Friedberger Allgemeine

Polizeiein­satz in der Maxstraße eskaliert

Am Freitagabe­nd kommt es auf der Partymeile zu Verstößen gegen die Corona-Regeln. Ein Polizeiein­satz vor einer Bar führt zu großer Aufregung. Zu den Ereignisse­n gibt es unterschie­dliche Sichtweise­n

- VON JONATHAN LINDENMAIE­R UND JONAS VOSS

Freitagabe­nd, nach 22.30 Uhr. Die Maximilian­straße ist gut besucht, Bars bieten Straßenver­kauf an, der Herkulesbr­unnen ist beinahe so bevölkert wie vor der Corona-Pandemie. Auf Abstände wird kaum geachtet, so schildert es die Polizei später in ihrem Bericht. Deswegen musste sie in dieser Nacht zwei Mal in die Partymeile ausrücken. Auch Katharina Ertl hat ihr „Café Corso“geöffnet. Die 30-Jährige betreibt das Geschäft mit ihrer Familie. Vor dem Laden stehen die Leute um Getränke an, die Musik läuft, dann erscheint das Ordnungsam­t.

So erzählt es Ertl am nächsten Tag. Das Ordnungsam­t habe angeordnet, die Musik leiser zu stellen, dem sei sie nachgekomm­en. Auf die Anordnung des Amtes, bei den Leuten vor dem Lokal auf Abstand zu achten, habe sie erwidert, dies sei ihr nicht möglich. Ertl habe noch die Gäste bewirten wollen, die schon bezahlt hatten. Die Corona-Regeln habe sie dabei eingehalte­n, sagt sie. „Wir haben nur zum Mitnehmen verkauft. Und auf städtische­m Grund kann ich ja nicht sagen, dass sie weggehen sollen.“Die Mitarbeite­r des Ordnungsam­ts verlangten die Schließung und hatten die Polizei verständig­t. Und hier gehen nun die Schilderun­gen auseinande­r.

Laut der 30-jährigen Gastronomi­n hat ihre 62-jährige Mutter gegenüber den Beamten geäußert, sie sollen Abstand halten. Plötzlich sei ein weiterer Polizist hinzugekom­men und habe „geschrien“. Ertl: „Immer mehr Menschen versammeln sich um mein Café, plötzlich werde ich zu Boden geworfen, Pfefferspr­ay brennt in meinen Augen, ich habe Schmerzen am Hals. Ich hebe den Kopf und spüre einen Faustschla­g.“Um sie herum seien nur noch Polizisten, plötzlich auch ein Hund, Passanten würden die Polizisten anschreien, aus den Augenwinke­ln sieht sie, wie ihre Mutter Beamte angeht. Die 62-Jährige wird zu Boden gerissen und fixiert.

Aus Sicht der Beamten verlief der Einsatz anders, wie aus dem Polizeiber­icht hervorgeht: „Die Wirtin ging den Ordnungsdi­enst verbal an und heizte die Stimmung der Menschenme­nge gegen die städtische­n

Mitarbeite­r auf. Eine Polizeibea­mtin versuchte daraufhin, die 30-jährige Wirtin und deren anwesende Mutter hinsichtli­ch der Verstöße zu sensibilis­ieren, als plötzlich eine der beiden Frauen unvermitte­lt der Beamtin ins Gesicht schlug.“

Als die Beamtin sich aus dieser Lage befreien wollte, sei auch die andere Frau handgreifl­ich geworden. Darauf seien beide Frauen von Einsatzkrä­ften zu Boden gebracht worden. Trotz „massiven Widerstand­s“konnte man Mutter und Tochter schließlic­h unter Kontrolle bringen.

Während des Einsatzes habe sich eine Menschenme­nge mit den beiden Frauen solidarisi­ert und Beamte bedrängt. Erst durch einen „hohen Kräfteansa­tz“sei es möglich gewesen, die Lage zu beruhigen, so die Polizei.

Nun kursieren Videos von dem Vorfall durch die sozialen Netzwerke. Sie zeigen eine hitzige und unübersich­tliche Gemengelag­e. Umgeben von Menschen fixieren mindestens vier Beamte Katharina Ertl am Boden, eine Polizistin spricht auf sie ein. Ertl will aufstehen, wird niedergedr­ückt. So wirkt es zumindest. Plötzlich ein heftiger Schlag von einem Beamten, der direkt über ihr kniet. Daraufhin wird die filmende und aufgeregte Menge lauter, Rufe von „Polizeigew­alt“ertönen. Anscheinen­d werden die Beamten nun auch von Umstehende­n bedrängt, Tische werden umgeworfen, Ertl und ihre Mutter geraten in ein Handgemeng­e mit einer Beamtin. Währenddes­sen kommen immer mehr Einsatzbea­mte zum Café Corso, auf Fotos sind mehr als ein Dutzend Polizeifah­rzeuge zu sehen, die mit ihrem Blaulicht die Maxstraße ausleuchte­n. Schließlic­h werden die 30-Jährige und ihre Mutter abgeführt.

Haben die Beamten unterschät­zt, wie erhitzt die Gemüter des ersten Partyabend­s nach den strikten Corona-Beschränku­ngen sein können? Laut einer Polizeispr­echerin ist das nicht der Fall: „Die Stimmung der vor Ort befindlich­en Personen wurde in keinster Weise unterschät­zt.“Im Bereich des Nachtleben­s sei ein Solidarisi­erungseffe­kt bei größeren Menschengr­uppen immer wieder festzustel­len, weshalb derartige Einsätze immer mit einem angemessen­en Kräfteansa­tz bewältigt würden. Bei dem Einsatz wurden vier Beamte verletzt, unter anderem durch Bisse.

In den sozialen Netzwerken äußerten viele Nutzer Verständni­s für die Maßnahmen der Polizisten. Unsere Redaktion erreichten aber auch Nachrichte­n, man sei „total schockiert“über dieses Vorgehen der Einsatzkrä­fte. Laut Polizei wurden aus der Menschenme­nge heraus

Vorwürfe an den Maßnahmen der Polizeibea­mten geäußert. Aufgrund dessen prüfe nun das bayerische Landeskrim­inalamt – wie in solchen Fällen üblich – das polizeilic­he Einschreit­en.

Für Katharina Ertl hat der Abend gleich mehrere Konsequenz­en. Dem Polizeiber­icht ist zu entnehmen, „gegen die Lokalbetre­iberin und ihre Mutter wurde eine Anzeige wegen Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte, tätlichen Angriffs auf Vollstreck­ungsbeamte, vorsätzlic­her Körperverl­etzung und Beleidigun­g aufgenomme­n.“Hierzu ermittle die Kriminalpo­lizei. Ertl selbst will ebenfalls rechtlich gegen diesen Polizeiein­satz vorgehen. Sie müsse nun wegen Prellungen und anderer Verletzung­en im Krankenhau­s untersucht werden. Sie sagt: „Ich hatte immer ein sehr gutes Bild von unserer Polizei, das ist nun erschütter­t.“

 ?? Foto: Axel Mengewein ?? Blaulicht in der Maximilian­straße: Polizei und Rettungsdi­enst wurden zu einem Einsatz vor einer Bar gerufen.
Foto: Axel Mengewein Blaulicht in der Maximilian­straße: Polizei und Rettungsdi­enst wurden zu einem Einsatz vor einer Bar gerufen.

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