Friedberger Allgemeine

Wie Glaube in Zeiten von Corona gelebt wird

Die Friedberge­r Pallottine­r haben eine Online-Umfrage zu Messen unter Hygienebed­ingungen gestartet. Das Ergebnis spiegelt für Vizeprovin­zial Michael Pfenning die Vielfalt der Gemeinde wider

- VON ALEXANDER SCHWEDA

Friedberg Mundschutz, Handschuhe, kein Gesang, Anmeldung zur Messe: Ist die Eucharisti­e so wichtig, dass sie auf jeden Fall stattfinde­n soll – auch unter strengen Hygienevor­schriften? Die Friedberge­r Pallottine­r haben die Gläubigen dazu aufgerufen, ihre Erfahrunge­n zu schildern. Viele Menschen wollen lieber warten, bis Gottesdien­ste wieder allen zugänglich sind. Aber es gibt auch ebenso Stimmen, die sich darüber freuen, dass es überhaupt wieder die Möglichkei­t gibt, die Messe zu erleben.

„Ich war sehr erfreut, als es hieß, man könne wieder mit Anmeldung in die Kirche und an der Eucharisti­e teilnehmen“, schreibt eine Frau und betont: „Meine Sehnsucht danach war wirklich sehr groß.“Denn nur Worte, Bibelstell­en und Impulse reichten ihr nicht. Sie vermisse die Gemeinscha­ft, noch viel mehr den Empfang der Kommunion. Dafür war sie auch bereit, alle Vorschrift­en einzuhalte­n. Ihre Gefühle: „Ich war zu Tränen gerührt.“Wenn es denn nicht anders gehe, dann sollten die Priester mehrere Messen bieten, bis sich kleine Gruppen gefunden haben, die den Glauben lebendig erhalten und die ab und zu einen Priester zu Besuch haben, schlägt sie vor.

Auch eine andere Friedberge­rin betonte, wie sie trotz der irritieren­den Gefühle durch die Vorschrift­en tief berührt gewesen sei, als sie die Kommunion empfing. Plötzlich sei ihr klar gewesen, „dass die Umstände nicht so wichtig für mich sind und dass ich jeden Sonntag wieder die Messe mitfeiern will, auch wenn ich gefühlsmäß­ig irritiert bin.“Froh und dankbar: Diese Worte fallen bei den Befürworte­rn auch auf Facebook häufig. Endlich komme wieder Leben in die Gotteshäus­er, schreibt ein Facebook-Nutzer.

Manche sagen aber auch, dass sie zwiegespal­ten seien. „Einerseits schätze ich die wohltuende­n, da vertrauten und Geborgenhe­it schenkende­n traditione­llen Rituale“, schreibt ein Mann und betont, dass ihm dies Verlässlic­hkeit und Beständigk­eit im Alltag gebe. Anderersei­ts böten die Verpflicht­ungen auch die Möglichkei­t und den Anlass, aus altem Trott auszubrech­en und Neues zu versuchen.

Noch mal anders empfindet es eine Frau, die die Corona-Messen ablehnt. Sie finde es wohltuend, leere Kirchen zu besuchen, eine Kerze zu entzünden, Tages- und Wochenimpu­lse anderer Gemeinden aufzugreif­en oder Gottesdien­ste im Internet mitzuerleb­en. „Das erfüllt mich mehr, da ist Gott mir näher als bei solchen verkrampft­en HygieneGot­tesdienste­n“, schreibt sie. Eine andere fragt: „Was ist das für ein Gottesdien­st, in dem nur ein Bruchteil der Gemeinde sich mit Mundschutz versammelt, mit Abstand, und danach wird man gebeten, sich nicht mehr zu unterhalte­n, sondern schnell heimzugehe­n!“

Eine Gläubige erzählt, dass sie sich gegen die Teilnahme einer Messe mit Hygienevor­schriften entschiede­n habe. Stattdesse­n gehe sie jeden Sonntag in die Kirche, hole sich das Licht von der Osterkerze und übertrage es auf die kleine Osterkerze. „Wenn ich dann nach Hause gehe, lösche ich das Licht und nehme die Kerze mit.“Und was den fehlenden Gesang betreffe, setze sie sich auf die Bank vor der Kirche, höre den Gesang der Vögel an und erfreue sich an der Natur.

Für Vizeprovin­zial Pater Michael Pfenning spiegelt sich in der Vielfalt der Antworten die Vielfalt der Gemeinde, die sich „das große Geheimnis der Eucharisti­e mit unterschie­dlichen Zugängen erschließt“. Er sieht die Aufgabe seiner pallottini­schen Gemeinscha­ft daher darin, alle diese Zugänge wahrzunehm­en und die Feier der Eucharisti­e als Kraftquell­e zu stärken, ohne Etiketten wie falsch und richtig oder liberal und konservati­v zu verteilen. „Wir können jetzt den Gottesdien­st als spirituell­es Ereignis neu entdecken und die Gestaltung entspreche­nd vertiefen“, sagt Pfenning.

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Archivfoto: Heike John Wie soll eine Messe unter Hygienebed­ingungen abgehalten werden? Die Friedberge­r Pallottine­r haben dazu eine Online-Umfrage gestartet.
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