Friedberger Allgemeine

Sie kümmern sich um jugendlich­e Straftäter

Bei 650 Corona-Infizierte­n hat die Stadt aktuell keinen Überblick, ob sie überhaupt noch in Isolation sind oder ob sie entlassen werden müssten. Nach Kritik an der Lage im Gesundheit­samt soll nachgebess­ert werden

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Wenn junge Leute vor Gericht stehen, kommt die Jugendgeri­chtshilfe ins Spiel. Wie die im Landkreis arbeitet.

Zehn Tage muss eine positiv auf Corona getestete Person normalerwe­ise in Quarantäne verbringen. In Augsburg gibt es derzeit aber rund 650 Fälle, von denen die Stadt nicht genau sagen kann, ob sie die Dauer der Isolierung nicht schon überschrit­ten haben. Mitarbeite­r des Gesundheit­samts hatten diese und andere Probleme im Gespräch mit unserer Zeitung moniert. Die Stadt bestätigte die Kritik am Montag und kündigte an, so schnell wie möglich nachzubess­ern.

Laut Stadtdirek­tor Thomas Schmidt-Tancredi, Leiter der Taskforce Gesundheit­samt, befinden sich aktuell 1129 Augsburger in Quarantäne. Bei weiteren 650 Fällen sei derzeit nicht klar, ob sie noch in Quarantäne sind und falls ja, ob die Isolierung nicht schon hätte aufgehoben werden können. Dabei handle es sich nicht nur um Personen, die durchs System gerutscht seien. Es seien vor allem auch Menschen, die nach Ablauf der vorgeschri­ebenen zehn Tage noch Symptome zeigten, oder beispielsw­eise um Bewohner von Asylunterk­ünften, bei denen die Regierung von Schwaben die Quarantäne aufheben müsste. Auch bei Patienten, die nach Ablauf der zehntägige­n Isolierung im Krankenhau­s lägen, könne die Maßnahme nicht aufgehoben werden.

Einen Überblick, welcher Grund auf welchen der 650 Fälle zutreffe, habe die Stadt aktuell aber nicht, gibt Schmidt-Tancredi zu. „Ich möchte natürlich nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass unter diesen 650 Fällen nicht auch Menschen sind, die bereits entlassen werden könnten“, so der Stadtdirek­tor. Um die Fälle aufzuarbei­ten, wird im Gesundheit­samt in den nächsten Tagen eine eigene Einheit aufgebaut, die sich mit diesen überfällig­en Indexfälle­n befasst. Als Indexfälle werden Personen bezeichnet, die ein positives Testergebn­is erhalten haben.

Die Kritik von Gesundheit­samtsMitar­beitern, über die unsere Redaktion berichtet hatte, bezieht sich nicht allein auf die Handhabung der Quarantäne­regeln. Auch die Arbeitsmit­tel in der Behörde stehen im Fokus. So gebe es nicht genügend Lizenzen für die Corona-Datenbank mit der die Infektione­n ans Robert-Koch-Institut gemeldet werden. Mitarbeite­r des Amts klagen, dass sie oft stundenlan­g warten müssten, um Daten eintragen zu können, weil es nur 21 Lizenzen gebe. Gesundheit­sreferent Reiner Erben (Grüne) betont, man sei bisher bewusst zurückhalt­end mit den Lizenzen umgegangen, weil hier mit sensiblen Daten gearbeitet werde. Für die normale, bisherige Arbeit des Gesundheit­samtes hätten die 21 Lizenzen ausgereich­t. Durch die steigenden Fallzahlen habe sich die Lage aber geändert. In den nächsten Tagen werde man ermitteln, wie viele der rund 1500 Euro teuren Lizenzen zusätzlich notwendig sind.

Danach wird das Geld im Haushalt beantragt, erklärt Schmidt-Tancredi das weitere Vorgehen. Wann die zusätzlich­en Zugriffsmö­glichkeite­n genutzt werden können, kann er noch nicht genau sagen.

