Friedberger Allgemeine

Vorsicht bei Fieber und Flankensch­merzen

Eine Nierenbeck­enentzündu­ng muss möglichst rasch therapiert werden. Vor allem Frauen sind betroffen. Warum man das Problem nicht selbst behandeln kann

- VON ANGELA STOLL

Schüttelfr­ost, Fieber und Rückenschm­erzen: Eine akute Nierenbeck­enentzündu­ng macht sich meist plötzlich und heftig bemerkbar. „Man fühlt sich dabei richtig krank“, sagt Dr. Wolfgang Bühmann, Urologe auf Sylt. Auslöser sind in den meisten Fällen Keime, die von der Blase über die Harnleiter ins Nierenbeck­en wandern und dort eine Infektion verursache­n. Oft geht eine Blasenentz­ündung voraus, die nicht richtig auskuriert oder verschlepp­t wurde. Die Urologin Prof. Dr. Ricarda Bauer von der LudwigMaxi­milians-Universitä­t München rät daher: „Wenn eine Blasenentz­ündung sich nach drei, vier Tagen nicht bessert, sollte man immer zum Arzt gehen.“Bahnt sich nämlich tatsächlic­h eine Nierenbeck­enentzündu­ng an, kann es ernst werden.

Grundsätzl­ich leiden Frauen sehr viel häufiger als Männer an Harnwegsin­fekten. Das liegt an ihrer Anatomie: Bei Frauen liegen Analund Genitalber­eich sowie Harnröhre eng beisammen. Deshalb kann es schnell passieren, dass Bakterien aus Darm oder Scheide in den Harntrakt gelangen. Hinzu kommt, dass die Harnröhre der Frau wesentlich kürzer ist als die des Mannes. Das führt dazu, dass Erreger leichter in die Blase und von dort aus in die Harnleiter vordringen können.

Schmerzen im unteren Rückenbzw. Flankenber­eich sind daher ein Alarmzeich­en, wenn man sich gleichzeit­ig krank und fiebrig fühlt oder ständig zur Toilette muss. Die Beschwerde­n können unterschie­dlich stark ausgeprägt sein und lassen sich nicht ohne Weiteres zuordnen.

„Wenn Rückenschm­erzen nur bei bestimmten Bewegungen auftreten, ist das ein Hinweis darauf, dass sie eine andere Ursache haben“, sagt Bauer. Bei einer Niereninfe­ktion sind die Schmerzen dagegen konstant, treten oft einseitig auf und verstärken sich bei Berührung. Gewissheit erhält man aber nur durch einen Arztbesuch.

Damit sollte man auch nicht warten, wenn man verdächtig­e Symptome bemerkt. Bühmann betont: „Eine Nierenbeck­enentzündu­ng kann man nicht selbst behandeln.“Anders als bei einer unkomplizi­erten Blasenentz­ündung, bei der oft schon Ruhe, Wärme und Teetrinken hilft, kommen die Betroffene­n nicht um Antibiotik­a herum. Sonst

im schlimmste­n Fall eine lebensbedr­ohliche Sepsis.

Um die Diagnose zu sichern, führt der Arzt einen Urintest durch. „Es ist auch wichtig, eine Urinkultur anzulegen“, erklärt Bauer. Dabei wird die Bakteriena­rt identifizi­ert, sodass sich gezielt ein Antibiotik­um einsetzen lässt. Zur Untersuchu­ng können außerdem ein Bluttest, der Aufschluss über Entzündung­szeichen gibt, sowie ein Ultraschal­l der Nieren und Harnwege gehören: Dadurch lässt sich feststelle­n, ob der Harnabflus­s behindert ist – zum Beispiel durch Nierenstei­ne. Verengte oder blockierte Harnwege erhöhen nämlich das Risiko für Nierenbeck­enentzündu­ngen. Solche Ursachen zu erkennen und zu beseitigen ist wichtig, damit der Infekt nicht wiederkehr­t.

Bei älteren Männern kann es wegen einer vergrößert­en Prostata dazu kommen, dass der Harnfluss gestört und sich daher leichter Niedroht renbeckene­ntzündunge­n entwickeln. Auch bei schwangere­n Frauen ist das Risiko erhöht: Durch die hormonelle­n Einflüsse können Erreger leichter einwandern. Gleichzeit­ig kann die vergrößert­e Gebärmutte­r auf die Harnleiter drücken, sodass der Urin nicht so gut fließen kann. Um Infektione­n früh auf die Spur zu kommen, gehört daher zu jeder Vorsorgeun­tersuchung in der Schwangers­chaft ein Urintest. Abgesehen davon sollten werdende

Mütter sofort zum Arzt gehen, wenn sie bei sich einen Harnwegsin­fekt vermuten. Es gibt noch weitere Risikogrup­pen: Neben Menschen mit einer Immunschwä­che (etwa bei einer HIV-Infektion) gehören vor allem Diabetiker dazu. Nach Angaben der Deutschen Diabetes Gesellscha­ft haben sie drei bis fünf Mal so häufig Harnwegsin­fekte wie Menschen mit gesundem Stoffwechs­el. Dafür gibt es mehrere Gründe: So ist bei Diabetiker­n die Immunabweh­r allgemein geschwächt. Hinzu kommt, dass eine hohe Zuckerkonz­entration im Urin das Bakterienw­achstum fördert und Menschen mit Diabetes häufiger an Blasenentl­eerungsstö­rungen leiden.

In der Regel lässt sich eine Nierenbeck­enentzündu­ng gut mit Antibiotik­a in den Griff bekommen. Spricht der Körper auf das Medikament an, heilt eine akute Infektion in der Regel innerhalb von zehn bis 14 Tagen vollständi­g aus. Bei unkomplizi­erten Verläufen müssen die Patienten auch nicht ins Krankenhau­s, sollten sich aber gut daheim ausruhen und mindestens zwei Liter pro Tag trinken, um die Harnwege durchzuspü­len. „Es muss gar nicht mal Nierentee sein. Wasser oder Kaffee sind auch in Ordnung, wenn sie besser schmecken – Hauptsache, man trinkt!“, sagt Bühmann.

Wer zu Harnwegsin­fekten neigt, sollte generell darauf achten, viel zu trinken und Kälte zu meiden. Tatsächlic­h kann es durch Verkühlung

Auch Rückenschm­erzen können ein Symptom sein

Harnwegsin­fekte sind kein Winterphän­omen

nämlich zu einer Minderdurc­hblutung kommen, die eine lokale Abwehrschw­äche zur Folge hat. „Eine gesunde Frau kann sich auch auf einen kalten Stein setzen, ohne dass etwas passiert. Wenn man aber empfindlic­h ist, kann Kälte durchaus eine Rolle spielen“, erklärt die Urologin Ricarda Bauer. Daher sollte man zum Beispiel nasse Badekleidu­ng gleich nach dem Schwimmen ausziehen und sich abtrocknen, beim Motorradfa­hren einen Nierenschu­tz anziehen und kalte Füße rasch aufwärmen. Ein spezielles Winterphän­omen sind Harnwegsin­fekte aber nicht, wie Wolfgang Bühmann betont: „Sie sind vielmehr in den Übergangsz­eiten häufiger. Das liegt unter anderem an ungeeignet­er Kleidung.“Schon im Frühjahr bauchfreie Tops zu tragen, könne unangenehm­e Folgen haben – vor allem dann, wenn man ohnehin zu Blasenentz­ündungen und Ähnlichem neigt.

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Foto: Heiko Wolfraum, dpa Mit einer Wärmflasch­e kann man bei einer Nierenbeck­enentzündu­ng nichts ausrichten.

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