„Derzeit bin ich ein kleiner Psychologe“
Michael Koppold arbeitet seit vielen Jahren als Spielerberater. Der Langenmosener spricht im Interview über die Verunsicherung bei seinen Schützlingen, schwierigen Verhandlungen, möglichen Folgen der Corona-Krise für den Sport, Manuel Neuer und die Kritik
Langenmosen Über 50 Telefonate führte er täglich, schätzt Michael Koppold. Persönliche Treffen fallen für den Spielerberater in Zeiten der Corona-Krise aus. Er führte die Gespräche meist von seiner Terrasse in Langenmosen. Seit 1982 ist er im Geschäft, war für diverse Spielerberater tätig und machte sich 2004 selbstständig. Derzeit betreut er knapp 20 Spieler und Trainer. Darunter den ehemaligen TSV1860-München-Trainer Daniel Bierofka. Vor allem aber junge Spieler, die in den Profibereich wollen. Im Interview erzählt er, wie es in der Corona-Krise aussieht.
Herr Koppold, wie hat sich Ihr Alltag als Spielerberater verändert? Michael Koppold: Gewaltig, da ich nicht viel machen kann. Die Einnahmen sind zurückgegangen, da keine Transfers stattfinden. Daher lebe ich von den Ersparnissen. Ich kann mich nicht persönlich mit meinen Spielern treffen, sondern lediglich telefonieren. Derzeit bin ich ein kleiner Psychologe und muss die Spieler bei Laune halten. Manche bleiben zwar ruhig, andere rufen aber oft an und fragen, wie es weitergeht. Das sind in erster Linie junge Spieler, bei denen neben dem Fußball auch eine Lehrstelle eine Rolle spielt. Sie wissen nicht, wo sie diese antreten sollen, weil sie nicht wissen, wo sie künftig spielen. Es ist ein Riesenproblem, dass keiner wirklich weiß, wie es weitergeht.
Demnach herrscht in der Branche eine große Verunsicherung ...
Koppold: Bei allen Parteien. Sowohl bei den Vereinen, als auch bei den Spielern und Beratern.
Wie gehen Sie damit um, wenn ein Spieler nach dem 30. Juni vertragslos ist?
Koppold: Viel lässt sich derzeit leider nicht machen, man sitzt zwischen den Stühlen. Die Konditionen lassen sich in Gesprächen lediglich ausloten. Es kann keiner sagen, ob die Zahlen, die vor Corona aufgerufen wurden, dann noch aktuell sind.
Sind die Verhandlungen schwieriger geworden?
Koppold: Ja, auf jeden Fall. Ich persönlich würde nie einen Verein auspressen, das habe ich noch nie gemacht. In dieser Situation muss man den Klubs entgegenkommen. Es besteht die Möglichkeit, ein paar Klauseln in die Verträge einzubauen. Diese können die Entwicklung der Krise oder die Ligazugehörigkeit des Vereins beinhalten. Wir leben ja voneinander, es ist ein Geben und Nehmen. Die Vereine vergessen die Verhandlungen nicht und erinnern sich später, wer unverschämt und wer anständig war. Wir müssen alle schauen, dass wir gut durch die Krise kommen.
Wie wirkt es dann in diesen Zeiten, wenn Manuel Neuer beim FC Bayern München 20 Millionen Euro Jahresgehalt fordert, was öffentlich wurde? Koppold: Dass während der CoronaKrise ein Spieler mit 34 Jahren 20 Millionen Euro im Jahr fordert, kann ich nicht nachvollziehen. In einer Zeit, in der die Wirtschaft am Boden liegt und es vielen, angefangen bei den Gastronomen und dem Handel, schlecht geht. Daran sieht man, dass es vielen Fußballern nur ums Geld geht und sie andere Dinge gar nicht interessieren. 20 Millionen Euro! Und Prämien kommen auch noch dazu.
Glauben Sie, dass die Gehälter sinken werden?
Koppold: Ich glaube, dass es Einbußen geben wird. Zumindest die Ablösesummen werden sinken. Die meisten Zweitligisten werden vermutlich gar keine Ablösen zahlen. Bundesligisten, die nicht international spielen, werden allenfalls kleine Sachen machen können. Ein wichtiges Thema, das ich nicht verstehen kann, ist ein ganz anderes.
Erzählen Sie…
Koppold: Viele Vereine leben scheinbar von der Hand in den Mund. Wie kann es sein, dass die ersten Profivereine nach vier Wochen CoronaKrise von einem Konkurs bedroht sind? Da frage ich mich wirklich, wie dort geplant wird. Es sollte kein Geld ausgegeben werden, das ich nicht habe und nur erwarte.
Sie beraten viele junge Spieler, die am Anfang der Karriere stehen und auf ihr Geld schauen müssen. Dort dürfte es andere Probleme geben. Wie gehen sie mit dem Thema Gehaltsverzicht um? Koppold: Meine Spieler haben mitgezogen, es gibt kein Murren. Auch ein Spieler, der 250 Euro im Monat bekommt, hat auf einiges oder sogar alles verzichtet. Das ist natürlich noch einmal etwas anderes, als wenn ein Spieler zwischen zehn und 20 Millionen im Jahr bekommt und dann auf zehn Prozent verzichtet.
Könnte die aktuelle Krise für die jungen Spieler auch eine Chance sein? Koppold: Das ist eine gute Frage. Ich hoffe es. In den Nachwuchsleistungszentren in Deutschland spielen mehrere Tausend Kinder. Davon schaffen es nur zwei Prozent in die Bundesliga. Das muss man sich mal vorstellen! Daher hoffe ich auf ein
Umdenken. Darauf, dass junge Spieler eine Chance bekommen oder zumindest auf der Bank sitzen, damit sie das Klima im Profibereich kennenlernen. Oder dass die Vereine ihnen Spielpraxis verschaffen.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Spieler aus, die Sie betreuen? Koppold: Ich sichte Spieler, die es nach dem Istzustand zumindest in die 2. Bundesliga schaffen könnten. Ich habe, glaube ich, ein gutes Auge. Von meinen Spielern schaffen es 95 Prozent. Natürlich spielen später weitere Faktoren eine Rolle. Ehrgeiz, Wille und Charakter sind entscheidend. Erst kommt die Schule, dann der Fußball, dann nicht mehr viel, weil man keine Zeit hat. Mir ist auch wichtig, was neben der Karriere passiert. Bei vielen herrscht danach Chaos.
Wie stehen Sie zur derzeitigen Kritik an der Spielerberater-Szene? Koppold: Dass es in der Branche zum Teil sehr dubios zugeht, ist hinlänglich bekannt. Die Szene ist ein Haifischbecken. Viele Berater arbeiten seriös. Andere verstehen wenig vom Fußball und wollen lediglich schnelles Geld machen. Einige Spielerberater arbeiten an der Schmerzgrenze und nehmen auf die Vereine keine Rücksicht. Aber: Große Spieler kosten Geld. Der Markt macht den Preis. Wenn ein Spieler 20 Millionen bekommt, kassiert der Berater zehn Prozent. Schließlich war er daran beteiligt, den Spieler nach oben zu bringen. Man darf bei aller Kritik am Fußballgeschäft nicht vergessen, dass auch in anderen Bereichen Berater viel Geld einstreichen. Sei es im Sport, etwa in der Formel 1, der Wirtschaft oder in der Politik. Darüber wird aber nicht gesprochen.