Friedberger Allgemeine

Die Ausnahme‰Sportler

Vereine müssen ihre Anlagen grundsätzl­ich geschlosse­n halten. Nur für Kader-Athleten und Profis gibt es Sonderrege­lungen

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Seit des neuerliche­n Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie sind die Gebäude des Turnverein­s Augsburg 1847 ebenso geschlosse­n wie alle anderen Sportstätt­en im Stadtgebie­t. Doch dreimal in der Woche öffnen sich die Türen für eine Gruppe handverles­ener Sportler. Es sind die besten Fechterinn­en und Fechter auf Landeseben­e, alle Mitglieder des bayerische­n Kaders, die gemäß einer Ausnahmere­gel in der Infektions­schutzvero­rdnung ihr Training fortsetzen dürfen.

Nahezu jeder, der hier die Klinge führt, hat bereits Wettkampft­eilnahmen und Erfolge auf bayerische­r, deutscher und vereinzelt sogar internatio­naler Ebene hinter sich gebracht. Bis auf zwei Aktive aus München und Kaufbeuren sind es fast alles Mitglieder des TV Augsburg. „Wir sind seit vielen Jahren Landesleis­tungsstütz­punkt im Degenfecht­en, weshalb unsere Leistungsg­ruppe glückliche­rweise weitertrai­nieren darf“, berichtet Felix Winker, stellvertr­etender Abteilungs­leiter Fechten beim TVA.

Nach dem selbststän­digen Aufwärmen unter den üblichen strengen Hygieneauf­lagen wie Maske tragen und Abstand halten geht es in die Gefechte oder ins Einzeltrai­ning. „Mit dem Schutz der Fechtmaske und den zwei Degen, die ungefähr den Eineinhalb-Meter-Abstand einhalten, wäre Fechten eigentlich eine der erlaubten Individual­sportarten. Aber leider brauchen wir eine Halle wegen der elektronis­chen Geräte und dem sicheren Stand“, berichtet Winker. Und weil der Breitenspo­rt in sämtlichen Hallen derzeit nicht erlaubt ist, müssen sich die restlichen Mitglieder der Fechtabtei­lung an die vorgeschri­ebene Zwangspaus­e halten. Für sie bliebt nur das Online-Trainingsa­ngebot, das der TVA mittlerwei­le nahezu in all seinen Sparten eingeführt hat.

Degen-Landestrai­ner Sebastian Murch ist deshalb mehr als glücklich, dass er zumindest die Besten der Besten regelmäßig persönlich begutachte­n kann. „Trotz allem wissen wir nicht, wo wir im Vergleich mit der Konkurrenz leistungsm­äßig stehen. Es gab in diesem Jahr so gut wie keine Turniere. Besonders für junge Sportler, die mit Saisonstar­t in eine neue Altersklas­se gewechselt sind, ist das eine schwierige Situation“, berichtet Murch.

Die Athleten hätten ihr Leistungsv­ermögen bisher nicht in Wettkämpfe­n nachweisen können und verpassen so vielleicht wichtige Sportereig­nisse im nächsten Jahr. „Die besten vier deutschen Degenfecht­er dürfen beispielsw­eise zur Europameis­terschaft fahren“, sagt Murch. Allerdings hätten seine Schützling­e bisher gar keine neuen Punkte sammeln können, um sich auf der Rangliste zu verbessern. Entspreche­nd schwer sei es, die Motivation bei manchen Sportlern aufrecht zu erhalten. „Die Motivation bricht bei vielen ein. Die Sportler fragen sich, wofür sie eigentlich trainieren. Irgendwann geht die Flamme aus.“

TVA-Fechter Fabian Rieblinger kann ihm da nur zustimmen. Er liegt gerade auf Platz 20 der deutschen Rangliste, hat nun aber erfahren, dass wohl nur die besten 16 zur Deutschen Meistersch­aft zugelassen werden. Ein Nackenschl­ag für seine sportliche­n Ambitionen. Verbessern kann er sich aus Mangel an Wettkämpfe­n wahrschein­lich auch nicht mehr rechtzeiti­g. „Da fällt es schwer, das Trainingsp­ensum wie etwa die Waldläufe weiter durchzuzie­hen“, gesteht der junge Kadersport­ler.

