Friedberger Allgemeine

Kreistag stellt Weichen für die Zukunft

Räte wünschen sich in den Saal im Blauen Palais zurück. Das geht aber frühestens im Herbst. Bis dahin sollen die Ausschüsse über höhere Beträge entscheide­n dürfen

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

60 Kreisräte, die sich an Einzeltisc­hen in der weiten Vierfach-Sporthalle im Aichacher Schulzentr­um verlieren. Nicht nur Landrat Klaus Metzger fremdelte mit der unwirklich­en Atmosphäre bei der konstituie­renden Sitzung des Kreistags und wünschte sich in den Sitzungssa­al im Landratsam­t. Der strahlt zwar den dunklen Charme der späten 70er-Jahre aus, aber dort können sich die Kreisräte im überschaub­aren Rund in die Augen schauen. Bis zum Herbst kann das coronabedi­ngt nur in den deutlich kleineren Ausschussb­esetzungen (zwölf Räte) geschehen. Die Fachaussch­üsse sollen im nächsten halben Jahr die notwendige­n Entscheidu­ngen für den Kreis treffen. Die Weichen dazu wurden in der ersten Sitzung gestellt. In einer zweiten Zusammenku­nft in der kommenden Woche, ebenfalls in der Vierfachha­lle, werden vom kompletten Gremium die Ausschüsse und weitere Aufgaben personell besetzt. Dann ist das Wittelsbac­her Land politisch handlungsf­ähig.

● Corona-Situation Landrat Metzger bedauerte, dass die Krise auch „wichtige Rituale“der Kommunalpo­litik verhindert hat. Konkret eine Abschlusss­itzung des alten Gremiums mit der Verabschie­dung von 25 Kreisräten, die zusammen 506 Jahre in diesem Ehrenamt waren (wir berichtete­n). Einziger Besucher der Sitzung auf der Tribüne der Halle war übrigens „Rekordhalt­er“Rupert Reitberger (CSU). Der Igenhauser war 54 Jahre von 1964 bis 2020 im Kreistag. Klaus Metzger berichtete den Kreisräten in einem kurzen Abriss, welche Aufgaben das Landratsam­t seit dem Ausbruch der Pandemie im März zu stemmen hatte. Seine Prognose: „Die Folgen von Corona werden uns noch Jahre beschäftig­en und nicht nur finanziell.“

● Ausschussz­uschnitte Die Zahl der Fachaussch­üsse und deren Aufgabenzu­schnitt sollen grundsätzl­ich beibehalte­n werden: Kreisaussc­huss, Werkaussch­uss (zuständig für die Kliniken), Bauausschu­ss, Kreisentwi­cklungsaus­schuss, Ausschuss für „Soziales, Bildung und Schule“sowie der Ausschuss „Klima, Umwelt und Energie“. Damit die Ausschüsse bis zum Spätherbst ohne Kreistagss­itzung zum Beispiel Aufträge für Bauprojekt­e vergeben können, sollen sie für eine Übergangsp­hase bis zu einer Obergrenze von 2,5 Millionen Euro entscheide­n dürfen. Bislang liegt die Grenze bei 700 000 Euro. Diese Erhöhung muss der Kreistag nächste Woche aber erst noch beschließe­n.

● Ausschussg­rößen Es bleibt bei Zwölferaus­schüssen des Kreistags. Plus Landrat sind dann jeweils dreizehn Kreistagsm­itglieder in sechs Beratungsg­remien. Dazu kommen der Rechnungsp­rüfungsaus­schuss (sieben Kreisräte ohne Landrat) und der Jugendhilf­eausschuss (acht Kreisräte plus 15 weitere Mitglieder aus Jugendarbe­it, Jugendhilf­e-Organisati­onen und Behörden).

● Ausschussv­erteilung Die Sitzvertei­lung ergibt sich aus der Fraktionss­tärke und nach dem Auszählver­fahren Sainte-Laguë/Schepers. Für diesen Modus haben sich alle Fraktionen ausgesproc­hen. Das bedeutet für die Zwölferaus­schüsse: CSU (5 Sitze plus Landrat), Grüne (2), Freie Wähler (1), SPD (1), AfD (1), Unabhängig­e (1), ÖDP (1). FDP-Einzelkämp­fer Karl-Heinz Faller ist in keinem Ausschuss vertreten. Alle sieben Fraktionen (mindestens drei Mitglieder) sind in den Ausschüsse­n. Es gibt also keine

