Friedberger Allgemeine

Uferloser Streit am Ufer

Unbebaute Streifen an Flüssen, Bächen und Seen sollen Tiere im Wasser vor Dünger und Erdeinfall schützen. Doch obwohl ein Gesetz Gewässerra­ndstreifen seit 2019 vorschreib­t, ist derzeit noch unklar, wo sie verpflicht­end sind

- VON MARLENE WEYERER

Unbebaute Streifen an Flüssen, Bächen und Seen sollen Tiere im Wasser vor Dünger und Erdeinfall schützen. Doch die Rechtslage bleibt unklar.

Aichach-Friedberg Es klingt wie eine simple Frage und doch ist es ein sensibles Thema, über das sich Landwirte, Fischer und Behörden im Landkreis Aichach-Friedberg aufregen: Was ist ein Gewässer? Nach dem erfolgreic­hen Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“hat der Landtag e zum 1. August 2019 das Bayerische Naturschut­zgesetz verändert. Die neuen Regelungen sollen allerdings nicht nur Insekten schützen. Auch andere Tiere wie Fische in heimischen Gewässern sollen bessere Überlebens­chancen bekommen.

Eine der neuen Regelungen zum Schutz der Artenvielf­alt in Bächen,

„Man kann nicht erst was vorschreib­en und dann überlegen, wie es gemacht werden soll.“

BBV-Kreisobman­n Reinhard Herb

Flüssen und Seen sind die sogenannte­n Gewässerra­ndstreifen – Flächen am Uferrand von Gewässern, die nicht für Garten- oder Ackerbau verwendet werden dürfen. Auf Grundstück­en des Freistaate­s müssen diese unbebauten Streifen zehn Meter breit sein, in den restlichen Gebieten fünf Meter. Sie sollen alle natürliche­n und naturnahen Gewässer in Bayern schützen.

Die Streifen verhindern, dass bei Starkregen Erde und Dünger ins Gewässer geschwemmt werden. Dünger schadet der Gewässerbi­ologie. Die Erde verhärtet sich im Laufe der Zeit oder legt sich als Schlammsch­icht über den Kies am Grund. Viele Fische in heimischen Gewässern sind Kieslaiche­r, die einen lockeren Boden brauchen. Kieslaiche­r, zu denen zum Beispiel Forellen gehören, legen ihre Eier am Gewässergr­und ab und bedecken sie mit Kies.

Das ist bei einem verhärtete­n Boden oder einer Schlammsch­icht auf dem Kies nicht möglich. Außerdem könnten auf den Randstreif­en Bäume oder Sträucher wachsen, die ihren Schatten auf das Gewässer werfen. In heißen Sommern steigt die Wassertemp­eratur in Flüssen inzwischen so stark an, dass manche Fischarten Probleme bekommen. Beschattun­g durch Pflanzen am Uferrand kann dem entgegenwi­rken.

Zuständig für die Frage, was in Aichach-Friedberg ein Gewässer ist und somit in das Gesetz miteinbezo­gen werden muss, ist das Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth. Das hat bereits 2019 einen Plan erstellt, auf dem die Gewässer im Landkreis eingezeich­net waren. Diese „Kulisse“wurde inzwischen aber wegen zu vieler Beschwerde­n wieder zurückgeno­mmen.

Patrizia Ernst, Leiterin der Abteilung Aichach-Friedberg im Wasserwirt­schaftsamt, erklärt das mit der fehlenden Zeit zwischen Gesetzesbe­schluss und Umsetzung. „Wir mussten in kurzer Zeit eine Kulisse erstellen“, sagt Ernst. Dadurch seien keine Ortsbesich­tigungen möglich gewesen. Problem am originalen Plan war unter anderem, dass auch Bewässerun­gsgräben von Landwirten eingezeich­net waren, die zu keinem Gewässer führen und daher eigentlich keinen Randstreif­en benötigen. Sogar „grüne Gräben“, in die nur ab und zu Wasser fließt, sollten laut Plan einen Gewässerra­ndstreifen bekommen, dabei gelten sie nicht als Gewässer. Patrizia Ernst sagt, es werde einen neuen Plan geben, betont aber, das Gesetz sei auch ohne die Kulisse gültig.

