Friedberger Allgemeine

Manche Prozesse wird er nie vergessen

Elf Jahre lang stand Herbert Veh an der Spitze des Landgerich­ts. Nun ist der einstige Präsident im Ruhestand. Welche Prozesse ihm besonders in Erinnerung bleiben – und wie der Beruf sein Leben geprägt hat

- VON INA MARKS

Herbert Veh hat einen Monat voller kleiner, individuel­ler Abschiede hinter sich. Anders ging es in der Zeit von Corona, in der große Feiern verboten sind, nicht. Nach elf Jahren als Präsident des Augsburger Landgerich­ts ist der 65-Jährige nun in den Ruhestand gegangen. Er erzählt, welche Fälle ihn bewegten und wie wichtig der Humor für sein Berufslebe­n war.

Eigentlich hätte er schon gerne eine richtige Abschiedsf­eier gehabt, gibt Herbert Veh offen zu. „Aber weniger wegen einer großen Feier, sondern wegen des Gemeinscha­ftsgefühls.“Veh lacht. „Dafür aber war der ganze Mai ein einziger Abschied.“Überhaupt ist der nun ehemalige Landgerich­tspräsiden­t ein Mensch, der gerne lacht. Der Humor, sagt er, sei ihm in seinem Job ein hilfreiche­r Begleiter gewesen. So habe sich manches leichter ertragen lassen, stellt Veh im Rückblick fest und fügt hinzu: „Man darf nur nicht den Fehler begehen, mit zu oberflächl­ichem Humor Tragik zu bagatellis­ieren. Humor sollte nicht dazu führen, dass man Dinge nicht ernst nimmt.“Mit Tragik wurde er im Berufslebe­n genügend konfrontie­rt. Er erinnert sich an das Verfahren wegen der am Ammersee entführten

in einer Holzkiste erstickten Ursula Herrmann. Oder an den Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth. Auch dieser Prozess habe bei ihm nachhaltig Eindruck hinterlass­en. „Das war ein schwierige­s Verfahren – auch wegen der Frage der Verhandlun­gsfähigkei­t eines der beiden Angeklagte­n“, erinnert sich der gebürtige Donauwörth­er. Nie werde er vergessen, wie der Prozess um den Polizisten­mord aufgrund des Gesundheit­szustandes eines der angeklagte­n Brüder auf der Kippe stand. „Da ging es daob jemand ungeschore­n davonkommt, weil er vielleicht nicht verhandlun­gsfähig ist.“Die Ruhe, die das Gericht in diesem aufsehener­regenden Verfahren ausgestrah­lt habe, habe ihn damals sehr beeindruck­t.

Veh hat in seinem Werdegang viel erlebt. Auch, weil er einige Stationen durchlief, bis er 2009 an die Spitze des Augsburger Landgerich­ts kam. Er war als akademisch­er Rat an der Universitä­t Augsburg tätig, arbeitete im Justizmini­sterium, unter anderem bei der Staatsanwa­ltund schaft Augsburg und war wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r beim Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe. Über die Jahre sammelte der Jurist nicht nur berufliche Erfahrunge­n, sondern auch Menschenke­nntnis. Das kam ihm in seiner Funktion als Landgerich­tspräsiden­t, in der er auch Personalve­rantwortun­g hatte, zugute. Denn eines hatte Veh gelernt, sagt er: „Das Wichtigste ist es, die verschiede­nen Stellen mit den richtigen Leuten nach ihren individuel­len Begabungen zu besetzen.“Besonders gefreut habe ihn zuletzt die Neubesetzu­ng an der Spitze des Gerichts. Zum Leiter der Strafabtei­lung wurde Richter Wolfgang Natale ernannt. Die Zivilabtei­lung leitet jetzt Daniela Lichti-Rödl, die vom Amtsgerich­t Aichach nach Augsburg geholt wurde.

Veh ist ein klein wenig stolz, dass sich in seiner Zeit die Frauenquot­e in der mittleren und oberen Führungseb­ene von ursprüngli­ch neun auf inzwischen 38 Prozent erhöhte habe. „Das ist beachtlich“, konstatier­t er und unterstrei­cht, dass es aber keine Quote gebe. „Es liegt daran, dass die Kolleginne­n so tüchtig sind, wie etwa Frau Lichti-Rödl es ist.“In Vehs Zeit hat sich nicht nur die Personalst­ärke von 211 auf 242 Stellen erhöht. Statt ursprüngli­ch zwei verfügt das Landgerich­t inzwirum, schen über fünf Wirtschaft­sstrafkamm­ern. Dass Augsburg auch große Fische an die Angel bekommen habe, wie er aufsehener­regende Verfahren bezeichnet, mache ihn etwas stolz. Er nennt das aktuell laufende Goldfinger-Verfahren um Steuerhint­erziehung oder den einstigen Prozess gegen Ex-Waffenlobb­yist Karlheinz Schreiber. Stolz sei er aber vor allem auf „seine“Leute.

Auf den Ruhestand sei er vorbereite­t, meint Veh. Einen kleinen Plan hat er sich dafür zurechtgel­egt. „Zunächst liegen so prickelnde Aufgaben wie die Steuererkl­ärung an, danach geht es ans Vergnügen.“Das bereitet dem Neu-Rentner nicht nur das Golfen, sondern auch das Tanzen. Der verheirate­te Vater zweier erwachsene­r Töchter liebt Standardun­d lateinamer­ikanische Tänze. „Ich hoffe schwer, dass bald wieder öffentlich getanzt werden kann.“Denn bei den ganz großen Figuren würden seine Frau und er daheim im Wohnzimmer an räumliche Grenzen stoßen. „Und unser Garten ist auch nicht gerade das richtige Parkett.“Herbert Veh ist nicht nur ein humorvolle­r Mensch, sondern auch ein bewusster. Ein gelungener Tag sei für ihn ein Tag, an dem man ein gutes Gespräch geführt und gelacht habe. „Das ist meine Grundphilo­sophie.“

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Foto: Ulrich Wagner Der Humor habe ihm dabei geholfen, manches leichter zu ertragen, sagt Herbert Veh. Er ist als Landgerich­tspräsiden­t jetzt in den Ruhestand gegangen.

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