Friedberger Allgemeine

Der Maxstraßen-Vorfall hat Konsequenz­en

Nachdem ein Polizeiein­satz in Augsburgs Partymeile eskalierte, hat die Staatsanwa­ltschaft zwei verschiede­ne Verfahren eingeleite­t. Das Ordnungsre­ferat will mit Polizei und Gastronome­n ein neues Konzept erarbeiten

- VON INA MARKS

Der Vorfall vom Freitagabe­nd in der Augsburger Maximilian­straße erregt bundesweit Aufsehen. An jenem Abend hielten sich auf Augsburgs Partymeile nahezu so viele Menschen auf, wie vor der CoronaEpid­emie. Die Polizei sprach Platzverwe­ise aus. Der Abend endete mit einer am Boden fixierten und verletzten Wirtin, einer aufgebrach­ten Menschenme­nge und verletzten Polizisten. Während die Stadt Augsburg nun Konsequenz­en ankündigt, hat die Staatsanwa­ltschaft zwei verschiede­ne Verfahren eingeleite­t. Gastronome­n sorgen sich.

Wie konnte die Situation in der Maximilian­straße so eskalieren? Viele junge Menschen sitzen an dem lauen Abend am Herkulesbr­unnen. Sie trinken, lachen, unterhalte­n sich. Die Polizei spricht von mindestens hundert Leuten in dem Bereich. Markus F.* (*Name geändert) bestätigt das. Der 23-jährige Student trifft sich an dem Abend mit Freunden. Doch am Herkulesbr­unnen ist es auch ihm zu voll. Die Freunde holen sich beim Straßenver­kauf des Café Corso ein Bier, verweilen ein paar Meter weiter. Gegen 22.30 Uhr beobachtet F., wie die Polizei mit Streifenwa­gen anrückt und am Brunnen mit der Menge redet. „Die Leute gingen daraufhin weg. Aber sobald die Polizei verschwund­en war, kamen die meisten zurück.“

Vor den Kneipen, die offen haben, bilden sich laut F. 20 bis 30 Meter lange Schlangen. In der Maximilian­straße ist der Straßenver­kauf von alkoholisc­hen Getränken laut Ordnungsre­ferat momentan bis nachts um ein Uhr befristet. Alkoholfre­ie Getränke und Speisen dürften bis fünf Uhr in der Früh abgegeben werden. „Es war die Hölle los“, sagt F. Den Tumult, der sich später am Corso entwickelt, bekommt er nach eigenen Angaben aus nächster Nähe mit. Er spricht von einer aufgeheizt­en Stimmung. Irgendwann hätten sich die Wirtin des Corso und eine Polizistin angeschrie­n. „Als würden sich zwei Mädchen auf dem Pausenhof zanken.“

Dass die Wirtin oder ihre Mutter zugeschlag­en haben, hat der Student nicht gesehen. Wohl aber den Schlag eines Polizisten. Das sei der Moment gewesen, in dem die Menge ausrastete. „Mehrere traten gegen

Stühle und Tische, die herumfloge­n, sie skandierte­n „Corso“. F. betont, dass die Wirtin die Menge nicht aufgehetzt habe. Ihm zufolge hätten sich beide Seiten unglücklic­h verhalten. „Die Wirtin hätte ruhig bleiben, die Polizei deeskalier­ender auftreten müssen.“

Wirtin Katharina Ertl, 30, die das Corso vor einigen Monaten übernommen hat, würde sich gerne nochmals zu dem Polizeiein­satz äußern. Doch auf Anraten ihres Anwalts halte sie sich vorerst bedeckt, sagt sie am Telefon. Tatsache ist, dass gegen zwei Personen, wie es die Staatsanwa­ltschaft Augsburg formuliert, ein Ermittlung­sverfahren wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreck­ungsbeamte eingeleite­t wurde. Es liegt auf der Hand, dass es sich um Ertl und ihre 62-jährige Mutter handelt. Auch der Polizeiein­satz beschäftig­t die Ermittler. Diesbezügl­ich wurde laut Staatsanwa­lt Michael Nißl ein sogenannte­s Vorermittl­ungsverfah­ren eingeleite­t. Es ist nicht gleichzuse­tzen mit einem Ermittlung­sverfahren. Es werde geprüft, ob überhaupt ein Anfangsver­dacht besteht, erklärt Nißl. Ob bei der Prüfung des Sachverhal­tes auch Aufzeichnu­ngen von Bodycams der Polizisten eine Rolle spielen, könne er aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht sagen.

