Kreistag stellt Weichen für die Zukunft
Räte wünschen sich in den Saal im Blauen Palais zurück. Das geht aber frühestens im Herbst. Bis dahin sollen die Ausschüsse über höhere Beträge entscheiden dürfen
60 Kreisräte, die sich an Einzeltischen in der weiten Vierfach-Sporthalle im Aichacher Schulzentrum verlieren. Nicht nur Landrat Klaus Metzger fremdelte mit der unwirklichen Atmosphäre bei der konstituierenden Sitzung des Kreistags und wünschte sich in den Sitzungssaal im Landratsamt. Der strahlt zwar den dunklen Charme der späten 70er-Jahre aus, aber dort können sich die Kreisräte im überschaubaren Rund in die Augen schauen. Bis zum Herbst kann das coronabedingt nur in den deutlich kleineren Ausschussbesetzungen (zwölf Räte) geschehen. Die Fachausschüsse sollen im nächsten halben Jahr die notwendigen Entscheidungen für den Kreis treffen. Die Weichen dazu wurden in der ersten Sitzung gestellt. In einer zweiten Zusammenkunft in der kommenden Woche, ebenfalls in der Vierfachhalle, werden vom kompletten Gremium die Ausschüsse und weitere Aufgaben personell besetzt. Dann ist das Wittelsbacher Land politisch handlungsfähig.
● Corona-Situation Landrat Metzger bedauerte, dass die Krise auch „wichtige Rituale“der Kommunalpolitik verhindert hat. Konkret eine Abschlusssitzung des alten Gremiums mit der Verabschiedung von 25 Kreisräten, die zusammen 506 Jahre in diesem Ehrenamt waren (wir berichteten). Einziger Besucher der Sitzung auf der Tribüne der Halle war übrigens „Rekordhalter“Rupert Reitberger (CSU). Der Igenhauser war 54 Jahre von 1964 bis 2020 im Kreistag. Klaus Metzger berichtete den Kreisräten in einem kurzen Abriss, welche Aufgaben das Landratsamt seit dem Ausbruch der Pandemie im März zu stemmen hatte. Seine Prognose: „Die Folgen von Corona werden uns noch Jahre beschäftigen und nicht nur finanziell.“
● Ausschusszuschnitte Die Zahl der Fachausschüsse und deren Aufgabenzuschnitt sollen grundsätzlich beibehalten werden: Kreisausschuss, Werkausschuss (zuständig für die Kliniken), Bauausschuss, Kreisentwicklungsausschuss, Ausschuss für „Soziales, Bildung und Schule“sowie der Ausschuss „Klima, Umwelt und Energie“. Damit die Ausschüsse bis zum Spätherbst ohne Kreistagssitzung zum Beispiel Aufträge für Bauprojekte vergeben können, sollen sie für eine Übergangsphase bis zu einer Obergrenze von 2,5 Millionen Euro entscheiden dürfen. Bislang liegt die Grenze bei 700 000 Euro. Diese Erhöhung muss der Kreistag nächste Woche aber erst noch beschließen.
● Ausschussgrößen Es bleibt bei Zwölferausschüssen des Kreistags. Plus Landrat sind dann jeweils dreizehn Kreistagsmitglieder in sechs Beratungsgremien. Dazu kommen der Rechnungsprüfungsausschuss (sieben Kreisräte ohne Landrat) und der Jugendhilfeausschuss (acht Kreisräte plus 15 weitere Mitglieder aus Jugendarbeit, Jugendhilfe-Organisationen und Behörden).
