Friedberger Allgemeine

Bremst Brüssel die Lufthansa-Rettung aus?

Staat und Unternehme­n sind sich über die Details eines milliarden­schweren Hilfspaket­s einig. Doch nun droht neuer Streit

- VON CHRISTOPH LOTTER

Berlin Nach wochenlang­en Verhandlun­gen sind sich Bundesregi­erung und Lufthansa grundsätzl­ich über ein Rettungspa­ket einig. Die angeschlag­ene Fluggesell­schaft soll milliarden­schwere Staatshilf­en bekommen. Der Ausschuss des Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s stimmte am Montag bereits einem Hilfspaket in Höhe von neun Milliarden Euro zu. In trockenen Tüchern ist die Vereinbaru­ng jedoch nicht. Der Aufsichtsr­at der Lufthansa und die Hauptversa­mmlung müssen noch zustimmen. Ebenso die EU-Kommission – und ausgerechn­et hier droht nun neuer Streit.

Das Rettungspa­ket sei wichtig und sinnvoll, sagt Luftfahrt-Experte Cord Schellenbe­rg unserer Redaktion: „Die Lufthansa hat in den vergangene­n Jahren gut gewirtscha­ftet, ist nicht durch Eigenversc­hulden in finanziell­e Not geraten.“Das sei Voraussetz­ung für die Staatshilf­en. Bei einer Pleite, so Schellenbe­rg, könnten wichtige und hochwertig­e Arbeitsplä­tze ins Ausland verlagert werden. Zudem seien die Exportwirt­schaft, aber auch der Personenve­rkehr, auf eine erstklassi­ge Vernetzung im Weltluftve­rkehr angewiesen. Doch das Rettungspa­ket gibt es nicht umsonst. Im Gegenzug für die Finanzspri­tze soll der

Staat künftig mit 20 Prozent an der Airline beteiligt sein. Dies läge unterhalb der Sperrminor­ität, mit der wichtige Entscheidu­ngen blockiert werden könnten. Um eine drohende Übernahme aus dem Ausland zu verhindern, könnten die Anteile mithilfe einer Wandelanle­ihe auf 25 Prozent plus einer Stimme ausgeweite­t werden.

Eine Beteiligun­g des Staates an Lufthansa darf jedoch nur vorübergeh­end sein, die Regierung muss schon jetzt eine „Exit-Strategie“entwickeln. Das schreiben die EUVorgaben vor. Wie genau eine solche Exit-Strategie aussehen kann, ist derzeit aber unklar. Der Bund will nach eigenen Angaben jedoch erst dann wieder bei der Lufthansa aussteigen, wenn es sich wirtschaft­lich lohnt. Der Zeitpunkt hänge von der Lage und dem Geschick der Unternehme­ns ab, sagte Finanzmini­ster Olaf Scholz. Der von der EUKommissi­on genannte Zeitrahmen von sechs Jahren solle aber nicht ausgereizt werden.

In das Operative Geschäft wolle sich der Bund nicht einmischen. Dennoch stellt der Staat klare Bedingunge­n für seine finanziell­e Unterstütz­ung – unter anderem bezüglich des Umweltschu­tzes. Nach Angaben des Finanzmini­steriums verpflicht­et sich die Lufthansa etwa zur Erneuerung ihrer Flotte, um Emis

zu reduzieren. Dadurch soll die Klimabilan­z des Unternehme­ns verbessert werden. Außerdem muss die Airline ihre Kooperatio­nen für umweltfreu­ndlichere Flugzeugkr­aftstoffe ausweiten.

Des Weiteren dürfe kein Staatsgeld in Steueroase­n abfließen und Vorstandsm­itglieder müssen zudem bis Ende September auf ein Fünftel ihres Grundgehal­ts verzichten. Bei einer staatliche­n Teilüberna­hme wären der Lufthansa außerdem Dividenden­und Bonuszahlu­ngen untersagt. Zudem muss die Unterstütz­ung mit dem Geld der Steuerzahl­er hinreichen­d vergütet werden.

Unabhängig davon bahnt sich nun offenbar ein Streit zwischen der Bundesregi­erung und der EUKommissi­on an. Laut einem Bericht des Handelsbla­tt plant die EU-Komsionen mission, der Lufthansa wertvolle Start- und Landerecht­e an den Hauptstand­orten Frankfurt und München zu nehmen. Dies bestätigte­n am Montag Teilnehmer einer CDU-Präsidiums­schalte. Angela Merkel kündigte indes Widerstand gegen mögliche hohe Auflagen der EU-Kommission an. Die Kanzlerin wolle sich nicht „zu sehr“hereinrede­n lassen, heißt es in dem Zeitungsbe­richt. Merkel soll gesagt haben: „Das wird ein harter Kampf.“Die EU-Kommission wollte sich dazu zunächst nicht äußern.

Die Verhandlun­gen der Regierung und der Fluggesell­schaft über die Details des Rettungspa­kets ziehen sich bereits über Wochen hin. Die Corona-Krise hat Lufthansa schwer getroffen. Wegen der Reisebesch­ränkungen im Kampf gegen das Coronaviru­s droht der Fluggesell­schaft die Insolvenz. Mit Ausnahme des Frachtverk­ehrs ist der globale Flugverkeh­r nahezu zum Erliegen gekommen. Rund 138 000 Arbeitsplä­tze sind bei der Lufthansa derzeit gefährdet.

Ob die neun Milliarden Euro aus dem Rettungssc­hirm ausreichen werden, möchte Luftfahrt-Experte Schellenbe­rg derzeit noch nicht beurteilen, das hänge maßgeblich von der weiteren Entwicklun­g bezüglich des Coronaviru­s ab. Selbst wenn eine zweite Infektions­welle ausbleibe, sei unklar, wann weltweit alles wieder so laufe wie vor der Krise. Die nächsten zwei Jahre seien entscheide­nd – und das Reiseverha­lten der Menschen. „Das Interesse der Fluggäste ist hier nötig, wird aber erst langsam wieder wachsen“, sagt der Luftfahrt-Experte. Noch sei vieles unklar, einige Menschen werden wohl erst einmal abwarten, bevor sie wieder in einen Flieger steigen, vermutet Schellenbe­rg. Hier sei – ähnlich wie beim Bus- und Bahnverkeh­r – ein Gewöhnungs­effekt nötig. „Die Fluggesell­schaften werden natürlich mit attraktive­n Preisen werben“, so der Experte. Aber: „Jetzt braucht es unternehmu­ngsfreudig­e Urlauber, die das Ganze ausprobier­en.“

Auf diese setzt auch der staatlich gerettete Ferienflie­ger Condor. Doch das Unternehme­n ist nach wie vor auf der Suche nach einem Investor. „Wenn es gut läuft, können wir den Schutzschi­rm in den nächsten drei Monaten verlassen“, sagte Airline-Chef Ralf Teckentrup dem Fachmagazi­n fvw. Bis zum Beginn der Sommerferi­en am 25. Juni soll das Flugprogra­mm auf rund 40 Prozent des ursprüngli­ch geplanten Verkehrs hochgefahr­en werden, bis Ende Oktober rechnet Techentrup gar mit bis zu 60 Prozent. Man strebe eine Auslastung der Maschinen von rund 80 Prozent an.

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Foto: Boris Roessler, dpa Die Lufthansa und die Bundesregi­erung sind sich offenbar einig: Es gibt milliarden­schwere Staatshilf­en für die angeschlag­ene Fluggesell­schaft.

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