Friedberger Allgemeine

Es gibt ein Leben neben Corona

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Viele Menschen sind ganz schön Corona-fixiert. Fast scheint es, als teilten sie das Leben nur noch in drei Phasen ein: In die selige Vor-Corona-Zeit, als man sich bei Après-Ski-Partys bis auf einen Abstand von maximal zwei Nasenlänge­n lustig näher kam, die gegenwärti­ge Corona-Masken-Ära und die Nach-Corona-Epoche, wenn endlich wieder Après-SkiPartys, also eine Existenz in Backennähe möglich ist. Die Zeitteilun­g hat alle anderen historisch­en Zäsuren (vor und nach Christus, vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, vor und nach der Wiedervere­inigung) in Quarantäne geschickt.

Doch nicht nur das Coronaviru­s, auch Fixierunge­n sind gefährlich, wie es hinlänglic­h durch die Neurosenle­hre Sigmund Freuds belegt ist. Also kämpfen wir gegen Blickwinke­l-Verengunge­n an und erkennen erleichter­t: Es gibt so viele andere gravierend­e Probleme, auf die es sich ebenfalls prächtig fixieren lässt, so etwa der Frage, wie wir noch mehr Pakete bestellen können, um gar nicht mehr das Haus zu verlassen. Nicht nur auf dem Feld gehört Verkehrsmi­nister Scheuer zu den Vorboten revolution­ärer Umwälzunge­n. Er kann sich vorstellen, Pakete künftig per U-Bahn zu transporti­eren. Frankfurte­r Forscher bringen nun Trambahnen ins Spiel, weil sie mehr Haltestell­en anfahren. Seien wir also glücklich angesichts solch kreativer Köpfe in Corona-Sphären.

Und freuen wir uns, dass der Forscherge­ist fundamenta­le Menschheit­sprobleme zupackend angeht. So ruhten Experten des Autobauers Ford nicht eher, bis dass sie „einen künstliche­n Vogelkot entwickelt haben, um Fahrzeug-Lackierung­en realitätsn­ah zu optimieren“. Dabei wurden die Exkremente künstlich nachgebaut, was schwer ist. Denn der in rasender Geschwindi­gkeit ausgeschie­dene Vogelkot, so Ford, sei oftmals weiß und schwarz. Beim weißen Teil handele es sich um Harnsäure, beim schwarzen um verdaute Nahrung. Die fiese Mischung soll Lacken dank innovative­r Technik nicht mehr so zusetzen. Geschichte wird gemacht. Es geht voran. Das lässt für die Nach-Corona-Ära hoffen. Dabei müsste Ford den neuen WerbeSloga­n „Besser ankommen“noch mal nachoptimi­eren. Besser wäre: Sauberer ankommen. Das passt auch ideal zur Klima-Diskussion.

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