizune­hmen. nerhalb des Unternehme­ns in der vergangene­n Woche doch gesunken. So endet der Brief des AirbusChef­s – wie so oft in diesen Wochen – mit der Hoffnung: „Bleiben Sie gesund.“Doch Ungewisshe­it ist die ständige Begleitper­son in der Corona-Zeit. Sie macht es auch dem Manager schwer, die Lage richtig einzuschät­zen. Der Franzose fragt sich: „Wird es eine kurze und tiefe Krise mit einer schnellen Erholung sein? Oder wird es länger dauern und schmerzhaf­ter sein, wenn die ursprüngli­che Nachfrage erst in fünf oder zehn Jahren wieder erreicht wird?“Schmerzhaf­t sind die wirtschaft­lichen Auswirkung­en für das lange erfolgsver­wöhnte Unternehme­n mit einem Rekordauft­ragsbuch schon heute, denn immer mehr in Not geratene Airlines klopfen an und fragen nach, ob Aufträge verschoben werden können.

Da aber Flug- oder Leasingges­ellschafte­n bei der Annahme eines Auftrags durch Airbus im Schnitt nur rund 20 Prozent des Kaufpreise­s entrichten müssen, kommt die heftige Krise des Luftverkeh­rs dem Flugzeugba­uer teuer zu stehen.

 ?? Foto: Yoan Valat, dpa ?? Ein Satz, der nachhallt: „Wenn wir nicht jetzt agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich.“Airbus-Chef Guillaume Faury ist tief besorgt über die Lage der Luftfahrti­ndustrie.
Foto: Yoan Valat, dpa Ein Satz, der nachhallt: „Wenn wir nicht jetzt agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich.“Airbus-Chef Guillaume Faury ist tief besorgt über die Lage der Luftfahrti­ndustrie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany