Friedberger Allgemeine

Götze übt den Blick zurück

Abschied Der WM-Siegtorsch­ütze und Borussia Dortmund werden sich zum Saisonende trennen. Derweil nähert sich der BVB ungebremst dem Gipfeltref­fen mit dem FC Bayern am Dienstag. Der 27-Jährige wird dort sicher nicht spielen

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Wolfsburg Auf einen Dortmunder Spieler muss der FC Bayern München am Dienstagab­end offenbar besonders gut aufpassen. Das ist nicht Mario Götze, der den BVB nach dieser Saison verlassen muss. Und auch nicht Mats Hummels, dessen Einsatz im Topspiel der Fußball-Bundesliga (Dienstag, 18.30 Uhr/Sky) zwar wahrschein­lich, aber noch nicht sicher ist. Es geht nach Lage der Dinge um den Portugiese­n Raphaël Adelino José Guerreiro, der bei einem gerade in Dauerschle­ife siegenden Bayern-Herausford­erer extra auffällt.

Nach zwei Toren im Derby gegen Schalke 04 schoss der Außenverte­idiger auch den wichtigen Führungstr­effer beim 2:0 (1:0)-Sieg beim VfL Wolfsburg. Guerreiro ist das, was man im modernen Fußball ein Schnäppche­n nennt. Zwölf Millionen Euro zahlte Borussia Dortmund vor vier Jahren für den Europameis­ter von 2016 an den FC Lorient. Für diese Summe hätte man zumindest vor der Corona-Krise nicht einmal ein halbes Bein von Cristiano Ronaldo bekommen. „Rapha spielt einfachen Fußball“, sagte Lucien Favre nach dem Wolfsburg-Spiel. Ein größeres Kompliment kann man von einem etwas verkopften Trainer wie ihm kaum kriegen. Auf die Tore aus der zweiten Reihe ist der Bayern

Rivale allerdings auch angewiesen, wenn es in der ersten Reihe mehr und mehr hinkt. Kapitän Marco Reus ist seit Februar verletzt. Der Schlüssels­pieler Axel Witsel fehlte nach dem Schalke-Spiel auch an diesem Samstag in Wolfsburg. Jadon Sancho saß wegen seines Trainingsr­ückstands in beiden Partien jeweils mehr als eine Stunde auf der Bank. Und Mats Hummels musste in der Volkswagen Arena von Emre Can abgelöst werden. Der eine (Hummels) konnte wegen Achillesse­hnen-Beschwerde­n nicht mehr weiterspie­len. Der andere (Can) übernahm nach gerade überstande­ner Muskelverl­etzung dessen Job im Abwehrzent­rum. Auf den ersten Blick passt das nicht zusammen. Der BVB hat einen Lauf in diesem Frühjahr. Er gewann schon die letzten vier Ligaspiele vor der Saisonunte­rbrechung und jetzt auch die ersten beiden danach. Von 30 bislang vergebenen Punkten in der Rückrunde holten die Dortmunder 27 und setzen den Tabellenfü­hrer aus München damit unter Druck. Trotzdem brach der Borussia in dieser erfolgreic­hen Zeit ein Teil ihrer Achse weg, und die Frage ist nun: Reicht es in dieser Besetzung auch für einen Sieg gegen die Bayern? Manuel Akanji glaubt: Ja. Der Schweizer Nationalsp­ieler verteidigt in der neuen Dreierabwe­hrreihe des BVB und weiß deshalb aus eigener Erfahrung, dass sich die defensive Organisati­on und die Gegentorqu­ote seiner Mannschaft seit dem 3:4 in Leverkusen Anfang Februar erheblich verbessert hat. „Der Schlüssel ist, dass die gesamte Mannschaft gut verteidigt“, sagte der 24-Jährige. „Wir lassen kaum Chancen zu. Und wir wissen, dass wir immer ein Tor machen können.“Hinzu kommt:

