Friedberger Allgemeine

Partnertau­sch oder Vergewalti­gung?

Zwei Ehepaare verabreden sich. Es kommt zu sexuellen Handlungen. Ein 31-Jähriger landet vor Gericht in Aichach. Wahrheitsf­indung in diesem Fall ist schwierig: Welches Paar lügt?

- VON GERLINDE DREXLER

Aichach Die Suche nach der Wahrheit war schwierig. Zum einen, weil es bei der Verhandlun­g am Schöffenge­richt des Aichacher Amtsgerich­tes um das Sexuallebe­n zweier Ehepaare ging. Zum anderen, weil alle Beteiligte­n kaum Deutsch sprachen, und ein Dolmetsche­r alles übersetzen musste. Rund vier Stunden lang versuchte das Gericht unter Vorsitz von Walter Hell eine Antwort auf die Frage zu finden, ob es bei einem Treffen der Pärchen im Januar im nördlichen Landkreis zu einem missglückt­en Partnertau­sch oder einer Vergewalti­gung gekommen war. Der 31-jährige Angeklagte bestritt, dass Gewalt im Spiel gewesen war.

Bummeln, Shoppen und Grillen – das Treffen der vier Personen im Landkreis begann vor drei Monaten ganz harmonisch. Das schildern auch die beiden Pärchen, von denen eines aus dem Landkreis Rosenheim kommt, dem Gericht so. Geht es dann aber um die betreffend­e Nacht, dann unterschei­den sich die Erzählunge­n stark. Laut dem Angeklagte­n seien die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft, vertreten durch Melanie Koch, frei erfunden. Laut Anklage seien er und seine 36-jährige Ehefrau in das Zimmer des anderen Pärchens gekommen, als dieses gerade zu Bett gehen wollte. Der 31-Jährige soll unvermitte­lt auf die 28-jährige Ehefrau des anderen Mannes zugegangen und dieser an die Brüste gegriffen haben. Obwohl sie sich wehrte, soll er sie auf das Bett geschubst und mit ihr gegen ihren Willen intim geworden sein.

Das intime Zusammense­in gab der Angeklagte auch zu. Es sei jedoch mit dem Einverstän­dnis der 28-Jährigen gewesen, sagte er aus. Deren Ehemann habe zu ihm gesagt: „Sie will dich“, so der 31-Jährige. Das bestätigte auch die 36-jährige Ehefrau des Angeklagte­n, die die ganze Zeit mit im Zimmer gewesen war. Sie sei geschockt gewesen, sagte sie auf

Richter Hells Frage nach ihrer eigenen Reaktion. Die eindeutige­n Avancen, die der Ehemann der 28-Jährigen ihr gemacht habe, habe sie abgelehnt, sagte die 36-Jährige vor Gericht aus. Daraufhin sei der andere Ehemann ausgeflipp­t und habe sie alle geschlagen.

Von Schlägen ihres Ehemannes berichtete auch die 28-Jährige. Sie sagte aus, dass ihr Mann schlafend neben ihr gelegen und von der Vergewalti­gung nichts mitbekomme­n habe. Er sei erst von ihrem Geschrei aufgewacht und dann hätten er und der Angeklagte miteinande­r gerangelt, sagte der Ehemann aus.

Der Streit war so heftig, dass Nachbarn die Polizei riefen. Gegenüber den Beamten erwähnten die beiden Frauen nichts von einer Vergewalti­gung. Beide seien eingehend von ihm im Hinblick auf ein Sexualdeli­kt befragt worden, sagte der Polizeibea­mte aus. Erst am nächsten Tag erstattete­n die 28-Jährige und deren Mann dann Anzeige wegen Vergewalti­gung. Trotz intensiver Befragung der Zeugen hatte die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft am Ende erhebliche Zweifel, ob der Vorwurf der Vergewalti­gung und sexuellen Nötigung stimmte. Melanie Koch plädierte deshalb auf Freispruch. Dem schloss sich auch Rolf Asmus an, der Verteidige­r des Angeklagte­n: „Es gab so viele Widersprüc­he.“

Das sah auch das Schöffenge­richt so. Es habe keine Spuren oder knallharte Fakten für eine Vergewalti­gung gegeben, sagte Hell. „Wir konnten nur aus den Zeugenauss­agen erfahren, ob ein Einverstän­dnis vorlag oder nicht.“Er sagte aber auch: „Trotz Freispruch können wir nicht behaupten, ob und wenn ja wer von den Zeugen gelogen hat.“Schwer vorstellba­r war für das Gericht, dass jemand eine Frau in Anwesenhei­t ihres Ehemannes vergewalti­gt. Ausschließ­en wollte es aber auch nichts.

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Foto: stock.adobe.com Die Suche nach der Wahrheit war schwierig bei einem Vergewalti­gungsproze­ss am Aichacher Gericht.

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