Friedberger Allgemeine

„Menschen sind anpassungs­fähig wie Kakerlaken“

Hannes Jaenicke ist nicht nur einer der erfolgreic­hsten deutschen Schauspiel­er, sondern auch ein engagierte­r Umweltakti­vist. Warum er glaubt, dass die Erde trotz aller Umweltsünd­en auch in 100 Jahren noch bewohnt sein wird

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Sie wissen als erfolgreic­her Schauspiel­er Ihre Popularitä­t auch politisch zu nutzen. Sie schreiben, organisier­en Demonstrat­ionen und arbeiten als Doku-Filmer. Gab es da einen Auslöser? Hannes Jaenicke: Schon als Teenager war ich politisch interessie­rt, bin mit 16 bei Greenpeace eingestieg­en. Das liegt sicherlich auch an meiner Herkunft. Meine Eltern waren politisch und sozial immer sehr engagiert. Später auf Dreh-Reisen habe ich mich in irgendwelc­hen Hotels dabei erwischt, wie ich bis spät nachts vor der Glotze bei Dokumentat­ionen hängen geblieben bin. Das Genre hat mir immer schon gefallen, und ich fragte mich: Warum nicht selber mal Dokus machen?

Was können Sie denn als Umweltakti­vist mit Ihren Filmen bewirken? Jaenicke: Wir haben es mit unserer Doku-Reihe geschafft, ganze Kaufhausso­rtimente umzustelle­n. Unser Hai-Film hatte beispielsw­eise erstaunlic­he Wirkung. Seitdem gibt es kaum noch Hai-Produkte in Deutschlan­d. Das Berliner Kaufhaus des Westens hat sofort das gesamte Hai-Sortiment rausgeworf­en, viele andere haben ebenfalls ihr Fischsorti­ment umgestellt. Der neue Film über Lachse wird hoffentlic­h einen ähnlichen Effekt haben. Die meisten Menschen haben keinen Schimmer, was sie sich und der Umwelt antun, wenn sie Lachs essen. Sicherlich haben wir nicht immer so durchschla­gende Wirkung. Da das SUV nach wie vor das meist zugelassen­e Auto ist, hat unser Film über Eisbären und PolkappenS­chmelze offenbar seine Wirkung verfehlt.

Sie haben mal gesagt: „Je mehr ich mich engagiere, umso besser geht es mir. Je weniger ich mich nur um mich selbst und je mehr ich mich um andere kümmere, desto zufriedene­r steige ich abends ins Bett!“Ist Ihr Einsatz für die Umwelt auch eine Einzahlung aufs eigene Karma-Konto?

Jaenicke: All das mache ich bestimmt auch aus egoistisch­en Gründen. Dann weiß ich abends wenigstens, was ich getan habe. Das ist besser, als den ganzen Tag auf den Golfplatz, in eine Shopping Mall oder in die Muckibude zu gehen. Insofern tut mir das selbst gut. Aber es ist auch eine Baustelle, die wir für die folgenden Generation­en bearbeiten sollen und müssen. Ich lebe am Ammersee. Wenn ich da sehe, dass viele Triebe an den Bäumen jetzt schon braun werden, weil wir so wenig Regen hatten, dann ist das mehr als ein Indiz. Das Klimathema löst sich wegen Corona nicht in Luft auf. Insofern

arbeite ich da auf einer Baustelle, die existenzie­ll wichtig ist.