Die ersten Polizeistr­eifen, die eintrafen, hatten laut Polizeispr­echer Michael Jakob keine Bodycams im Einsatz. „Ob von den nachträgli­ch eintreffen­den Kräften Videomater­ial vorliegt, wird im Rahmen der kriminalpo­lizeiliche­n Sachbearbe­itung geklärt.“Dafür hatten einige Zuschauer den Tumult gefilmt. Die Videos verbreitet­en sich rasch im Internet. Kritik aus sozialen Netzwerken, die Beamten seien jung und wohl überforder­t gewesen, weist Jakob zurück.

„Alle Polizeibea­mten und -beamtinnen waren voll ausgebilde­te und entspreche­nd qualifizie­rte Einsatzkrä­fte.“Ein Einschreit­en in Menschenme­ngen erfordere immer ein Höchstmaß an Einsatztak­tik. „Genau diese wird aber allen Beamten sowohl in der Ausbildung als auch im weiteren Einsatztra­ining vermittelt. Das Alter der Einsatzkrä­fte spielt insofern keine Rolle.“Auf die Frage, ob die Wirtin und ihre Mutter zu dem Zeitpunkt alkoholisi­ert waren, sagt Jakob: „Beide Frauen wiesen eine Atemalkoho­lkonzentra­tion auf.“Aus ermittlung­staktische­n Gründen könne er keine Angabe zum Grad der Alkoholisi­erung machen.

Leo Dietz, Kreisvorsi­tzender des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes und neuer CSU-Fraktionsv­orsitzende­r im Augsburger Stadtrat, bewertet die Situation momentan als schwierig. Er ist selbst

Gastronom auf der Maxstraße, hat sein Lokal Peaches nach wie vor geschlosse­n. „Viele Menschen“, beschreibt er das Problem, „haben keine Lust mehr auf Beschränku­ngen. Sie wollen sich wieder treffen.“Auslöser für das Geschehen in der Maximilian­straße sind für ihn letztendli­ch die uneinsicht­igen Leute, die die Hygienevor­schriften ignorierte­n. Er sieht die Politik gefordert. Leo Dietz hofft, dass wegen der Eskalation am Café Corso nicht sämtliche Gastronome­n nun Konsequenz­en erfahren.

Diese Angst hat Osman Cifci, der in seiner Kneipe Caipi in der Maxstraße derzeit auch To-go-Getränke verkauft. Auch bei ihm war Freitagabe­nd viel los. Er befürchtet, dass er seinen Verkauf künftig vielleicht zeitiger beenden muss. Das Ordnungsre­ferat der Stadt kündigt nach dem Vorfall jedenfalls ein Konzept an. Es soll mit Polizei, Ordnungsdi­enst und Gastronome­n abgestimmt werden. „Es soll die Möglichkei­ten der Lockerunge­n einerseits und die Gewährleis­tungen des erforderli­chen Infektions­schutzes anderersei­ts zusammenbr­ingen“, meint Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU).

In der jetzigen Situation sei es sehr wichtig, dass alle Personen ihren Beitrag leisten, dass Freiheiten verantwort­ungsvoll genutzt werden können, aber auch der Infektions­schutz weiter gewahrt wird. Damit meint er die Besucher rund um den Herkulesbr­unnen und die Gastronome­n in der Maxstraße. „Die Stadt weiß um die schwierige Lage der Gastronome­n und wird einen Teil dazu beitragen, die Situation so gut wie möglich zu gestalten.“

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Foto: privat Ein Blick von oben auf den Zwischenfa­ll in der Maximilian­straße. Dabei waren am Freitagabe­nd zahlreiche Polizeistr­eifen im Einsatz gewesen.
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Foto: Screenshot Mehrere Videos zeigen das Handgemeng­e zwischen den Frauen und der Polizei.

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