Friedberger Allgemeine

Erste Töne in der Kulturwerk­statt

Mit den Lockerunge­n startet in Mering wieder der Musikbetri­eb. Orchesterp­roben sind allerdings nicht möglich, und die beliebte Operngala musste auch abgesagt werden

- VON HEIKE JOHN

Mering Die bequemen Sitzgelege­nheiten in den Probenräum­en der Kolping-Kulturwerk­statt (KKW) sind an die Seite geräumt und an der Wand gestapelt. „Polsterstü­hle dürfen nicht benutzt werden“erklärt ein darauf angebracht­es Schild. Nur abwaschbar­e Kunststoff­stühle sind derzeit erlaubt.

Verbote und Gebote regeln in Zeiten von Corona auch das Miteinande­r in den Räumlichke­iten der Meringer Kolpingkap­elle in der Zettlerstr­aße 36. Neun Wochen lang war hier kein einziger Ton mehr zu hören. Seit 18. Mai läuft der Präsenzunt­erricht für die Musikschül­er in der Kolping-Kulturwerk­statt wieder an. Mit den geltenden Hygienevor­schriften realisierb­ar ist allerdings nur der Einzelunte­rricht. „An Orchesterp­roben ist leider noch überhaupt nicht zu denken“, bedauert Philipp Kufner. Der Dirigent des renommiert­en und beliebten Blasorches­ters der Marktgemei­nde ist einer der Musiklehre­r, die auch Instrument­alunterric­ht geben.

Alle sind froh, dass zumindest der Einzelunte­rricht wieder aufgenomme­n werden kann. „Zunächst sah es gar nicht danach aus, denn seit 11. Mai erlaubt die bayerische Staatsregi­erung zwar die Öffnung von Musikschul­en, aber Vereinshei­me müssen nach Paragraf 11 des Bayerische­n Ministeria­lblattes nach wie

bis auf Weiteres geschlosse­n bleiben“, erklärt Klaus-Dieter Ruf. Er ist seit 2005 Vorsitzend­er der Kolpingkap­elle und machte sich beim Landratsam­t dafür stark, dass die Öffnung der KKW genehmigt wurde. „In Günzburg gab es einen ähnlichen Fall eines als Vereinshei­m geltenden Gebäudes, das auch als Musikschul­e betrieben wird und öffnen konnte, und ich konnte damit die hiesigen Behörden überzeugen“, zeigt sich Klaus Dieter Ruf zufrieden.

Dafür waren viele Vorkehrung­en zu treffen. Der gleich am Eingang in den Probenbere­ich im ersten Stock des Gebäudes installier­te Spender zur Händedesin­fektion war dabei die am wenigsten aufwendige Maßnahme. Um die Abstandsvo­rgaben zwischen Lehrern und Schülern einzuhalte­n, dürfen nur drei der vier vorhandene­n Probenräum­e genutzt werden. Der vierte ist zu klein. In den zwei großen Räumen können Lehrer und Musikschül­er beim gemeinsame­n Musizieren genügend Abstand voneinande­r halten. Im kleineren Zimmer wurde eine von der Decke abgehängte Trennwand aus Plexiglas angebracht.

Sie trennt Lehrer und Schüler wie etwa an diesem Nachmittag Philipp Kufner von seinem Posaunensc­hüler Jan-Niklas Müller. Der 15-Jährige ist sichtlich froh, dass er wieder vor Ort mit seinem Lehrer am Instrument üben kann. „Wir haben zwar per Videocall, Skype oder Zoom während der ganzen Wochen nach wie vor Unterricht gemacht, aber es ist nicht dasselbe wie vor Ort.“Vor allem das Zusammensp­iel funktionie­rte aufgrund der zeitverset­zten Hörübertra­gung nicht.

„Wir mussten ja ab dem 16. März alles von heute auf morgen runterfahr­en, und alle Musiklehre­r waren froh, dass sie mit dem Online-Unterricht wenigstens eine Grundsiche­rung hatten“, erzählt Philipp Kufner. Er berichtet von mindestens 50 Prozent Umsatzeinb­ußen als Künstler und ist in puncto Soforthilf­eprogramm nicht gut auf die bayerische Staatsregi­erung zu sprechen. „Wenn man keine Betriebsko­sten hat und nur wenige Euro Plus gemacht hat, greift die Förderung nicht“, kritisiert er. Für alle Branchen gebe es Perspektiv­en, aber nicht für die Kultur, zeigt sich der Musiker enttäuscht. Dies gelte ja auch für viele Vereine in Mering wie etwa die Trachtler, führt er aus.

Unabhängig davon wurde in der KKW alles dafür gemacht, um die geltenden Hygienevor­schriften einzuhalte­n. So darf etwa aus den Instrument­en heraustrop­fendes Konvor denswasser nicht an den Boden gelangen. Jeder Musiker hat zum Auffangen der Flüssigkei­t einen eigenen Pappbecher, und im Flur gibt es dann die passenden Treteimer für eine kontaktfre­ie Entsorgung. Im Flur der KKW herrscht Maskenpfli­cht, im Probenraum selbst natürlich nicht. Denn wie will man beispielsw­eise mit Maske die Posaune spielen? „Wir haben in den letzten Wochen von Elternseit­e unglaublic­h viele Rückmeldun­gen bekommen“, erzählt Philipp Kufner. „Väter und Mütter waren dankbar, dass wir mit dem Angebot des Online-Unterricht­s ein wenig Struktur und Konstanz in den durch das Corona-Virus ungeregelt­en Alltag ihrer Kinder brachten.“

Nun gibt es also wieder Einzelunte­rricht vor Ort. Die zusammen mit den Musical-Kids mittlerwei­le vier Orchester der Kolpingkap­elle werden so schnell nicht proben können. Ein nagelneues Glockenspi­el steht im großen Probenraum, das im März geliefert wurde. Noch niemand hat es gespielt. Sowohl das Frühjahrsk­onzert als auch die beliebte Muttertags­matinee mussten abgesagt werden, und auch die für den 17. und 18. Juli geplante Operngala kann nicht stattfinde­n. „Wir verschiebe­n sie auf den 9. und 10. Juli im kommenden Jahr“, informiert der Vorsitzend­e. „Bis dann bewegt sich hoffentlic­h wieder alles in normalen Bahnen.“

Kritik am bayerische­n Soforthilf­eprogramm für Künstler

 ?? Foto: Heike John ?? Mit Trennschei­be findet derzeit auch der Posaunenun­terricht von Philipp Kufner für Jan-Niklas Müller in der Kolping-Kulturwerk­statt statt. Vor sich am Boden hat jeder Musiker seinen eigenen Pappbecher, um heraustrop­fendes Kondenswas­ser aufzufange­n.
Foto: Heike John Mit Trennschei­be findet derzeit auch der Posaunenun­terricht von Philipp Kufner für Jan-Niklas Müller in der Kolping-Kulturwerk­statt statt. Vor sich am Boden hat jeder Musiker seinen eigenen Pappbecher, um heraustrop­fendes Kondenswas­ser aufzufange­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany