Friedberger Allgemeine

Spitzenrei­ter in der Corona-Tabelle

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger-allgemeine.de

Zu sagen, dass Bruno Labbadia nicht gerade den besten Leumund aller Bundesliga-Trainer hat, wäre eine Untertreib­ung ersten Grades. Als der 54-Jährige vor zwei Jahren den damals in höchster Abstiegsno­t schwebende­n VfL Wolfsburg übernommen hatte, ging das erste Spiel mit 1:2 gegen Leverkusen verloren. Während der Partie waren Gesänge aus der Wolfsburge­r Kurve zu hören: „Wir steigen ab, wir kommen nie wieder – wir haben Bruno Labbadia.“Der derart Geschmähte nahm es gelassen hin und machte seine Arbeit ungerührt weiter – mit Erfolg: Labbadia hielt den taumelnden VfL nicht nur in der Liga, sondern brachte ihn bei seinem Abschied eine Saison später sogar in die Europapoka­lränge.

Seit einem Monat ist Labbadia Trainer der Hertha aus Berlin – und hat damit erneut einen fußballeri­schen Problemfal­l übernommen. Inmitten eines Vereins, dessen ExVorstand­smitglied/Ex-Trainer/ Ex-Hoffnungst­räger Jürgen Klinsmann einen PR-Gau nach dem anderen lieferte, dessen Spieler Salomon Kalou via Facebook das Hygienekon­zept als unverbindl­ichen Vorschlag deklariert­e und der zuletzt auf die zumindest kreative Idee kam, Jens Lehmann in den Vorstand zu hieven, machte Labbadia vom ersten Tag an die mit Abstand beste Figur.

Zugegeben: Das ist innerhalb der verhaltsau­ffälligen Berliner Belegschaf­t noch keine große Kunst. Labbadia war aber nicht nur der erste

Hertha-Angestellt­e, der auf Gehalt verzichtet­e, sondern brachte den taumelnden Big City Club auch sportlich auf Kurs: Seit dem LigaNeusta­rt nach der Corona-Pause gelangen der Hertha in zwei Spielen zwei Siege, bei 7:0 Toren. Damit belegen die Hauptstädt­er in der (bislang noch wenig aussagekrä­ftigen) Corona-Tabelle Platz 1. Bleibt nur die Frage, warum Labbadia lange einen zweifelhaf­ten Ruf in der Branche genoss. Am rein Sportliche­n dürfte es nicht liegen. Beim VfB Stuttgart zum Beispiel war es Labbadia, der mit den Schwaben die letzte halbwegs entspannte Bundesliga-Saison ablieferte. Seit dessen Abschied im Jahr 2013 versuchten sich 13 Trainer beim VfB, der aktuell um die Rückkehr in die Bundesliga kämpft. In Leverkusen nahm man Labbadia die Aussage krumm, dass man bei der Werkself „aus der Komfortzon­e“müsse. Trotz des mit Labbadia erreichten Einzugs in das Pokalfinal­e trennten sich deswegen die Wege. Wer den weiteren Werdegang von Bayer seitdem verfolgt, kann zum Schluss kommen: So ganz falsch lag Labbadia mit seiner Einschätzu­ng nicht. Derzeit schickt sich der ExStürmer an, in der Hauptstadt in eine komfortabl­e Position zu kommen. Nicht nur in Wolfsburg wird man das gespannt verfolgen.

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Foto: Witters Brachte die Hertha auf Kurs: Bruno Labbadia.
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