Friedberger Allgemeine

Die Bahn rollt auf ein Pfingsthoc­h zu

Mit mehr Verbindung­en, längeren Zügen und besseren Fahrgastin­formatione­n fährt der Konzern wieder hoch

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Augsburg/Berlin Die Unterschie­de könnten größer nicht sein: Während die Lufthansa ihren Personenfl­ugverkehr in der Krise beinahe völlig eingestell­t hat, hielt die Bahn auch im Fernverkeh­r durchgehen­d 75 Prozent ihres Angebots aufrecht. Der Regionalve­rkehr rollt fast überall wieder im Normalbetr­ieb. Nun will der Konzern auch sein übriges Angebot so schnell wie möglich wieder hochfahren, kündigte DB-Personenve­rkehrschef Berthold Huber am Montag in einer Telefonkon­ferenz mit Journalist­en an.

Ungefähr halb so viele Leute wie vor der Krise fahren derzeit mit der Bahn. Über das lange Wochenende mit Christi Himmelfahr­t und Brückentag transporti­erte der Konzern laut Huber deutlich über 700000 Personen. Vor einem Jahr waren es aber noch gut 1,5 Millionen. Dennoch ist der Manager optimistis­ch: „Wir waren bei Werten von 90 Prozent unter dem Vorjahr.“Das sind Werte, wie sie auch die Lufthansa kennt. Doch Vergleiche der beiden Branchen sind schwierig. Laut Statistisc­hem

Bundesamt traten 124,4 Millionen Menschen im Jahr 2019 von Deutschlan­d aus eine Flugreise an. Allein die Deutsche Bahn kam im Schienenve­rkehr im gleichen Jahr auf rund 2,3 Milliarden Reisende. Die Bahn kann nicht einfach aufhören zu fahren. Aber der Bahnverkeh­r hat über seine Systemrele­vanz hinaus weitere Besonderhe­iten, mit denen die Entscheidu­ng für das Weiterfahr­en auch betriebswi­rtschaftli­ch zu rechtferti­gen ist.

Die Bahn hat etwa sehr hohe Fixkosten. Jeder Fahrgast hilft da, die Deckungslü­cke kleiner zu halten. Zudem haben Stammkunde­n für die Bahn eine überragend­e Bedeutung. „Mit Stammkunde­n machen wir zwischen 40 und 45 Prozent unseres Gesamtumsa­tzes“, erläutert Huber im Pressegesp­räch. Diese treue Kundschaft muss sich darauf verlassen können, dass immer ein Grundangeb­ot der Bahn bestehen bleibt. Zudem funktionie­rt das Runterund anschließe­nde wieder Hochfahren des Verkehrs in einem so komplexen System nicht auf Knopfdruck. „Je tiefer man schneidet, desto länger dauert es auch wieder, zurückzuko­mmen“, sagt Huber. Schichtplä­ne und Umlaufplän­e anzupassen ist eine Herausford­erung.

Das anstehende Pfingstwoc­henende soll nun ein weiterer Prüfstein auf dem Weg zu neuer Normalität werden. Auf beliebten ICE-Verbindung­en

sind wieder doppelt so viele Sitzplätze verfügbar. Das funktionie­rt deswegen, weil die Züge künftig wieder mit zwei statt wie bisher nur mit einem Zugteil unterwegs sein werden. Auch die ICE-Sprinter zwischen München und Berlin sollen ab dem 2. Juni wieder rollen, zunächst mit einer Verbindung in beide Richtungen. Ebenfalls wieder aufgenomme­n werden sollen die Verbindung­en ins Ausland. Nach Österreich und in die Schweiz ist seit Montag beinahe das komplette Angebot wieder verfügbar, erste ICEs fahren auch wieder bis Paris.

Das heikle Thema Ansteckung­sgefahr will die Bahn durch die Aufstockun­g der Kapazitäte­n und mehr Reinigungs­kräfte in den Griff bekommen. Zudem sollen über die Webseite der Bahn und in der Navigator-App mehr Details zur erwarteten Auslastung der Züge angezeigt werden. Sobald ein Fernverkeh­rszug zu mehr als 50 Prozent ausgelaste­t ist, wird eine Warnung ausgegeben, bei Zügen mit noch höherer Auslastung kann der Ticketverk­auf ausgesetzt werden. Einer generellen Pflicht zur Reservieru­ng oder auch

Einzelbele­gung von Doppelsitz­en erteilt Huber eine Absage. Letzteres sei für Paare oder Familien unangebrac­ht. Eine Reservieru­ngspflicht könne leicht einen gegenteili­gen Effekt haben: Auch in den Zügen im Fernverkeh­r fahren viele Pendler. Die kann man nicht jeden Tag für eine Reservieru­ng zahlen lassen. Und eine kostenlose Reservieru­ng wird häufig nicht genutzt. Zudem nutzen auch Fernreisen­de immer wieder einen anderen Zug als den reserviert­en, um an ihr Ziel zu kommen. Im Ergebnis blieben viele Plätze unbesetzt, während die übrigen Fahrgäste auf weniger Züge verteilt werden müssten.

Langfristi­g sieht Vorstandsm­itglied Huber die positiven Trends für die Bahn ungebroche­n: Der Klimawande­l mache keine Pause. Und je digitalisi­erter eine Gesellscha­ft sei, desto mobiler sei sie: „Wer drei Tage von zu Hause aus arbeiten kann, ist eher bereit, weiter zu pendeln“, sagt Huber. Folglich stelle die Krise die Ausbauplän­e der Bahn nicht infrage: Allein bis Ende dieses Jahres sollen rund 13 000 zusätzlich­e Sitzplätze hinzukomme­n.

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Foto: dpa Zu Pfingsten dürfte es wieder voller werden in der Bahn.

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