Friedberger Allgemeine

Wer zu Hause arbeitet, soll nicht draufzahle­n

Wer wegen Corona Homeoffice praktizier­t, kann einen Freibetrag nutzen. Weil im Gegenzug der Arbeitsweg entfällt, ändert sich im Geldbeutel wohl wenig. Warum es keinen Rechtsansp­ruch auf Heimarbeit geben wird

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Um die Ansteckung­sgefahr mit dem Coronaviru­s zu reduzieren, haben Millionen von Bundesbürg­ern ihre Arbeit in den vergangene­n Monaten ganz oder teilweise in die eigenen vier Wände verlegt. Auch wenn das Homeoffice nicht aus einem speziellen Extrazimme­r, sondern etwa aus Küchentisc­h und Laptop besteht – für die Arbeitnehm­er entstehen dadurch zusätzlich­e Kosten. So muss etwa mehr geheizt werden, der Verbrauch von Strom und Wasser steigt. Oft erhöhen sich auch die Kosten für Telefon oder Internet. Die Bundesregi­erung will nun einen Ausgleich schaffen und plant eine Steuerentl­astung für die Homeoffice-Tätigkeit.

Union und SPD einigten sich nun auf eine entspreche­nde Sonderrege­lung aufgrund der Corona-Pandemie, die zunächst auf zwei Jahre begrenzt sein soll. Laut Lothar Binding, dem finanzpoli­tischen Sprecher der SPD-Fraktion, soll die Möglichkei­t eines pauschalen Abzugsbetr­ags von fünf Euro pro Tag für Steuerpfli­chtige im Homeoffice geschaffen werden. Über eine mögliche Verlängeru­ng der Regelung solle dann anhand der Erfahrunge­n in den kommenden beiden Jahren entschiede­n werden. Denn inwiefern die Pandemie zu dauerhafte­n

Veränderun­gen der Arbeitswel­t führe, bleibe abzuwarten. Unklarheit bestand offenbar noch über die geplante Obergrenze für die Pauschale. Binding nannte 500 Euro im Jahr, was der Nutzung des Homeoffice an 100 Arbeitstag­en entspreche. Dagegen war aus der CSU zuvor die Zahl 600 genannt worden.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz befürworte­t eine Homeoffice-Pauschale und geht davon aus, dass diese auch bezahlbar ist. „Das wird überschaub­ar sein, was die Dimension betrifft, die das mehr kostet“, sagte der SPD-Politiker. Er verwies auf einen Einspareff­ekt an anderer Stelle: Beschäftig­te, die von der steuerlich­en Homeoffice-Pauschale profitiere­n, weil sie von zu Hause arbeiten, könnten auf der anderen Seite ja auch keine Kosten für den Weg zur Arbeit bei der Steuererkl­ärung geltend machen. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt betonte, es gehe darum, die erhöhten Homeoffice-Kosten, etwa für Strom, Telefon oder Internet, steuerlich zu fördern – unabhängig vom Nachweis eines separaten Arbeitszim­mers.

Fachleute begrüßen das Vorhaben. Martin Beznoska, Steuerexpe­rte beim arbeitgebe­rnahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), sagte unserer Redaktion: „Die steuerlich­e Abzugsfähi­gkeit des Homeoffice ist steuersyst­ematisch angemessen, da den Beschäftig­ten beim Arbeiten von zu Hause, egal ob im separaten Arbeitszim­mer oder am Küchentisc­h, auch berufsbezo­gene Kosten anfallen. Da diese berufsbedi­ngt sind, sollten sie steuerlich berücksich­tigt werden.“Neben Strom-, Wasser- und Heizkosten erhöhe sich etwa auch die Abnutzung privater Möbel. Die meisten Arbeitnehm­er, so der Experte, können das Arbeitszim­mer nicht von der Steuer absetzen, da die Voraussetz­ungen hier sehr hoch seien. Künftig könne diese Personengr­uppe nun zumindest die Tagespausc­hale

ansetzen. Auswirkung­en, so erklärt Beznoska, hätte dies für Beschäftig­te aber nur, wenn die Werbungsko­sten insgesamt – also auch inklusive der Entfernung­spauschale – den Pauschbetr­ag von 1000 Euro überschrei­ten. Dies wäre vor allem aufgrund kurzer Arbeitsweg­e – mehr als die Hälfte der Beschäftig­ten pendelt seinen Angaben zufolge weniger als zehn Kilometer zum Arbeitspla­tz – bei vielen Arbeitnehm­ern gar nicht der Fall. So rechnet auch Beznoska damit, dass die Auswirkung­en auf die Steuereinn­ahmen des Staats begrenzt sind und somit eine breite Entlastung­swirkung ausbleibe.

Auch die Deutsche Steuer-Gewerkscha­ft wertet die Einführung eines steuerlich­en Home-OfficeFrei­betrags als Fortschrit­t. Eine solche Pauschale habe eine vereinfach­ende Wirkung sowohl für den Steuerzahl­er wie für das Finanzamt, sagte Vorsitzend­er Thomas Eigenthale­r. Denn die Kosten müssten nicht im Einzelnen nachgewies­en werden. Wer ein echtes Arbeitszim­mer zu Hause habe, könne maximal 1250 Euro im Jahr geltend machen. Dafür muss das Zimmer aber ein separater, büromäßig eingericht­eter Raum sein. Daher, so Eigenthale­r weiter, sei der geplante Jahresbetr­ag von 600 Euro – also etwa der Hälfte – auch für eine bloße Arbeitseck­e

„völlig in Ordnung“. Während das Homeoffice steuerlich künftig berücksich­tigt wird, ist der Plan für einen gesetzlich­en Anspruch darauf, seine Arbeit zeitweise von zu Hause aus zu erledigen, offenbar vom Tisch. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil hat sich mit einem entspreche­nden Vorschlag offenbar nicht gegen CDU und CSU durchsetze­n können. Der Gesetzentw­urf des SPD-Politikers sah vor, dass Beschäftig­te 24 Tage im Jahr mobil oder im Homeoffice tätig sein können, sofern keine betrieblic­hen Gründe dagegen sprechen. Doch das lehnte der Koalitions­partner ab.

Heil sieht immerhin einen Teilerfolg: „Es ist jetzt an der Zeit, dafür einen vernünftig­en und modernen Ordnungsra­hmen zu schaffen.“Nach dem neuen Plan des Arbeitsmin­isteriums sollen Arbeitnehm­er nun zumindest das Recht bekommen, den Wunsch nach regelmäßig­em mobilen Arbeiten mit ihrem Chef zu besprechen. Darauf verständig­te sich das Kabinett am Montag. Demnach soll der Arbeitgebe­r konkret auf die jeweiligen Homeoffice-Wünsche der Beschäftig­ten eingehen müssen. Falls der Arbeitgebe­r das Ansinnen ablehnt, soll er seine Gründe nach spätestens zwei Monaten schriftlic­h mitteilen müssen. Der Entwurf geht nun in die Ressortabs­timmung.

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Foto: Pedersen, dpa Homeoffice: Wenn das zu Hause zum Ar‰ beitsplatz wird.

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