Friedberger Allgemeine

Die CDU kann Wahlen in Großstädte­n gewinnen

Frank Nopper heißt der neue Oberbürger­meister von Stuttgart. Der Rathausche­f der Stadt Backnang profitiert­e von der Uneinigkei­t unter der Konkurrenz links von der Mitte. Warum sich die Grünen im Ländle Sorgen machen müssen

- VON SIMON KAMINSKI

Stuttgart Selten wurde in das Ergebnis einer Kommunalwa­hl derart viel hineininte­rpretiert wie in die Oberbürger­meisterwah­l von Stuttgart. Dafür immerhin gibt es gute Gründe. Zum einen, weil das „Ländle“im Frühjahr einen neuen Landtag wählt, zum anderen, weil die Grünen in einer Großstadt, in der eigentlich alle Parameter für die Partei sprechen, komplett untergegan­gen sind. Ganz und gar nicht untergegan­gen ist die CDU mit ihrem Kandidaten Frank Nopper. Auf den 59-Jährigen, der 42,3 Prozent holte, werden nun natürlich alle Hoffnungen der einstmals so erfolgsver­wöhnten CDU Baden-Württember­gs projiziert.

Ob zurecht, wird sich zeigen müssen. Denn die Geschichte hat zwei Ebenen: Einmal muss sich weisen, ob Nopper die Stadt, die ja ein enormes Potenzial hat, wieder aufwecken kann. Ebene zwei: Was wird aus den Grünen? Noch immer ist es ein Rätsel, dass der mit großen Erwartunge­n gestartete Grüne Fritz Kuhn als Oberbürger­meister derart blass geblieben ist. Genauso unklar ist, warum es den Grünen in acht Jahren an der Spitze der Stadt nicht gelungen ist, einen Kandidaten aufzubauen, der das Zeug dazu gehabt hätte, Kuhn beerben zu können.

Spätestens an diesem Punkt landet man unweigerli­ch beim Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n. Der wertkonser­vative Politiker tritt ja noch einmal an – das ist die gute Nachricht für die erfolgsver­wöhnten Grünen an Rhein und Neckar. Die schlechter­e Nachricht ist allerdings, dass – wie just in Stuttgart – völlig unklar ist, wer in der Partei das Zeug dazu haben könnte, den beliebten Landesvate­r einmal zu ersetzen. In der CDU gibt es eine Frau, die sich diese Rolle zutraut: Die forsche Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann sieht sich durch die Wahl Noppers als Spitzenkan­didatin gestärkt.

Tatsächlic­h ist es so, dass bei den Grünen fast nur noch Kretschman­n für Schlagzeil­en sorgt. Der überregion­al bekannte frühere Bundeschef der Grünen, Cem Özdemir, hat eine Kandidatur in der Landeshaup­tstadt dankend abgelehnt. „Das ist klar ein Dämpfer für die Grünen“, sagt denn auch der Kommunikat­ionswissen­schaftler Frank Brettschne­ider von der Uni Hohenheim: „Die Grünen müssen Wahlkampf machen und kampagnenf­ähig sein.“Das sei ihnen in Stuttgart nicht gelungen. Schon in Freiburg hatte der grüne Oberbürger­meister Dieter Salomon sein Amt 2019 überrasche­nd verloren. Besonders ärgerlich für die Grünen ist, dass mit dem Tübinger Bürgermeis­ter Boris Palmer ein Politiker mit seinen zum Teil provokante­n Thesen immer wieder bundesweit­e Beachtung findet, den die Partei am liebsten loswerden würde.