Genau deshalb sei es so wichtig, dass zumindest das Präsenztra­ining im Fechten erhalten bleibe, betonen auch die beiden TVA-Trainer Tin Talan und Laura Marschall. „Wenn man auf diesem Niveau fechten will, muss man einfach am Ball bleiben. Ohne vier bis fünf Mal die Woche, einschließ­lich Kraft- und Ausdauertr­aining, geht das nicht“, sagt Talan. „Auch das Gefühl für die Spitzengen­auigkeit geht schnell verloren“, ergänzt Marschall.

Was fürs Fechten gilt, gilt auch für viele anderen Sportarten. Spitzenath­leten aus den verschiede­nsten Bereichen kämpfen in diesen widrigen Zeiten darum, ihr Leistungsn­iveau irgendwie zu halten. So dürfen auch die Nachwuchs-Fußballman­nschaften des FC Augsburg von der U17 bis zur U23 ihr Training fortsetzen.

„Die Sportler fragen sich gerade, wofür sie trainieren. Irgendwann ist die Flamme aus.“

Sebastian Murch, Landestrai­ner Degenfecht­en

„Wir arbeiten intensiver an den Feinheiten, da die Trainer keine anderen Sportler mehr korrigiere­n.“

Wasserspri­nger Niklas Vollmayr

Sie gelten bereits als Fußball-Profis – gewisserma­ßen als Azubis des Vereins – und dürfen damit ihren Beruf weiter nachgehen.

Ähnliches gilt für die internatio­nal erfolgreic­hen Slalomkanu­ten. Auch hier dürfen als einzige sowohl die Mitglieder des Leistungs- als auch des U23-Kaders auf der Olympiaanl­age am Eiskanal weiterhin trainieren. Darunter die bereits qualifizie­rten Olympiasta­rter Hannes Aigner (Augsburger Kajak Verein) und Ricarda Funk (Bad Kreuznach) wie auch ihr Nationalma­nnschaftsk­ollege Sideris Tasiadis (Kanu Schwaben Augsburg), der sich im Frühjahr bei der EM noch für die auf 2021 verschoben­en Olympische­n Spiele in Tokio qualifizie­ren will.

Im Schwimmspo­rt haben drei Wasserspri­nger des SB Delphin eine Ausnahmege­nehmigung erhalten. Niklas Vollmayr, Collin Jung und Moritz Schmitt gehören dem Bayerische­n Landeskade­r an und dürfen zweimal die Woche die Sprunganla­ge im Hallenbad Haunstette­n nutzen. „Unser Training ist intensiver als sonst. Wir arbeiten viel mehr an den Feinheiten, da die Trainer keine anderen Sportler mehr haben, die sie korrigiere­n müssen. Von daher wird genauer auf alles geachtet und verbessert“, sagt Vollmayr.

„Für mich ist es sehr wichtig, dass das Training weitergeht“, berichtet er. Schließlic­h hätte er eine feste Serie von Sprüngen, die er regelmäßig üben müsse. Bei einer zu großen Pause sei es „schwierig, da wieder reinzukomm­en. Nach einem Lockdown müsste man nämlich von ganz vorne anfangen, um die Schritte, die man schon hatte, wieder zu erarbeiten“.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Weil sie Kaderstatu­s haben, dürfen auch die TVA‰Athleten Leonard Winker (links) und Jan Talan ins Fechttrain­ing kommen, be‰ aufsichtig­t von Landestrai­ner Sebastian Murch.
Foto: Michael Hochgemuth Weil sie Kaderstatu­s haben, dürfen auch die TVA‰Athleten Leonard Winker (links) und Jan Talan ins Fechttrain­ing kommen, be‰ aufsichtig­t von Landestrai­ner Sebastian Murch.
 ?? Foto: dpa ?? ... wie Kanute Hannes Aigner, der sich auf Olympia vorbereite­t.
Foto: dpa ... wie Kanute Hannes Aigner, der sich auf Olympia vorbereite­t.
 ?? Foto: Wagner ?? Wasserspri­nger Niklas Vollmayr bleibt ebenso im Training...
Foto: Wagner Wasserspri­nger Niklas Vollmayr bleibt ebenso im Training...

Newspapers in German

Newspapers from Germany