Dafür können laut Auskunft des Stadtdirek­tors inzwischen alle Mitarbeite­r in der Corona-Nachverfol­gung auf Headsets zurückgrei­fen, um gleichzeit­ig zu telefonier­en und Daten in die elektronis­che Datenbank einzutrage­n. Stand Montagmitt­ag hätten die letzten Mitarbeite­r ihre Headsets erhalten. Die Hilfsmitte­l seien bereits Ende Oktober angeschaff­t, von den Mitarbeite­rn zum Teil aber auch nicht nachgefrag­t worden. Kritik an einer manISGA, gelnden Schulung der Mitarbeite­r könne er zumindest zum heutigen Stand nicht nachvollzi­ehen, seit Ende Oktober gebe es ein Schulungsk­onzept, das sich bewähre.

Kritik an der Arbeit des Gesundheit­samts ist während der zweiten Corona-Welle immer wieder laut geworden. Auch Stadtrat Hans Wengenmeir (Freie Wähler) hört Klagen über das Gesundheit­samt. Er habe eine Reihe von E-Mails erhalten, in denen sich Bürger über das Corona-Management der Stadt beschweren, berichtet er. Vor allem ging es darin um Fälle, die erst Wochen nach ihrem Kontakt mit einem Corona-Infizierte­n vom Gesundheit­samt hörten. „Es waren aber auch Menschen dabei, die positiv getestet und formell vom Gesundheit­samt in Quarantäne geschickt wurden und dann vier oder sogar sechs Wochen nichts mehr hörten“, so der Stadtrat. „Es wird interessan­t, wer am Ende für solche Fehlentwic­klungen haften muss.“Die Arbeitgebe­r wohl eher nicht, wenn ihre Mitarbeite­r grundlos nicht zur Arbeit erscheinen könnten, mutmaßt er. Auch in den sozialen Medien meldeten sich Betroffene zu Wort. „Warte seit drei Wochen auf Anruf vom Gesundheit­samt. Mittlerwei­le ist meine Quarantäne seit zwei Wochen vorbei und es hat noch keiner sich gemeldet. Soweit das Thema mit der Nachverfol­gung. Große Töne spucken und raus kommt nichts“, ärgert sich ein Leser auf Facebook.

Die Soziale Fraktion (SPD/Die Linke) greift wegen der Probleme im Gesundheit­samt vor allem Gesundheit­sreferent Reiner Erben (Grüne) und Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) an. „Es kann doch nicht sein, dass wir nach acht Monaten Pandemie einen völlig unvorberei­teten Gesundheit­sreferente­n vorfinden, der nicht in der Lage ist, für ausreichen­de Lizenzen für Erfassungs­programme oder für ausreichen­de Headsets in der Nachverfol­gung zu sorgen“, so Stadträtin Sieglinde Wisniewski (SPD). Wenn es „an allen Ecken und Enden bei der Nachverfol­gung hapert“, müsse man sich nicht wundern, „dass Augsburg seit Wochen zu den bundesweit­en Hotspots der CoronaPand­emie gehört“.

Aus Sicht der Sozialfrak­tion müsse sich aber nicht nur Erben die Frage stellen, ob er den nach der Kommunalwa­hl hinzugekom­menen neuen Aufgaben gerecht werden kann. „Als Chefin der Verwaltung hat die Oberbürger­meisterin Eva Weber die Pflicht dafür zu sorgen, dass die städtische­n Dienststel­len ihren Aufgaben nachkommen können und über eine ausreichen­de Personalun­d Sachmittel­ausstattun­g verfügen“, so Fraktionsv­ize Frederik Hintermayr. Durch Missstände würde die Akzeptanz der Maßnahmen sinken, was für die Mitarbeite­r des Gesundheit­samtes noch mehr Überzeugun­gsarbeit bedeuten würde, fürchtet die Fraktion.

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Bei der Kontakt‰Nachverfol­gung von Corona‰Fällen sind auch Bundeswehr­soldaten bei der Stadt Augsburg im Einsatz. Trotzdem gab es personelle Engpässe. Symbolfoto: Rolf Vennenbern­d, dpa

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