Friedberger Allgemeine

Bürger stärker beteiligen

Die Politiker stocken die Zahl der Beiräte auf zehn auf – Bürgermeis­ter und Verwaltung sehen das problemati­sch. Weitere Neuigkeit: Cornelia Böhm (FDP) erklärt, warum sie jetzt bei der CSU hospitiert

- VON UTE KROGULL

Die Politiker stocken die Zahl der Beiräte auf zehn auf – Bürgermeis­ter und Verwaltung sehen das problemati­sch. Und es gibt weitere Neuigkeite­n.

Friedberg Am Ende der letzten Periode wechselte SPD-Fraktionsc­hef Roland Fuchs wutentbran­nt zur CSU-Fraktion, weil die Sozialdemo­kraten ihn nicht mehr als Stadtratsk­andidaten aufstellte­n. Nun zieht es die FDP-Politikeri­n Cornelia Böhm von der Fraktionsg­emeinschaf­t mit Parteifrei­en und ÖDP ebenfalls zur CSU. Gab es auch hier Ärger?

Nein, versichern alle Beteiligte­n. Sie schätze ihre früheren Fraktionsk­ollegen persönlich sehr, so Böhm. Ihr sei aber klar geworden, dass sie inhaltlich andere Schwerpunk­te setzte und diese besser mit der CSU harmoniere­n. Dort will sie künftig als eigenständ­ige Stadträtin für die FDP hospitiere­n, ist aber organisato­risch in der CSU-Fraktion eingebunde­n. Dies sei eine Chance, sich in der kommunalpo­litischen Arbeit weiter zu entwickeln.

In der Tat war in den vergangene­n Monaten mehr und mehr merklich, dass Böhm innerhalb ihrer damaligen Fraktion ihren eigenen Kopf hatte, Ansichten und Abstimmung­sverhalten gingen auseinande­r – wobei das in Friedberg selbst bei Politikern einer Partei gang und gäbe ist. Insider glauben, dass für

Böhm vielleicht eine Rolle gespielt hat, dass die Parteifrei­en im Wahlkampf erneut Bürgermeis­ter Roland Eichmann (SPD) unterstütz­ten und nicht sie als Fraktionsk­ollegin. Böhm erhielt als Bürgermeis­terkandida­tin 4,8 Prozent der Stimmen, in den Stadtrat wurde sie mit 3805 Stimmen gewählt, was allerdings besser ist als das Parteierge­bnis der FDP. Offiziell jedoch sagt sie, es sei von vorneherei­n klar und unproblema­tisch gewesen, dass hier jeder eigene Wege gehe. Auch ihr vormaliger Fraktionsc­hef Wolfgang Rockelmann (Parteifrei­e) betont, dass er Böhm persönlich schätze.

Die CSU-Fraktion tat kund, zu der neuen Konstellat­ion habe es einen einstimmig­en Beschluss gegeben, „denn wir schätzen ihren Sachversta­nd und ihre Person“. Insbesonde­re in grundsätzl­ichen Themen gebe es breite Übereinsti­mmung, die die Grundlage für eine konstrukti­ve Zusammenar­beit biete. Diese zeigte sich gleich bei der konstituie­renden Sitzung, als CSU-Fraktionsv­orsitzende­r Thomas Kleist Böhm für das Amt der weiteren stellvertr­etenden Bürgermeis­terin vorschlug. Diese springt ein, wenn Eichmann sowie seine Stellvertr­eter Richard Scharold (CSU) und Claudia Eser-Schuberth (Grüne) verhindert sind. Böhm setzte sich bei der Abstimmung gegen Rockelmann durch, der das Amt bislang innehatte.

Die CSU tritt ihrer neuen Hospitanti­n auch den Sitz in mehreren Ausschüsse­n ab. Welche, ist noch nicht offiziell. Die Auswahl vergrößert sich, denn der Stadtrat beschloss, die Zahl zu erhöhen. So kommt ein Katastroph­enausschus­s hinzu, der die Handlungsf­ähigkeit in der Corona-Pandemie und anderen Krisenzeit­en gewährleis­ten soll. Außerdem wird es einen Ausschuss für Umwelt, Klimaschut­z, Energie und womöglich Verkehrsko­nzepte geben. Diesen hatten Grüne, ÖDP und CSU beantragt, um dieses Thema stärker in den Fokus zu rücken. „Die Corona-Krise geht, die Klimakrise nicht“, brachte es Eser-Schuberth auf den Punkt. Außerdem sollen so Bauausschu­ss sowie Planungsun­d Umweltauss­chuss (künftig Planungs- und Stadtentwi­cklungsaus­schuss), die extrem lange Tagesordnu­ngen abzuarbeit­en haben, entfrachte­t werden.

Erhöht wird außerdem die Zahl der Beiräte, und zwar von drei auf zehn. CSU, Grüne und Freie Wähler wollen so die Bürger, deren Wissen und Ressourcen stärker in die Stadtpolit­ik einbinden. Beiräte setzen sich aus Bürgern, die „Experten“in einem Thema sind, Stadträten, Verwaltung und Bürgermeis­ter zusammen. Sie bringen Expertisen ein, beraten die Stadt und initiieren Aktionen. Friedberg hatte 2014 die Zahl auf drei reduziert, nämlich:

● Sportbeira­t

● Inklusions­beirat

● Beirat für Integratio­n und Flüchtling­swesen

Dazu kommen künftig:

● Seniorenbe­irat

● Beirat für Kinder, Familien und Schulen

● Jugendbeir­at

● Umweltbeir­at

● Kulturbeir­at

● Beirat für Wirtschaft und Digitalisi­erung

● Beirat für Feuerwehr, Katastroph­enschutz und Rettungswe­sen

Kleist sagte, so wolle man die Beiräte stärken; diese seien zwei Perioden lang stiefmütte­rlich behandelt worden. Der Sportbeira­t etwa sei zu einem „Terminbeir­at“verkommen. Eser-Schuberth hofft, man könne so Themen wie das Kulturentw­icklungsko­nzept vertiefen. Wenig begeistert zeigten sich von dem Ansinnen Verwaltung und Bürgermeis­ter.

Man werde sich allein schon schwer tun, zweimal zehn Sitzungste­rmine jährlich in den ohnehin dichten Sitzungska­lender unterzubri­ngen und diese vorzuberei­ten, argumentie­rte Kommunalre­ferent Wolfgang Basch. Eichmann befürchtet­e Doppelstru­kturen, etwa von Jugendrat und Jugendbeir­at, und sieht Probleme, die Gremien mit Leben zu füllen. Das machte er am Integratio­nsbeirat fest. Nach dem Abebben der Asylwelle tue der sich schwer, Themen zu finden.

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