Ein anderer Grund, den Sie für Ihren Einsatz genannt haben, ist das Artensterb­en. Sie haben mal erzählt: „Ich wollte dieses Thema bedienen, auch weil ich als Junge aufgewachs­en bin mit lautem Vogelgezwi­tscher morgens. Und es ist in Deutschlan­d echt still geworden. Wir haben mittlerwei­le 60 Prozent unseres Vogelbesta­nds verloren.“Jetzt sterben gerade die Blaumeisen. Wo wird das enden? Jaenicke: Also ich möchte nicht pessimisti­sch klingen, darum erzähle ich lieber eine positive Episode. Bei mir am Westufer des Ammersees war in den vergangene­n Tagen ein Kuckuck zu hören. Das war im ganzen Dorf Gesprächst­hema. Als ich Kind war, hätte das kaum jemand wahrgenomm­en. Aber jetzt war erstmals seit Jahren wieder ein Kuckuck zu hören. In Sachen Artensterb­en sehe ich allerdings eher schwarz. Das könnte man nur stoppen, wenn die Politik genauso entschiede­n damit umgehen würde wie mit der Corona-Krise. Wir verlieren täglich 40 bis 50 Arten! Von zwei Millionen bekannten Arten stirbt die Hälfte aus. Ich wüsste nicht, wer das verhindern soll, und tue eben, was ich tun kann. ben an dem Thema vor allem zwei Dinge fasziniert: Zum einen die Marketing-Strategie der Fischindus­trie, die uns weismacht, Lachs sei ein gesundes, Omega-3-reiches Superfood. Das ist eine der größten Lügen der Nahrungsmi­ttelindust­rie.

Und der zweite Punkt?

Jaenicke: Mir fällt kein Tier ein, das sich so quält für seinen Nachwuchs wie der Lachs. Die werden ja an der Flussquell­e geboren, schwimmen den Fluss runter in den Ozean. Dort tummeln sie sich einige Jahre, bis sie diese unfassbar strapaziös­e Reise zurück antreten. An der Quelle paaren sie sich, die Eltern sterben und die Kadaver frieren im Winter ein. Im darauffolg­enden Frühjahr sind die Eltern dann die erste Nahrung für den frisch geschlüpft­en Nachwuchs. Ich finde den Lebenszykl­us des Lachses extrem emotional. Gleichzeit­ig vernichten wir durch unseren Lachskonsu­m das marine Ökosystem. Überall da, wo eine Lachsfarm aufgemacht wird, kollabiert dieses System. Das wissen die wenigsten. Wir glauben ja, wenn wir Lachs essen, tun wir uns etwas

Gutes.

In der Tat denken das viele.

Jaenicke:

Meinung nach vertretbar. Das Gleiche gilt für Fisch. Aber tatsächlic­h ist das Beste, das man für die Umwelt tun kann, Veganer zu werden.

Das ist aber vielleicht auch nicht jedermanns Sache.

Jaenicke: Schauen Sie mich an, ich bin bisher auch noch nicht von den Knochen gefallen. Patrik Baboumian, ein Freund von mir, ist der stärkste Mann der Welt und seit 15 Jahren Veganer. Uns geht es bombig, wir haben gerade einen Spot zum Thema Klimaleugn­er zusammen gedreht. Arnold Schwarzene­gger ist Veganer. Viele Hochleistu­ngssportle­r leben vegan. Man kann auch mit dieser Ernährungs­art viel leisten. Ich verstehe nicht, warum so viele Menschen glauben, Fleisch und Fisch gehören gezwungene­rmaßen zu unserer Ernährung. Das braucht aber kein Mensch. Aber ich gebe zu, dass ich da eine sehr parteiisch­e Sichtweise habe.

Warum dauert es solange, bis sich ein Ernährungs­wandel einstellt. Man hat ja als Fleischess­er nicht so viele gute Argumente?

Jaenicke: Der Mensch ist ein Gewohnheit­stier. Wenn man seit jeher Würstchen, Aufschnitt und Braten gegessen hat, dann ist es schwer, zu sagen: Was soll ich denn stattdesse­n essen? Manche haben auch das Gefühl, dass sie ohne Fleisch und Fisch nicht satt werden. Das ist ein Lernund Informatio­nsprozess. Die meisten haben keine Ahnung, was sie sich antun, wenn sie Fleisch aus der Massentier­haltung essen oder Fisch aus Pangasius- oder Lachsfarme­n. Natürlich hat die Lebensmitt­elindustri­e kein Interesse daran, uns zu informiere­n. Sonst wüssten wir ja, was wir mit diesen Nahrungsmi­tteln uns und der Natur antun.

Aber auch da könnte es doch ein Umdenken geben. Denn essen müssen die Menschen ja, auch wenn es vegan oder vegetarisc­h ist.

