Friedberger Allgemeine

Haushaltss­perre in Friedberg

Nach der Steuerschä­tzung geht der Kämmerer von 6,5 Millionen Euro Mindereinn­ahmen aus. Ausgaben von insgesamt neun Millionen Euro sind schon gestrichen. Warum der Stadtrat glaubt, dass das nicht schmerzt

- VON UTE KROGULL

Nach der Steuerschä­tzung geht der Kämmerer von 6,5 Millionen Euro Mindereinn­ahmen aus. Ausgaben von neun Millionen Euro sind schon gestrichen.

Friedberg Finanzrefe­rent Wolfgang Schuß brachte die finanziell­e Situation der Stadt Friedberg so auf den Punkt: „Wir müssen uns politisch bewusst machen, dass das kein normales Jahr ist.“Nach den Steuerschä­tzungen von Mitte Mai scheint der Einnahmenr­ückgang der Kommune nicht ganz so stark wie zu Beginn der Corona-Krise befürchtet. War die Verwaltung zuerst von bis zu zehn Millionen Euro ausgegange­n, liegt die Prognose nun bei 6,5 Millionen. Kein Grund zur Entwarnung, befanden Vertreter von Verwaltung und allen politische­n Gruppierun­gen einmütig.

Schuß kann Bürger beruhigen: Steuererhö­hungen sieht er zum jetzigen Zeitpunkt nicht als notwendig an, auch um eine Kreditaufn­ahme komme man wohl herum. Dafür hat die Stadtverwa­ltung schon vor Wochen eine Streichlis­te erarbeitet, die neun Millionen Euro umfasst. Diese Summe macht fast ein Zehntel des Haushaltsv­olumens aus – trotzdem sahen sie in der Sitzung alle Fraktionen als sinnvoll und nicht schmerzhaf­t an. Nur zu vereinzelt­en Punkten gab es kritische Nachfragen, die sich jedoch alle erledigten.

Der „Trick“: Die hohe Summe summiert sich aus vielen Posten aller Abteilunge­n der Stadtverwa­ltung, und zwar in erster Linie solchen, die man dieses Jahr ohnehin nicht hätte angehen können. Seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnte­n ist in Friedberg Thema, dass der Stadtrat zwar vieles auf die Agenda setzt, die Verwaltung aber gar nicht die Kapazitäte­n hat, alle Projekte abzuarbeit­en. Hinzu kommen nun Posten, die wegen Corona nicht umsetzbar sind. So wäre der nächste Schritt für die Machbarkei­tsstudie der Linie 6 ohnehin auf 2021 geschoben worden – und schon sind 70000 Euro gespart. Die Friedberge­r Feuerwehr muss ihren über 30 Jahre alten Gabelstapl­er noch ein Jahr länger besonders liebevoll warten – das spart 80000 Euro. Die neue Citymanage­rin Bianca Roß fängt erst am 1. Juli an, da kann sie auch gleich 30000 Euro weniger Geld ausgeben. Kosten für Schülerbef­örderung und Mittagesse­n in gebundenen Ganztagskl­assen sinken wegen der Schulschli­eßungen, Seminare für Feuerwehrl­eute fallen wegen Corona aus, der städtische Sommerempf­ang ebenfalls. Die Stadt spart jedoch auch am Straßenunt­erhalt und verschiebt die Umgestaltu­ng des Vorplatzes der Jakobskirc­he – mit einer Ausnahme: Die Treppe Richtung frühere Sparkasse wird repariert. Auf der Kippe stehen – je nach Entwicklun­g der Pandemie – noch ein Betreuungs­angebot für Kinder in den Sommerferi­en sowie der (modifizier­te) Halbmarath­on im September mit je 30000 Euro.

Auf der anderen Seite gibt es auch eine „Positivlis­te“, die 14 Punkte, darunter zum Beispiel WC und Fahrradstä­nder am Bahnhof, eine Elektrolad­esäule am Gerberweg, Brandschut­zprüfungen und Elektrosan­ierungsarb­eiten an den stadteigen­en Wohnblocks umfasst.

Einige dieser Punkte wurden im Stadtrat angesproch­en, andere nannte Bürgermeis­ter Roland Eichmann (SPD) beispielha­ft auf Nachfrage unserer Redaktion, denn grundsätzl­ich sind die Listen nicht öffentlich. Widerspric­ht das den Interessen der Bürger, sprich Steuerzahl­er? Eichmann erklärt den Grund: Viele Punkte seien Kostenschä­tzungen für Aufträge, die erst noch ausgeschri­eben werden. Da wolle man nicht den Bewerbern die Einschätzu­ng der Stadtverwa­ltung offenlegen. „Wir haben nur das gut Verzichtba­re gestrichen oder gekürzt“, versichert er. Von „Optimismus mit einer gehörigen Portion Vorsicht“sprach Claudia Eser-Schuberth (Grüne).

Eine kurze Diskussion gab es im

Stadtrat aber um einen anderen Punkt der haushaltsw­irtschaftl­ichen Sperre: Die Verwaltung muss sich alle Posten über 30000 Euro vom Stadtrat genehmigen lassen. Kämmerer und Bürgermeis­ter hatten sich für ein Limit von 45000 Euro stark gemacht, weil dies die Verwaltung handlungsf­ähiger halte und Stadtratss­itzungen entfrachte. Grüne und CSU hatten jedoch weniger gefordert, um mehr Transparen­z zu erreichen. Dem schloss ich der Stadtrat schließlic­h an.

Wie es die kommenden Jahre weitergeht, darüber gehen die Ansichten auseinande­r – nicht im Stadtrat, sondern zwischen Kommune und Staat. Der Berliner Arbeitskre­is Steuerschä­tzung sieht die Kommunen nach einer Delle in diesem Jahr 2021 bereits wieder auf dem Niveau von 2019 und danach einen kontinuier­lichen Anstieg. Eine Einschätzu­ng, die Finanzrefe­rent und Bürgermeis­ter nicht teilen können.

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