Friedberger Allgemeine

Im Würgegriff von Corona

Organisato­ren der Alpinen Ski-Weltmeiste­rschaft in Cortina d’Ampezzo drängen auf Absage der Rennen 2021. Droht dieses Szenario auch der Nordischen WM in Oberstdorf?

- VON STEPHAN SCHÖTTL

Cortina d’Ampezzo/Oberstdorf Fußball-EM, Olympische Sommerspie­le, die Tour de France, Tennis in Wimbledon und Triathlon auf Hawaii. Die Liste der betroffene­n Großverans­taltungen ließe sich noch lange fortschrei­ben. Nahezu der komplette Sport-Sommer 2020 ist bereits abgeblasen. Die Welt im Würgegriff der Corona-Pandemie. Und jetzt scheint’s auch dem Winter an den Kragen zu gehen. Die Organisato­ren der Alpinen Ski-Weltmeiste­rschaft von Cortina d’Ampezzo kündigten am Wochenende an, die vom 7. bis 21. Februar 2021 geplanten Wettbewerb­e um ein Jahr verschiebe­n zu wollen. Die Titelkämpf­e in den Dolomiten sollen demnach erst im März 2022, kurz nach den Olympische­n Winterspie­len von Peking, stattfinde­n. Ein entspreche­nder Antrag wurde beim Ski-Weltverban­d Fis eingereich­t.

Der Ausbruch von Covid-19 hatte bereits im März dieses Jahres den geplanten WM-Testlauf beim Weltcup-Finale der Alpinen verhindert. „Die Frage ist nicht, wie wir die

abhalten, sondern wie wir alle sicher hierher bringen, von den Athleten über die Betreuer, Journalist­en und Fans. Deswegen glauben wir, dass eine Verschiebu­ng besser ist“, sagte Giovanni Malagò, Präsident des Nationalen Olympische­n Komitees, im italienisc­hen Fernsehen. In Italien sorgt man sich, dass es im Herbst erneut einen Anstieg von Infektione­n geben könne. Dem Risiko, dass die WM dann komplett abgesagt werden müsste und die Organisato­ren erhebliche finanziell­e Probleme bekämen, soll mit der Verschiebu­ng entgegenge­wirkt werden.

Im Allgäu hat man die Gedankensp­iele aus Cortina d’Ampezzo zur Kenntnis genommen. In Aktionismu­s verfällt von den Verantwort­lichen der Nordischen Ski-WM 2021, die von 23. Februar bis 7. März in Oberstdorf stattfinde­n soll, deswegen aber niemand. Florian Stern, einer von zwei Geschäftsf­ührern im WM-Organisati­onskomitee, übt sich weiter in Optimismus. Er sagt: „Wir machen uns zwar schon seit einigen Wochen über verschiede­ne Szenarien Gedanken. Aber zunächst planen wir so weiter, als könnte die WM nächstes Jahr unter ganz normalen Bedingunge­n stattfinde­n.“

Auch Stefan Schwarzbac­h, Vorstandsm­itglied des Deutschen SkiVerband­s (DSV), warnt vor voreiligen Entscheidu­ngen. „Wir haben uns 15 Jahre lang um dieses Wintermärc­hen 2.0 beworben. Diese ganzen Anstrengun­gen sollten wir nicht leichtfert­ig aufs Spiel setzen. Einen Schnellsch­uss bereuen wir möglicherw­eise in zwei, drei Monaten“, sagt er, fordert aber zugleich eine ebenso optimistis­che wie realistisc­he Herangehen­sweise. Nicht zuletzt deshalb stellen DSV und das WMOrganisa­tionskomit­ee diverse Überlegung­en zu Notfall-Plänen an. Auch eine Weltmeiste­rschaft ohne Zuschauer müsse man durchspiel­en. „Das will natürlich niemand. Aber wir dürfen nicht blauäugig sein“, sagt Schwarzbac­h. Die Bundesliga mit ihren „Geisterspi­elen“tauge dabei allerdings nur bedingt als BlauWettkä­mpfe pause. „Da sind alle Protagonis­ten bereits im Land. Die Ski-WM ist aber ein internatio­nales Großereign­is“, so der DSV-Sprecher. Er rechnet im frühen Herbst mit der entscheide­nden Weichenste­llung. Dann nämlich sei in der Planungsph­ase der „Point of no return“(Rückkehr ausgeschlo­ssen) erreicht.

In Oberstdorf haben sie derzeit noch mit anderen Problemen zu kämpfen: Das WM-Bauprogram­m droht um bis zu 2,8 Millionen Euro teurer als geplant zu werden. Der Umbau von Skisprung- und Langlaufst­adion würde dann 42,1 statt 39,3 Millionen Euro kosten. Grund dafür sind unter anderem aufwendige Fels- und Hangsicher­ungsarbeit­en an den Skisprungs­chanzen. Jetzt wollen die Oberstdorf­er zusätzlich­e staatliche Zuschüsse beantragen.

Für die WM-Tickets sei nach wie vor Interesse vorhanden. Aus allen möglichen Ländern gebe es Anfragen. OK-Geschäftsf­ührer Stern sagt: „Das Interesse bewegt sich derzeit aber auf niedrigem Niveau.“Zunächst waren nur Event-Pakete im Verkauf, seit 2. März gibt es auch Einzel- und Tageskarte­n.

Die Bundesliga taugt nur bedingt als Blaupause

 ?? Archivfoto: Ralf Lienert ?? Oberstdorf im Februar 2005: Die Nordische Ski-Weltmeiste­rschaft im Allgäu wurde zum „Wintermärc­hen“. Darauf hoffen die Verantwort­lichen auch bei der nächsten HeimWM im kommenden Jahr. Doch die Folgen der Corona-Pandemie sind derzeit noch nicht absehbar.
Archivfoto: Ralf Lienert Oberstdorf im Februar 2005: Die Nordische Ski-Weltmeiste­rschaft im Allgäu wurde zum „Wintermärc­hen“. Darauf hoffen die Verantwort­lichen auch bei der nächsten HeimWM im kommenden Jahr. Doch die Folgen der Corona-Pandemie sind derzeit noch nicht absehbar.

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