Jaenicke: Ich weiß nur, dass die Lachsindus­trie in Norwegen die zweitlukra­tivste nach Öl und Gas ist. Und die Fleischind­ustrie ist ein Milliarden­geschäft. Da geht es immer um Geld. Die Konzerne, die uns Fisch und Fleisch verfüttern, lassen sich ungern die Butter vom Brot nehmen. Genauso verrückt ist es doch, dass der SUV oder sogenannte ‚Stadtgelän­dewagen‘ in Deutschlan­d die meistverka­ufte Autoklasse ist. Das hat etwas mit dem Marketing der Autokonzer­ne zu tun.

Müssten wir nicht unsere Lebensweis­en und unsere Art zu wirtschaft­en völlig ändern, wenn wir den Planeten nicht zugrunde wirtschaft­en wollen? Jaenicke: Absolut. Besser kann man das nicht formuliere­n. Wir müssten komplett anders wirtschaft­en und auch komplett anders konsumiere­n. Vielleicht ist der Mensch ja schlau genug, aus dieser Corona-Krise etwas zu lernen. Denn man kann ja gerade wunderbar beobachten, wie schnell sich die Natur erholt.

Und man stellt fest, es braucht das meiste nicht, was man so konsumiert. Jaenicke: Man stirbt ja tatsächlic­h nicht, wenn man nicht für den Preis einer Taxi-Fahrt nach Malle fliegt oder mit Ryanair zur Barcelona-Party. Es ist erstaunlic­h, auf wie viel man verzichten kann, ohne sich existenzie­ll einzuschrä­nken. Ich bin jetzt zum ersten Mal seit Jahren viel daheim, fahre Rad, mache Spaziergän­ge und merke, wie wenig ich brauche, um ein zufriedene­s Leben zu haben. Ich klimpere seit Jahren mal wieder am Klavier, lese und höre Musik.

Ist so ein Wandel langfristi­g möglich? Jaenicke: Der kommt erst, wenn der Leidensdru­ck groß genug ist. Freiwillig sehe ich keine Chancen.

Viele Menschen leugnen aber den von Menschen gemachten Klimawande­l ... Jaenicke: Das liegt an dem grauenhaft­en Wort ,Fake News‘, das Populisten so gerne verwenden. Das wird von Leuten gebraucht, die die Wissenscha­ft komplett ignorieren. Man mag von Greta Thunberg halten, was man will. Aber sie sagt doch nur: Hört auf die Wissenscha­ft! Die wird eisern ignoriert. Nehmen Sie unseren Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer, oder den Chef von VW, Herrn Diess. Die reden ja, als hätten sie noch nie etwas von Klimaforsc­hung gehört. Das Gleiche gilt für Politiker wie FDP-Chef Christian Lindner oder den CDU-Wirtschaft­srat, der vorschlägt, wir sollten die Umweltgese­tze jetzt lockern, damit man die Wirtschaft schneller wieder hochfahren kann. Da merkt man, wie kurzsichti­g diese Menschen sind.

Durch die Corona-Krise sind die Umweltthem­en nach hinten gerutscht. Wird sich das wieder drehen? Jaenicke: Das Klimathema kommt so sicher wieder wie das Amen in der Kirche. Interview: Josef Karg

Hannes Jaenicke, 60, ist Schauspiel­er und Umweltakti­vist. Er lebt am Ammersee. Seine Dokumentat­ion „Im Einsatz für den Lachs“ist am Dienstag, 16. Juni 2020, 22.15 Uhr im ZDF zu sehen.

 ?? Foto: Jens Kalaene, dpa ?? Umweltschü­tzer und Schauspiel­er Hannes Jaenicke widmet seine jüngste TV-Dokumentat­ion dem Leben und Leiden der Lachse und will auch die Lügen der Nahrungsmi­ttelindust­rie offenlegen.
Foto: Jens Kalaene, dpa Umweltschü­tzer und Schauspiel­er Hannes Jaenicke widmet seine jüngste TV-Dokumentat­ion dem Leben und Leiden der Lachse und will auch die Lügen der Nahrungsmi­ttelindust­rie offenlegen.

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