● Ausschussverteilung Die Sitzverteilung ergibt sich aus der Fraktionsstärke und nach dem Auszählverfahren Sainte-Laguë/Schepers. Für diesen Modus haben sich alle Fraktionen ausgesprochen. Das bedeutet für die Zwölferausschüsse: CSU (5 Sitze plus Landrat), Grüne (2), Freie Wähler (1), SPD (1), AfD (1), Unabhängige (1), ÖDP (1). FDP-Einzelkämpfer Karl-Heinz Faller ist in keinem Ausschuss vertreten. Alle sieben Fraktionen (mindestens drei Mitglieder) sind in den Ausschüssen. Es gibt also keine
Möglichkeit für eine Ausschussgemeinschaft. In der Wahlperiode 2014–2020 wurde noch nach dem Verfahren Hare-Niemeyer verteilt: CSU (6 Sitze plus Landrat), SPD (2), Unabhängige (1), Grüne (1), Freie Wähler (1), Ausschussgemeinschaft ÖDP/FDP (1). Im neuen Kreistag haben also CSU und SPD jeweils einen Ausschusssitz verloren, die Grünen und die neu im Gremium sitzende AfD haben jeweils einen Sitz gewonnen. Der aktuelle Verteilungsmodus gilt als gerechter. Am meisten profitieren kleine Fraktionen wie ÖDP und die Unabhängigen. Die Letzteren wurden bei der Kommunalwahl von sechs auf drei Mandate halbiert, behalten aber ihren Ausschusssitz. ÖDP und Unabhängige bilden auch für die Ausschüsse mit kleinerer Besetzung (Rechnungsprüfung, Jugendhilfe) eine Gemeinschaft und bekommen dort jeweils einen Sitz.
● Vereidigung 25 neue Kreistagsmitglieder, beziehungsweise Rückkehrer, sind von Landrat Metzger vereidigt worden. Mit unterschiedlichen Formelendungen: Also mit oder ohne „So wahr mir Gott helfe“.
CSU: Josef Dußmann (Aichach), Gertrud Hitzler (Aindling), Erich Kerner (Friedberg), Stefan Meitinger (Aichach), Georg Resch (Mering), Markus Waschka (Dasing), Markus Winklhofer (Affing), Grüne: Stefan Lindauer (Todtenweis), Wolfgang Rainer Pfeiffer (Friedberg), Alfred Seitz (Aichach), Petra von Thienen (Mering), Wolfhard von Thienen (Mering), FW: Johannes Ankner (neu), SPD: Roland Eichmann (Friedberg), Stefan Hummel (Mering), Andreas Santa (Kissing), Ulrike Sasse-Feile (Friedberg); AfD: Simon Kuchlbauer (Mering), Willibald Mair (Aichach), Josef Settele (Aindling), Heike Themel (Schmiechen), Paul Traxl (Schiltberg), ÖDP: Johannes Kreppold (Aichach), Maria Posch (Inchenhofen), Unabhängige: Mathias Stößlein (Mering).
● Landkreisversammlung Landrat Metzger und Kreisrat Peter Tomaschko vertreten das Wittelsbacher Land weiter in der Versammlung des Landkreistags. Die von den Grünen vorgeschlagene neue VizeLandrätin Katrin Müllegger-Steiger kam nicht zum Zug.
● Wittelsbacher Land Der Kreistag beruft drei Mitglieder in den Vorstand des Wittelsbacher-Land-Vereins: Neben Landrat Klaus Metzger sind das Stephanie Kopold-Keis (CSU) und Marc Sturm (FW).
● Klinikdefizit Der Landkreis übernimmt generell die Defizite der Kliniken an der Paar. Der Ausgleich des Fehlbetrags aus 2019 ist im aktuellen Kreishaushalt 2020 eingeplant. Landrat Klaus Metzger hat in der sitzungslosen Zeit im April bereits eine Abschlagszahlung von rund neun Millionen Euro angeordnet: 8,1 Millionen als Defizitausgleich und rund eine Million für die Tilgung von Darlehen für den Krankenhausneubau in Aichach. Darüber wurde der Kreistag jetzt in Kenntnis gesetzt. Die Abschlagszahlung ist kein zusätzliches Defizit, sondern nur ein Vorgriff auf die geplante Auszahlung Ende des Jahres. Aktuell werden die Millionen aber dringend gebraucht. In der CoronaKrise verdiene insbesondere das Aichacher Haus kaum Geld, so Geschäftsführer Huber Mayer. Die Kliniken seien in einer „sehr angespannten Liquiditätssituation“.
Kleine Fraktionen wie ÖDP und Unabhängige profitieren