So arbeiten Förderschulen in der Corona-Zeit
Für viele ist die Schule mehr als eine Bildungsstätte. Ein Rektor berichtet von besonderen Herausforderungen und positiven Erfahrungen
In vielen Regelschulen werden heutzutage Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf unterrichtet. Darüber hinaus gibt es in Augsburg auch klassische Förderschulen, in denen die Sonderpädagogik der Regelfall ist. Eine davon ist die Martinschule in Oberhausen. Hier betreuen Rektor Peter Grau und sein Team 250 Mädchen und Jungen, die sich mit dem Lernen schwertun, sich schlecht konzentrieren können oder verhaltensauffällig sind – und deren Familien häufig mit Problemen wie Arbeitslosigkeit und Geldmangel kämpfen.
Die Folge: Für viele Kinder ist die Schule Lernort und Halt in einem. Zwei Fixpunkte, die Mitte März durch die Corona-Krise von einem Tag auf den anderen ins Wanken gerieten.
Auf der Webseite der Martinschule erklärt Rektor Grau seinen Schülern in einem plakativen Film, warum sie von einem Tag auf den anderen zu Hause bleiben mussten. Zwar sind mittlerweile von 20 Klassen wieder sieben ins Haus an der Pestalozzistraße zurückgekehrt. Doch jeder Besuch ist generalstabsmäßig geplant: Der Hof ist mit Trassierbändern abgesperrt, am Eingang stehen Pylonen im 1,5-Meter-Abstand. Hier warten die Kinder mit Schutzmasken, bis sie einzeln das Schulhaus betreten und in ihr Zimmer gehen dürfen. Obwohl die Klassen in der Förderschule sehr klein sind, mussten sie wegen der Abstands- und Hygieneregeln geteilt werden. Das bedeutet: Während die eine Hälfte Präsenzunterricht hat, lernt die andere zu Hause. In der darauffolgenden Woche ist es dann umgekehrt.
Trotz aller Erschwernisse freuen sich die Lehrkräfte, zumindest einen Teil ihrer Schüler wieder vor Ort zu haben. Denn gerade die bei ihren Kindern sehr wichtige emotionale und persönliche Ebene fehle beim Lernen daheim, weiß Konrektorin Christiane Wech. Probleme seien im sogenannten Homeschooling viel schwieriger zu erkennen und aufzufangen. Dabei weiß nicht nur sie, dass es in den Familien auch aufgrund beengter Wohnsituationen in Corona-Zeiten noch häufiger als sonst zu Konflikten kommt.
Positiv überrascht sind die Rektoren hingegen von der technischen Seite des Heimunterrichts. Der digitale Unterricht an der Martinschule – bis hin zu Videokonferenzen – klappe erstaunlich gut. Die Eltern seien sehr bemüht, auch was den Rücklauf der gestellten Aufgaben anbelangt. Knackpunkte sind nach den Beobachtungen der Lehrkräfte die mangelhafte Ausstattung mit Endgeräten sowie ein geringes Datenvolumen. „Wir haben deshalb im Kollegium Geld gesammelt und uns für eine Spendenaktion beworben und mit dem Geld ein paar Handys und Laptops für unsere Schüler angeschafft“, sagt Grau.
Er ist überzeugt davon, dass ein Teil der Lern- und Unterrichtspraktiken in den Nach-CoronaSchulalltag einfließen wird. Auch zeichne sich ab, dass ein Teil des vorgesehenen Lehrstoffs ins nächste Schuljahr verschoben werden muss. Zunächst wartet der erfahrene Pädagoge gespannt auf die nächsten Bestimmungen des Kultusministeriums. Etwa, wann die für viele seiner Schüler so wichtige Ganztagsbetreuung wieder anläuft – und welche Klassen als Nächstes in die Schule zurückkehren können.
Die Rückkehr in den Präsenzunterricht ist auch für Eltern einer anderen Förderschule ein großes Thema. An der Ulrichschule, die Standorte in der Innenstadt und in Göggingen hat, hadern Eltern von Erstklässlern mit der aktuellen Situation. Während die Erstklässler an Regelgrundschulen seit dem 18. Mai wieder vor Ort unterrichtet werden, sind ihre Kinder seit Mitte März ununterbrochen zu Hause. Die Eltern fühlten sich im Stich gelassen, sagt eine Mutter, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Gerade bei den Kleinsten, die erst so kurz in der Schule seien, bliebe trotz sehr engagierter Lehrer viel auf der Strecke. „Manche Eltern können so wenig Deutsch, dass sie ihren Kindern gar nicht helfen können“, sagt die Mutter. Über den Zeitpunkt der Rückführung ins Schulhaus entscheidet das Kultusministerium. Es hat festgelegt, dass zunächst die Jahrgangsstufen 1a (eine sogenannte Zwischenklasse) und 2 an der Reihe sind. Grund ist laut Ministeriumspressestelle die Vorbereitung auf einen möglichen Wechsel an die Regelgrundschule. Weil gleichzeitig an den Sonderpädagogischen Förderzentren erhebliche Beanspruchungen zu bewältigen seien, wie der hohe Einsatz in der Notfallbetreuung sowie eine große Zahl von Ausfällen bei Lehrkräften, habe man die Rückführung der Klasse 1 zunächst zurückgestellt.
Dem Kultusministerium sei bewusst, dass die betroffenen Erziehungsberechtigten dadurch belastet seien, sagt stellvertretender Pressesprecher Zoran Gojic. Da beim Neustart jedoch sehr viele Vorkehrungen zum Schutz von Schülern und Lehrkräften zu treffen seien, seien leider keine Ausnahmen möglich. Beschlossen sei indes, dass alle Förderschüler noch in diesem Schuljahr zumindest phasenweise in ihre Schulen zurückkehren dürfen.