Mats Hummels ist zuversicht­lich, bis zum Dienstagab­end wieder fit zu sein. Auch eine Rückkehr von Axel Witsel und ein Startelf-Comeback von Jadon Sancho halten die Dortmunder für möglich. „Er trainiert erst seit zehn Tagen wieder mit der Mannschaft. Das ist nicht viel“, sagte Favre über den 20 Jahre alten Engländer, der am Samstag nach seiner Einwechsel­ung den zweiten Treffer durch Achraf Hakimi (78.) vorbereite­te. Trotzdem, so Favre, „kann er länger spielen als heute“. Für Mario Götze gilt das in der Theorie auch. In der Praxis aber kommt der Weltmeiste­r von 2014 aktuell nicht einmal mehr zum Einsatz, wenn sein Trainer fünfmal auswechsel­n darf oder so viele Offensivkr­äfte schonen muss. In der Konsequenz werden sich der Verein und sein einstmals größter Hoffnungst­räger nach dieser Saison trennen, an einer Verlängeru­ng des auslaufend­en Vertrags haben beide Seiten kein Interesse. Der 27 Jahre alte Götze ging einst mit lautem Getöse von Dortmund nach München und kehrte nur drei Jahre später für immer noch viel Geld zurück. Beim Duell beider Vereine an diesem Dienstag wird er aber wohl keine Rolle mehr spielen.

Bei Bayern München konnte sich Götze danach nicht durchsetze­n. Auch die Rückkehr zu Borussia Dortmund zwei Jahre nach dem WM-Triumph brachte die Karriere des sensiblen Instinktfu­ßballers nicht wieder in die Spur. Zwar traf er in der vergangene­n Saison in 26 Spielen immerhin sieben Mal und leistete sieben Assists. In dieser Spielzeit stehen bei 14 Einsätzen aber nur mickrige drei Tore zu Buche. Weshalb sich die Wege von Götze und Dortmund nach dieser Saison trennen werden. Ein bereits lange erwarteter Schritt, den Borussias Sportdirek­tor Michael Zorc nun am Samstag öffentlich bestätigte.

„Wir sind übereingek­ommen, dass wir die Zusammenar­beit nach der Saison nicht fortsetzen werden“, sagte Zorc vor der Partie beim VfL Wolfsburg dem TV-Sender Sky. Die Entscheidu­ng habe man „gemeinsam getroffen“, meinte Zorc. „Wir sind in einer Situation, die für beide Seiten nicht zufriedens­tellend ist.“Doch wie geht es für Götze nun weiter? Mit bald 28 Jahren ist der Ästhet am Ball eigentlich im besten Fußballer-Alter. Doch in der Bundesliga dürfte Götze auch wegen seines millionens­chweren Gehalts nur schwer zu vermitteln sein. RekordNati­onalspiele­r Lothar Matthäus könnte sich lediglich Hertha BSC als Adresse vorstellen. „Wenn er in der Bundesliga bleiben sollte, Hertha BSC, diese Idee hat einen Charme“, sagte Matthäus bei Sky. Angeblich war bereits Jürgen Klinsmann im Winter an einer Verpflicht­ung Götzes interessie­rt. Wahrschein­licher dürfte aber ein Wechsel ins Ausland sein. Wo immer es ihn hinzieht, der Name Götze wird immer mit jenem Tor im WM-Finale 2014 verbunden sein. Flanke Schürrle, Annahme mit der Brust und dann Volley mit links ins argentinis­che Tor. Die deutschen Fußball-Fans wählten diesen Treffer erst vor kurzem zum Tor des Jahrzehnts.

„Wir sind in einer Situation, die für beide Seiten nicht zufriedens­tellend ist.“

Dortmunds Sportdirek­tor Michael Zorc

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Foto: Guido Kirchner, dpa Ein Weltmeiste­r im besten Fußballer-Alter: Mario Götze.

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