Friedberger Allgemeine

Miley Cyrus’ Cocktail aus Chaos

„Plastic Hearts“bietet Mainstream-Pop vom Feinsten

- VON STEFFEN RÜTH

Ihr Leben ähnelte in den vergangene­n drei Jahren dem einer Katze, die ins Schleuderp­rogramm gerät. Doch Miley Cyrus, 28, hat die Dramen nicht nur überstande­n, sondern auf ihrem neuen Album „Pastic Hearts“geschickt verarbeite­t. „Ich hatte geglaubt, ich hätte alles im Griff“, schrieb Cyrus vor wenigen Wochen auf Instagram. Dann jedoch habe sich „alles“verändert. Sie habe eine Art Inventur ihres Lebens gemacht, sagt sie im Podcast des US-Moderators Zane Lowe. „Die letzten drei Jahre waren ein Cocktail aus Chaos, serviert vom schlechtes­ten Barkeeper aller Zeiten.“

Kurz zusammenge­fasst für alle, die sich nicht täglich mit dem Leben des Ex-Kinderstar­s („Hannah Montana“) befassen, der sich 2013 mit dem legendären „Wrecking Ball“emanzipier­te: Im Sommer 2017 brachte Miley das wenig erfolgreic­he Quasi-Country-Album „Younger Now“heraus, im November 2018 brannte ihr die Bude in Malibu ab, einen Monat später heiratete sie ihren langjährig­en On/Off-Verlobten, Schauspiel­er Liam Hemsworth, im August 19 trennte sich das Paar.

Das alte Leben liegt in Trümmern? Also baut sie sich ein Neues. Beruflich heißt das: Statt geplanter drei EPs, deren Inhalt und musikalisc­he Ausrichtun­g Miley nicht mehr als relevant empfand, kommt das – kurzfristi­g angekündig­te – Album „Plastic Hearts“. Es ist ein Fest. Lange hat keine Popmusiker­in und kein Popmusiker mehr so versiert die Bedürfniss­e befriedigt wie Miley Cyrus mit ihren Produzente­n und Co-Autoren, darunter OneRepubli­c-Mann Ryan Tedder, Andrew Watt, Louis Bell und natürlich Mark Ronson. „Plastic Hearts“als vielschich­tig zu bezeichnen, wäre eine Untertreib­ung. Zum Vergleich: Der Langweilig­keit von Katy Perrys „Smile“oder der latenten HouseEintö­nigkeit von Lady Gagas „Chromatica“setzt Cyrus ein Feuerwerk der Fulminanz entgegen.

Doch trotz aller Perfektion und Hochglanzt­rimmung schlägt auf diesem Album auch ein Herz: Mileys

Herz. Sie schüttet ihre Gefühlswel­t aus, redet über die Scheidung, die zwischenze­itlichen Liebeleien, ihre Neigung zu Extremen, und das mit raspelnd rauer Stimme, die speziell in den ruhigen Stücken keinen kalt lässt. „Angels Like You“lässt den Stadion-Pathos von Aerosmith aufflacker­n, beim von Ronson dezent produziert­en und sehr melancholi­schen „High“möchte man Miley kurz drücken, das großartig melodische „Never Be Me“fasst diese 28 Jahre alte, Fast-schon-Pop-Veteranin in zwei Zeilen zusammen: „But if you’re looking for stable, that’ll be never be me/ If you’re looking for faithful, that’ll never be me“. („Wenn du nach jemandem suchst, der dir Stabilität gibt und Treue verspricht, dann findest du das nicht bei mir“).

Aber gibt es auch Hits? Durchaus. Da ist die eingängige Single „Midnight Sky“, die seit Wochen an der Spitze der Radiochart­s steht. Da ist „Prisoner“, ein Duett mit Dua Lipa, das an den fast vierzig Jahre alten Hit „Physical“erinnert. Da ist „Night Crawling“, auf dem der von Miley hochverehr­te Billy Idol sein Grölen und Stöhnen aus der „White Wedding“-Ära wieder hervorhole­n darf. „Plastic Hearts“ist nicht das Rockalbum, das einige vermutet hatten. Es ist vielmehr ein topmoderne­s Mainstream­pop-Album, das sich ein paar Klamotten aus den Achtzigern angezogen hat.

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Foto: Sony Miley Cyrus legt ihr neues Album „Plas‰ tic Hearts“vor.

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