Das Wasserwirt­schaftsamt will nach und nach neue Pläne erstellen und sich stellenwei­se auch vor Ort ein Bild machen. Für manche Landkreise hat man bereits begonnen, Aichach-Friedberg ist noch nicht an der Reihe. „Das wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen“, sagt Ernst. Bis dahin liege es am Landwirt, einzuschät­zen, ob sein Gewässer einen unbebauten Seitenstre­ifen brauche. „Solange Unklarheit besteht, muss man im Zweifel noch keinen machen“, sagt sie. Für unklare Fälle muss also noch keine Strafe gezahlt werden.

Reinhard Herb, der Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­ands, sagt, die Landwirte hätten grundsätzl­ich nichts gegen Gewässerra­ndstreifen. Aber es brauche klare Richtlinie­n. „Man kann nicht erst was vorschreib­en und dann überlegen, wie es gemacht werden soll“, kritisiert Herb. Dass Landwirte in diesem Jahr in unklaren Fällen noch keine Strafe zahlen müssen, hält er für richtig. „Sie können auch niemandem einen Strafzette­l geben, weil er zu schnell gefahren ist, und die Schilder sind noch nicht aufgestell­t.“Er nennt den ersten Plan „blinden Aktionismu­s“.

Aufgeregt ist auch der Bayerische Landesfisc­hereiverba­nd. Er setzt sich seit Jahren für Gewässerra­ndstreifen ein. Der Sprecher des Verbands Thomas Funke sagt: „Uns ärgert, dass da so viel Zeit verschenkt wird, obwohl die Regeln klar sind.“Die Gesetzesla­ge definiere , was als Gewässer gilt, sagt Funke. Der Landesfisc­hereiverba­nd habe Verständni­s dafür, dass nicht jeder Graben dazugezähl­t werden dürfe. „Uns geht es darum, dass man sich an die gesetzlich­en Vorgaben hält.“

Auch der Kreisfisch­ereiverein Aichach unterstütz­t die Gewässerra­ndstreifen. Der Vorsitzend­e, Karl Gerum, sieht das Problem darin, dass die Politik keine klaren Direktiven gibt. „Es ist schwierig, wenn alle 100 Meter ein anderer Besitzer kommt“, sagt Gerum. Eine Lösung wäre daher für ihn, dass der Freistaat den Bauern die nötigen Flächen abkauft. Denn die Randstreif­en hält er für sinnvoll. „Für wenig Geld kann man damit verbindend­e Biotope einrichten“, sagt Gerum. Herbert Lipp hat dagegen noch keine konkrete Meinung zu den Gewässerra­ndstreifen. Der Vorsitzend­e des Friedberge­r Fischereiv­ereines hat sich nach eigener Aussage noch nicht genug mit der Thematik beschäftig­t. Er gibt Gerum jedoch recht, wenn dieser die Besitzverh­ältnisse kritisiert. „Dann müssen sich Gesetzgebe­r und Eigentümer einigen“, sagt Lipp.

 ?? Archivfoto­s: Martin Golling, Sailer ?? Am Moosgaben (hier bei Petersdorf) gibt es noch keinen Gewässerra­ndstreifen. Das Feld reicht bis zum Bach (Archivfoto). Im Ecknachtal ist das Gewässer durch das Artenund Biotopschu­tzprojekt (ABSP) schon an vielen Abschnitte­n durch einen Uferrandst­reifen geschützt.
Archivfoto­s: Martin Golling, Sailer Am Moosgaben (hier bei Petersdorf) gibt es noch keinen Gewässerra­ndstreifen. Das Feld reicht bis zum Bach (Archivfoto). Im Ecknachtal ist das Gewässer durch das Artenund Biotopschu­tzprojekt (ABSP) schon an vielen Abschnitte­n durch einen Uferrandst­reifen geschützt.
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