der CDU hat der Sieg von Nopper naturgemäß Euphorie ausgelöst. Schließlic­h hat der noch amtierende Bürgermeis­ter von Backnang endlich gezeigt, dass die Partei auch in Großstädte­n Erfolg haben kann. Denn, wer sich in die Statistik einliest, der könnte meinen, dass die SPD und nicht die Union eine erfolgreic­he Volksparte­i ist: Sozialdemo­kraten regieren in 47 von insgesamt 81 Städten über 100000 Einwohner in Deutschlan­d. Deutlich abgeschlag­en rangiert die CDU mit 17 Rathausche­fs vor den Grünen mit sieben Bürgermeis­terinnen und Bürgermeis­tern. Wie also hat es Nopper geschafft, die erfolgsver­wöhnten Grünen aus dem Stuttgarte­r Rathaus zu kegeln? In die Karten spielte ihm, dass die Wähler des linken Spektrums ihre strukturel­le Mehrheit nicht nutzen konnten – so kam der unabhängig­e Sozialdemo­krat Marian Schreier, der nicht von seiner Partei unterstütz­t wurde, in der zweiten Runde der Wahlen auf 36 Prozent: Der offizielle SPDKandida­t, Fraktionsc­hef Martin Kröner, stieg nach der ersten Runde angesichts eines desaströse­n Ergebnisse­s unter zehn Prozent entnervt aus. Der Chef der linken Fraktion Hannes Rockenbauc­h landete bei 17 Prozent. Und dann gab es ja noch die grüne Kandidatin: Veronika Kienzle gab nach der ersten Runde entnervt auf – frustriert von lediglich 17,2 Prozent. Doch wie soll man einen mitreißend­en Wahlkampf maIn chen, wenn man von vorneherei­n als Verlegenhe­itskandida­tin gilt – und zwar auch in den eigenen Reihen. Allerdings passten ihre teils seltsam unentschlo­ssenen Auftritte ganz gut zu dieser Attitüde.

Nopper, verheirate­ter Vater zweier Söhne, wirkte im Wahlkampf am ehestens als Politiker, der die nötige Weltläufig­keit besitzt, einen internatio­nalen Top-Wirtschaft­sstandort wie Stuttgart adäquat nach außen zu vertreten. Der Jurist, der in jungen Jahren auch in New York als angehender Rechtsanwa­lt eine Station einlegte, ließ sich nicht von der Hektik des Kommunalwa­hlkampfes anstecken. Er schwebte gewisserma­ßen über den Dingen, während sich Schreier und der Linke Rockenbauc­h heftige Duelle lieferten.

Dabei hat Nopper von Anfang an penibel darauf geachtet, nicht als stramm konservati­ver Politiker wahrgenomm­en zu werden. Insbesonde­re

Noch einmal geht der Landesvate­r ins Rennen

Der Jurist setzt auf Merz als CDU‰Parteichef

als publik wurde, dass Nopper Friedrich Merz für den Mann hält, der die CDU als Spitzenman­n in den Bundestags­wahlkampf führen sollte. Also sendete er immer wieder Signale aus, um auch für die progressiv­e Stuttgarte­r Stadtgesel­lschaft wählbar zu bleiben. „Das Auto verliert in Innenstädt­en an Bedeutung. Aber es wird eine Bedeutung behalten“, so sein Spagat in einem Gespräch mit dem Magazin Spiegel. Natürlich weiß Nopper, dass es gerade in Stuttgart und Baden-Württember­g ein Balanceakt ist, das grüne Lebensgefü­hl in den Ballungsge­bieten mit der Erforderni­s zu verbinden, in einem hoch technisier­ten Wirtschaft­sstandort Politik zu machen.

Nicht erst seit dem Streit über das Bahnprojek­t Stuttgart 21, der Familien und Freundeskr­eise bis heute spaltet, ist es für Kommunalpo­litiker existenzie­ll zu erklären, wie Ökologie und Ökonomie versöhnt werden kann. Stuttgart 21 dürfte in der Familie Nopper nicht selten Thema beim Frühstück gewesen sein. Schließlic­h war der Vater, Klaus Nopper, als CDU-Stadtrat engagierte­r Verfechter des ehrgeizige­n Verkehrsvo­rhabens.

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Foto: Marijan Murat, dpa Von Backnang nach Stuttgart: Der CDU‰Politiker Frank Nopper schaffte das Kunststück, in der größten baden‰württember­gischen Stadt mit einer strukturel­len linken Mehrheit die Oberbürger­meisterwah­l zu gewinnen.

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