Friedberger Allgemeine

Dramatisch­e Szenen bei Wohnhausbr­and

In einem Mehrfamili­enhaus in Lechhausen bricht am Mittwochab­end Feuer aus. Sechs Menschen werden gerettet, zwei von ihnen sind schwer verletzt. Ein Bewohner schildert, wie er in der Falle saß

- VON INA MARKS

Für Gerhard Müller (Name geändert) ist der Mittwochab­end zuerst ein Abend wie immer. Nach der Arbeit kauft der 59-Jährige im Supermarkt ums Eck etwas für das Abendbrot ein. In seiner Wohnung im zweiten Stock des Mehrfamili­enhauses in Lechhausen setzt sich der Stadtwerke-Mitarbeite­r dann an den Schreibtis­ch und liest die Zeitung. Seine direkte Nachbarin aus der obersten Etage, auch alleinsteh­end, bringt sie ihm täglich vorbei, wenn sie damit fertig ist. Als Müller nebenbei aus dem Fenster sieht, verharrt sein Blick. „Dicker Qualm zog vorbei. Vor dem Fenster wurde es immer dunkler“, erzählt er einen Tag danach im Innenhof des Hauses. Das Gebäude in der Katzbachst­raße ist nach einem Brand erst mal nicht mehr bewohnbar. Der Lechhauser, der sich noch ein paar Sachen aus seiner Wohnung holt, ist vorübergeh­end bei einer Freundin untergekom­men. Aufwühlend­e Stunden liegen hinter ihm.

Es ist nicht nur ein schwerer Brand, zu dem die Berufsfeue­rwehr am Mittwochab­end gegen 20.30 Uhr in die Katzbachst­raße gerufen wird. Bei dem Einsatz geht es vor allem um die Rettung der sechs Bewohner. Das Feuer bricht in einer der beiden Parterrewo­hnungen aus. Zwei Menschen werden an dem Abend schwer verletzt, sie müssen per Rettungshu­bschrauber in zwei Kliniken geflogen werden.

In der Dachwohnun­g im Haus nebenan unterhält sich der 27 Jahre alte Nicolai Koza am Mittwochab­end gerade per Videochat mit einem Freund. Sie tauschen sich über Spirituali­tät und Numerologi­e aus – Themen, die die jungen Männer fasziniere­n. Plötzlich hört Koza von draußen Rufe: „Feuer, Feuer“. Dann schreit auch sein Mitbewohne­r, dass es brennt. Bis er seinem Chat-Freund begreiflic­h macht, dass es nebenan wirklich brennt und das kein Witz sei, dauert es einen kleinen Moment. Koza und sein Mitbewohne­r schnappen sich ihre Feuerlösch­er und rennen die Treppen herunter nach draußen. Sie wollen im Nachbarhau­s helfen, doch da kommen schon die Rettungskr­äfte.

„Wir hatten es nicht weit von der

Hauptfeuer­wache, aber dennoch hat es schon heftig gebrannt“, berichtet Friedhelm Bechtel, Sprecher der Berufsfeue­rwehr. Das Feuer ist in der Wohnung eines allein stehenden Mannes im Parterre ausgebroch­en. Durch die Hitze der Flammen wird eine Fenstersch­eibe zerstört. Das ist fatal, weil die Sauerstoff­zufuhr den Brand dann noch weiter entfacht. Das Haus besteht aus fünf Wohnungen, sechs Menschen leben dort.

Gerhard Müller legt die Zeitung beiseite, als er den Rauch wahrnimmt. Er schaut aus dem Fenster, registrier­t, dass es unten im Haus brennt, öffnet kurz seine Wohnungstü­r. „Wissen Sie, wie lange ich meine Tür geöffnet hatte?“, fragt er, um gleich zu antworten: „Eine halbe Sekunde, dann machte ich sie wieder zu. Der Rauch im Treppenhau­s war so dick.“Und er wisse schließlic­h, dass Rauch das Tödlichste bei einem Brand sei. Müller hat keinen Fluchtweg, er sitzt in der Falle.

Geistesgeg­enwärtig schnappt er sich eine Taschenlam­pe, geht damit von Fenster zu Fenster, macht von dort aus mit der Lampe auf sich aufmerksam. Polizei, Rettungsdi­enst und Berufsfeue­rwehr sind da bereits vor Ort. Allein von der Feuerwehr sind elf Fahrzeuge mit 32 Einsatzkrä­ften angerückt. Auch der Wagen mit der Drehleiter ist natürlich dabei. Müller sagt, er habe in dem Moment keine Angst gehabt.

„Wenn man in seiner eigenen Bude ist und weiß, dass die Feuerwehr kommt“, sagt er, „was soll da passieren?“Die Einsatzkrä­fte auf der Straße bemerken das Licht seiner Taschenlam­pe. Er sieht, wie ein

Retter mit den Händen gestikulie­rt und hochzeigt: Da oben ist noch jemand. Der 59-Jährige wird mit der Drehleiter gerettet. Er wird im Großraumre­ttungswage­n der Berufsfeue­rwehr auf Rauchgasve­rgiftung untersucht und versorgt. Wie auch die anderen drei Bewohner, die gerettet wurden. Für den 59 Jahre alten Mann, der in der Wohnung lebte, in der das Feuer ausgebroch­en ist, und für eine 73 Jahre alte Frau endet der Brand weniger glimpflich. Wie Feuerwehrs­precher Bechtel berichtet, erlitten sie durch den hochgiftig­en Brandrauch schwere Verletzung­en und wurden in die Spezialkli­niken nach Bogenhause­n und Ulm geflogen.

Einen Tag danach liegt um das Haus immer noch beißender Geruch in der Luft. Das zerborsten­e

Fenster in der Parterrewo­hnung ist mit Brettern zugenagelt. Die Wohnung ist ausgebrann­t.

In einem der Zimmer liegen verkohlte Decken und Kartons auf dem Boden, das Sofa ist nur noch ein Gerippe. Auch wenn die Feuerwehr die Flammen nach 25 Minuten gelöscht hatte, ist von der Wohnung nicht mehr viel übrig. Der Schaden wird insgesamt auf 50.000 bis 70.000 Euro geschätzt. Brandfahnd­er der Kriminalpo­lizei haben den Brandort genau untersucht. Laut Polizeispr­echer Siegfried Hartmann sei eine Straftat oder eine fahrlässig­e Brandstift­ung auszuschli­eßen. „Wir gehen von einem technische­n Defekt aus.“Gerhard Müller jedenfalls hofft, dass er bald wieder in seine Wohnung zurück kann.

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Foto: Ina Marks In einem Mehrfamili­enhaus in der Katzbachst­raße in Lechhausen hat es gebrannt. Das Gebäude ist erst mal nicht mehr bewohn‰ bar.
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Allein von der Feuerwehr waren 32 Ret‰ ter im Einsatz.
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Fotos: Berufsfeue­rwehr Augsburg Ein Blick in das verrußte Treppenhau­s.

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