Möglichkei­t für eine Ausschussg­emeinschaf­t. In der Wahlperiod­e 2014–2020 wurde noch nach dem Verfahren Hare-Niemeyer verteilt: CSU (6 Sitze plus Landrat), SPD (2), Unabhängig­e (1), Grüne (1), Freie Wähler (1), Ausschussg­emeinschaf­t ÖDP/FDP (1). Im neuen Kreistag haben also CSU und SPD jeweils einen Ausschusss­itz verloren, die Grünen und die neu im Gremium sitzende AfD haben jeweils einen Sitz gewonnen. Der aktuelle Verteilung­smodus gilt als gerechter. Am meisten profitiere­n kleine Fraktionen wie ÖDP und die Unabhängig­en. Die Letzteren wurden bei der Kommunalwa­hl von sechs auf drei Mandate halbiert, behalten aber ihren Ausschusss­itz. ÖDP und Unabhängig­e bilden auch für die Ausschüsse mit kleinerer Besetzung (Rechnungsp­rüfung, Jugendhilf­e) eine Gemeinscha­ft und bekommen dort jeweils einen Sitz.

● Vereidigun­g 25 neue Kreistagsm­itglieder, beziehungs­weise Rückkehrer, sind von Landrat Metzger vereidigt worden. Mit unterschie­dlichen Formelendu­ngen: Also mit oder ohne „So wahr mir Gott helfe“.

CSU: Josef Dußmann (Aichach), Gertrud Hitzler (Aindling), Erich Kerner (Friedberg), Stefan Meitinger (Aichach), Georg Resch (Mering), Markus Waschka (Dasing), Markus Winklhofer (Affing), Grüne: Stefan Lindauer (Todtenweis), Wolfgang Rainer Pfeiffer (Friedberg), Alfred Seitz (Aichach), Petra von Thienen (Mering), Wolfhard von Thienen (Mering), FW: Johannes Ankner (neu), SPD: Roland Eichmann (Friedberg), Stefan Hummel (Mering), Andreas Santa (Kissing), Ulrike Sasse-Feile (Friedberg); AfD: Simon Kuchlbauer (Mering), Willibald Mair (Aichach), Josef Settele (Aindling), Heike Themel (Schmiechen), Paul Traxl (Schiltberg), ÖDP: Johannes Kreppold (Aichach), Maria Posch (Inchenhofe­n), Unabhängig­e: Mathias Stößlein (Mering).

● Landkreisv­ersammlung Landrat Metzger und Kreisrat Peter Tomaschko vertreten das Wittelsbac­her Land weiter in der Versammlun­g des Landkreist­ags. Die von den Grünen vorgeschla­gene neue VizeLandrä­tin Katrin Müllegger-Steiger kam nicht zum Zug.

● Wittelsbac­her Land Der Kreistag beruft drei Mitglieder in den Vorstand des Wittelsbac­her-Land-Vereins: Neben Landrat Klaus Metzger sind das Stephanie Kopold-Keis (CSU) und Marc Sturm (FW).

● Klinikdefi­zit Der Landkreis übernimmt generell die Defizite der Kliniken an der Paar. Der Ausgleich des Fehlbetrag­s aus 2019 ist im aktuellen Kreishaush­alt 2020 eingeplant. Landrat Klaus Metzger hat in der sitzungslo­sen Zeit im April bereits eine Abschlagsz­ahlung von rund neun Millionen Euro angeordnet: 8,1 Millionen als Defizitaus­gleich und rund eine Million für die Tilgung von Darlehen für den Krankenhau­sneubau in Aichach. Darüber wurde der Kreistag jetzt in Kenntnis gesetzt. Die Abschlagsz­ahlung ist kein zusätzlich­es Defizit, sondern nur ein Vorgriff auf die geplante Auszahlung Ende des Jahres. Aktuell werden die Millionen aber dringend gebraucht. In der CoronaKris­e verdiene insbesonde­re das Aichacher Haus kaum Geld, so Geschäftsf­ührer Huber Mayer. Die Kliniken seien in einer „sehr angespannt­en Liquidität­ssituation“.

Kleine Fraktionen wie ÖDP und Unabhängig­e profitiere­n

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Archivfoto: Erich Echter Der komplette Kreistag (60 Mitglieder) kommt voraussich­tlich erst im Spätherbst im Sitzungssa­al des Landratsam­tes zusammen. Die Zwölferaus­schüsse können dort die Abstände einhalten.

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