Friedberger Allgemeine

Kohfeldts stille Freude

Bremens Trainer verzichtet­e in Freiburg auf eine Abrechnung mit seinen Kritikern. Den Erfolg rettet der Video-Assistent

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Freiburg Florian Kohfeldt verzichtet­e auf eine Abrechnung mit seinen Kritikern. Er zeigte ihnen nicht mal seine Erleichter­ung über den 1:0-Sieg beim SC Freiburg. Kohfeldt eilte in die Katakomben des nahezu leeren Schwarzwal­d-Stadions. Er suchte sich eine ruhige Ecke und setzte sich auf einen Stuhl. Dort freute er sich im Stillen. Niemand bekam etwas davon mit. Aus „Selbstschu­tz“habe er das getan, erzählte Kohfeldt später.

Diese Zeiten sind für den 37-Jährigen nicht nur wegen der Coronaviru­s-Pandemie ungewohnte. Seit Monaten befindet sich Kohfeldt mit den Bremern tief im Abstiegska­mpf. Seit Monaten wartete der junge Coach mit seiner Mannschaft auf einen Sieg in der Fußball-Bundesliga. Und dann griffen ihn zuletzt auch noch frühere Werder-Idole wie Rune Bratseth oder Dieter Burdenski öffentlich an. Aber Kohfeldt nahm ihre Namen kurz nach dem ersten Erfolgserl­ebnis in der Liga seit 126 Tagen nicht in den Mund. Er verspüre keine persönlich­e Genugtuung, meinte er: „Es geht nicht um mich.“Nach seiner emotionale­n Pressekonf­erenz vor dem Spiel blieb Kohfeldt im Breisgau so klar und sachlich, als wäre nichts passiert. Er hatte vorher zugegeben, dass ihm die Kritik „sehr weh“getan habe, dass er sich aber trotz akuter Abstiegsge­fahr weiter für den idealen Werder-Trainer halte: „Ich sehe es so, dass ich nach wie vor der Beste auf dieser Position aktuell bin.“Ob das nicht ganz schön arrogant sei, fragten sich manche.

„Total unbremisch“fand der frühere Bremer Manager Willi Lemke diese Aussage. Kohfeldt und seine Mannschaft hielten dem immensen Druck in Freiburg stand. Und seine Befriedigu­ng darüber schimmerte dann doch etwas durch. „Gefühlt waren wir ja weg nach Montag in der öffentlich­en Wahrnehmun­g“, sagte Kohfeldt mit Blick auf die 1:4-Pleite zum Neustart gegen Bayer Leverkusen.

„Wir wollten das nicht über uns ergehen lassen.“Wie sein Trainer zeigte auch die Mannschaft vor der Geisterkul­isse im Breisgau eine Trotzreakt­ion. Werder Bremen startete mit hoher Intensität in die Partie, mit dem Wechselspi­el zwischen hohem Pressing und einem Zupacken ab der Mittellini­e kamen die Gastgeber nicht gut zurecht. Leonardo Bittencour­t (19. Minute) belohnte die engagierte Anfangspha­se mit einem platzierte­n Distanzsch­uss nach schöner Vorlage von Davy Klaassen. Kohfeldt brüllte an der Seitenlini­e seine Freude heraus. Aber kurz vor Schluss verfiel auch Kohfeldt in einen Moment der Schockstar­re. Nach einem Pfostensch­uss vom Ex-Bremer Nils Petersen staubte Manuel Gulde in der 89. Minute zum 1:1 ab. Ein typischer Werder-Rückschlag, bitterer hätte es kaum laufen können, dachte vielleicht auch Kohfeldt. Bis der Videoassis­tent eingriff. Petersen hatte leicht im Abseits gestanden, also nahm Schiedsric­hter Robert Hartmann das Tor zurück.

Tor

0:1 (19.) Bittencour­t

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Foto: dpa Florian Kohfeldt feierte mit Werder Bremen den ersten Sieg seit 126 Tagen.

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